Tag 232

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Sie hatten die Schlucht hinter sich gelassen.
Circa drei Kilometer westlich der Stelle, wo Robin das seltsame Gefährt in die Schlucht befördert hatte, gab es eine Brücke, die sie überquerten.
Dahinter lag ein größernteils grünes Land mit Akazien und Baobabbäumen.
Eine rote Straße führte immer weiter fort von dem Ort, an dem Robin seine Freunde verloren und seine Lebensfreude wiedergewonnen hatte.
Bunte Vögel kreisten über ihren Köpfen und sie scheuchten eine kleine Gruppe von Antilopen auf, die panisch über die Straße sprangen und im Dickicht auf der anderen Seite zwischen den Palmfarnen verschwanden.
»Das wäre ein schönes Abendessen gewesen.« seufzte rote Nacht »Hast du schonmal Antilope gegessen?« Robin schüttelte den Kopf.
Sie saßen auf Kisten auf der Ladefläche einer der Geländewagen und ließen sich von der Straße ordentlich durchschaukeln.
Die Abreise war leichter gefallen, als gedacht und sie waren nicht weit gekommen.
Nur bis kurz über die Schlucht, dann hatte ein Baum auf der Straße gelegen und die Männer hatten die ganze Nacht gebraucht, um ihn zu entfernen.
Im Morgengrauen waren sie aufgebrochen. Nun war es Mittag und sie alle waren hungrig.
Gestern war die Mahlzeit knapp ausgefallen.
Schwarzmesser wirkte allerdings nicht so, als würde er demnächst anhalten, damit seine Jungs essen konnten.
Die Straße stieg an und der Konvoi kam ins Stocken. Robin hielt sich am Dach der Fahrerkabine fest.
Rote Nacht rutschte bedenklich nach hinten. Zusammen mit ein paar Kisten.
»Wo kommt plötzlich dieser Berg her?« fragte blauer Himmel genervt und verkrampft sich.
Sie erreichten die Kuppel und sahen auf den Wald hinab der unter ihnen liegt. Am Horizont schimmerte ein Gewässer.
Das Meer? , fragte sich Robin. Der Konvoi nahm wieder Geschwindigkeit auf und sie hoppelten durch ein ziemlich tiefes Schlagloch, das rote Nacht fast aus dem Wagen beförderte.
»Ich frage mich, wo wir hinfahren.« sagte kaltes Herz nach einer Weile. »Weit weg, wo dieses Huhn von Developer uns nicht finden kann.« antwortete blutige Klinge. »Ist er wirklich so gefährlich?« fragte rote Nacht. »Sieh dir weißer Tiger an und beantworte mir die Frage.« »Ist er?«
Robin nickte und ein Schauer lief ihm über den Rücken über diese Grausamkeit, die er erfahren hatte.
»Ich hasse böse Menschen.« »Du bist selbst ein böser Mensch.« »Ich hab noch niemanden umgebracht!« »Wenn du's nicht tust, töten sie dich.« »Weißer Tiger hat lange Zeit auch niemanden getötet und wurde nicht getötet!« »Weißer Tiger ist ja auch weißer Tiger und du bist nur rote Nacht, der schnell auch tote Nacht heißen kann, wenn er nicht aufpasst, was er sagt.« Blutige Klinge klang wütend. Robin verstand nicht warum. So besonders kam er sich gar nicht vor. Er war einfach nur ein Junge, der in Schwarzmessers Gunst stand. Zumindest kam es ihm so vor.
Die Jungen schwiegen wieder und hingen ihren Gedanken nach.
Der Wagen polterte weiterhin gemächlich über die unebene Straße und die Stimmen der Männer und anderen Jungen erfüllten die Luft, begleitet von den Motoren.
Das Gewässer war nicht mehr zu sehen. Sie befanden sich im Herzen des Waldes. Hier war es seltsam schwül und unangenehm heiß.
Die Sonne stand direkt über ihnen und brannte Robin auf den Schädel.
Wenn er in Bewegung gewesen war, hatte er die Hitze und das Brennen der Sonne, nie so richtig gespürt, aber nun saß er da und musste sich brutzeln lassen.
Plötzlich stoppte der Wagen vor ihnen und jemand stieß einen hohen Schrei aus. Alle sahen sich verwirrt an. Robin starrte in den Wald, als ein Pfeil auf ihn zu geschossen kam und nur knapp seinen Kopf verfehlte.
Sein Herz begann zu rasen und er duckte sich rasch.
»Waldbewohner!« rief jemand. Blutige Klinge riss eine der Kisten auf und nahm sich ein Sturmgewehr hinaus.
Blind ballerte er in den Wald. Schreie ertönten. Offenbar traf er welche.
Die anderen schnappten sich ebenfalls Waffen.
Pfeile kamen herbei geflogen, schlugen aber nur gegen die Karosserie des Wagens oder flogen über ihre Köpfe.
Keine guten Schützen, dachte Robin und schnappte sich ebenfalls eine Waffe.
Mit überraschender Präzision zielte er auf die Bäume in der zweiten Reihe und zerfledderte dessen Rinde.
Die Menschen im Wald waren ihnen unterlegen. Auf keinen Fall würde er jetzt mit dem Töten anfangen.
Es dauerte vielleicht eine Viertelstunde bis es ruhig wurde.
Feuerfänger lief von Wagen zu Wagen und kontrollierte die Anzahl der Jungen und Verletzten.
»Alles klar bei euch?« fragte er. »Bestens.« erklärte blutige Klinge. »Dann geht es gleich weiter. Denen haben wir ordentlich eingeheizt.« »Schade um die Munition.« meinte blauer Himmel. Feuerfänger winkte ab und lief weiter.
Wenig später kam er zurück und der Konvoi setzte sich kurz darauf wieder in Bewegung.
»Das war ein Adrenalinkick des Todes.« sagte rote Nacht.» Ich dachte schon ich würde draufgehen, aber die konnten ja mal so gar nicht schießen. Schade, dass ich glaub ich keinen getroffen habe.« »Kommt noch.« versicherte blutige Klinge. Blauer Himmel wirkte ein wenig verstört.
Robin sah ihn fragend an. »Geht schon. Hab nur grad ne Nahtoderfahrung hinter mir. Das muss man erstmal verarbeiten.« »Sag bloß, du wurdest fast von so'm Pfeil getroffen.« »Ich hab den Luftzug auf meiner Wange gespürt.«
Die Jungen lachten. Blauer Himmel wirkte immer noch nicht sonderlich begeistert. Robin tätschelte ihm die Schulter. Es war eine wahre Genugtuung den Jungen schwach zu sehen.

