Tag 107

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Er lag unter einer Plane etwas abseits der anderen und atmete, wie so oft in den letzten Tagen schwer.

Um seine Schulter wand sich ein enger Verband, der zur Hälfte rot gefärbt war.

Neben ihm stand eine Schüssel mit seiner täglichen Ration, aber wenn einem schon das Atmen schwer fiel, wie sollte man da noch einen Bissen herunter bekommen?

Die Blicke der anderen Jungen lasteten auf ihm. Besorgte, voller Angst und Schrecken und ein Zweifelnder, der sich fragte, was geschehen wäre, wenn alles anders verlaufen wäre.

~~~

Die Sonne stand hoch am Himmel und brannte auf die Feuerjungen herab.
Sie saßen beim Essen, bekamen aber kaum etwas herunter. In Sichtweite lag blutige Klinge im Sterben. Zumindest gingen alle davon aus, dass er sterben würde.

Robin konnte an nichts anderes mehr, als diese eine Kugel unter den hunderten Platzpatronen und ihm überkam die Gewissheit, dass diese Kugel für ihn bestimmt gewesen war.

Leider hatte gebrochener Stein sein eigentliches Ziel verfehlt, was ihm vermutlich das Leben gerettet hatte, denn Robin war sich sicher, wäre er getroffen worden, hätte Schwarzmesser den Schützen sofort töten lassen.

Das war ein beunruhigender Gedanke. Es stellte sich dabei die Frage, ob die anderen Jungen über das Gleiche nachdachten oder ob ihnen die Möglichkeit, dass Robin jetzt tot sein könnte, völlig unrealistisch vorkam.

Mit kneifendem Magen schob Robin sich den Löffel mit dem matschigen Brei in den Mund und warf einen Blick auf blutige Klinge.

Klares Wasser brachte ihm gerade etwas zu trinken und würde hoffentlich den Verband wechseln, aber da wollte Robin nicht mehr hinsehen.

Sein Blick streifte für einen Moment trauriger Schatten. Der Junge sah auf und blickte ihn fragend an. In den letzten Tagen hatte Robin so gut, wie gar keine Zeit gehabt, über eine Fluchtmöglichkeit nachzudenken. Seine Gedanken kreisten immer um diese Kugel und hatte ihm schon einige schlaflose Nächte beschert.

Er wollte sein Versprechen, allerdings nicht aus den Augen verlieren und ließ seinen Blick nun in die Ferne schweifen.

Er blieb an dem Wall hängen. Er war hoch, gut fünf Meter, und umschloss das Lager zum ein und einhalb Seiten. Wenn man es über ihn schaffte ohne bemerkt zu werden, hatte man die großen Akazienheine und dahinter den Busch, als Versteckmöglichkeit, aber in Richtung Norden dauerte es Tage, um überhaupt zurück zum Fluss zu kommen und Robin und seine Familie waren alleine drei Stunden mit dem Auto zur Lodge gefahren.

Der Flughafen hatte zudem abseits der Stadt gelegen und man bräuchte von dort, wiederum eine Stunde bis in die nächste Stadt, die auf Robin nicht so gewirkt hatte, als gäbe es dort ein Krankenhaus oder ähnliches.

Den Norden konnte er also ausschließlich. Wohin es nach Westen und Süden ging, wusste er nicht, aber nach Osten führte eine Straße und nicht allzu selten kamen Lastwagen und anderen Fahrzeuge herbei und holten das Gold ab oder brachten andere Dinge wie Lebensmittel oder Medikamente.

Eine Stadt könnte also nicht weit sein, aber der Weg an der Straße entlang war sehr gefährlich. Es musste nur ein Wagen mit Schwarzmessers Männern vorbeifahren und man wäre tot.

Außerdem gab es in diese Richtung keinerlei Deckung. Man würde Stunden, wenn nicht sogar Tage auf offenem Gelände herumlaufen und potenziellen Feinden schutzlos ausgeliefert sein.

Im Inneren verstand Robin, dass eine Flucht zu Fuß eine größere Gefahr war und quasi unmöglich.

Er dachte weiter angestrengt nach, aber ihm kam immer noch keine zündende Idee.

Der weiße TigerWhere stories live. Discover now