Als des dunkel wurde campierten sie mitten auf der Straße. Stellten aber jede Menge Wachen auf.
Auch Robin sollte vorerst wach bleiben und Alarm schlagen, wenn etwas draußen sich rührte.
Er saß auf dem Dach eines Wagens mit einer Glocke, die er bekommen hatte auf dem Schoß und starrte ihn den finsteren Wald hinein.
Vermutlich würde er die Gegner erst bemerken, wenn sie auf ihn schossen und er bot ein leichtes Ziel. Er würde tot sein, ehe er die anderen alarmieren konnte.
Da kam ihm eine clevere Idee. Er legte die Glocke auf seine Knie, so dass sie runter fallen würde, wenn er erschossen würde.
Aber es rührte sich nichts und wenig später wurde er abgelöst von einem anderen Mann.
Er sprang vom Dach hinunter verstaute die Glocke wieder und suchte sich das bequemste Fleckchen Straße, auf dem er schlafen konnte.
Er legte sich neben kaltes Herz, der sich an einen Autoreifen gelehnt hatte und schlief.
Er schnarchte ein wenig, aber Robin war es mittlerweile gewöhnt, dass Störgeräusche ihn umgaben.
Er rollte sich zusammen und schloss die Augen.
Mit ein bisschen Glück würde er den nächsten Morgen noch erleben.

Der weiße TigerWhere stories live. Discover now