Tag 187

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Ohrenbetäubende Knalle rissen Robin unsanft aus dem Schlaf. Für einen Moment war er völlig orientierungslos, bis er eine Laterne am Tunneleingang entdeckte.
Der Himmel war mit Wolken bedeckt und es war stockfinster. Wieder ein Knall, es klang wie ein Schuss.
Robin sprang auf die Beine. Um ihn herum erhoben sich Stimmen.
Jemand schrie und Feuerfängers Stimme drang durch die Dunkelheit.
»Wir werden angegriffen! Zu den Waffen, Jungs. Macht schon
Blutige Klinge stürmte an Robin vorbei und warf ihm eine Waffe zu.
»Los beeil dich, weißer Tiger!« rief er und war schon wieder verschwunden. Umständlich warf Robin sich das Gewehr über die Schulter und rannte in die Richtung, aus der die Schüsse kamen.
Mindestens die Hälfte der Feuerjungen hatte den Wall bereits erklommen und kauerte an der Kuppe.
In der weiten, hügeligen Landschaft war nichts zu sehen, nur zu hören.
»Das ist verdammt unheimlich.« flüsterte jemand. »Klappe!« zischte blutige Klinge.
Robin quetschte sich zwischen blauer Himmel und kaltes Herz in die erste Reihe.
»Autsch. Was soll das, Miezi?« beschwerte sich blauer Himmel und kassierte einen Tritt von Robin. Er brummte empört, ließ aber von ihm ab.
»Das ist keine gute Idee, weißer Tiger.« sagte kaltes Herz »Du hast hier vorne nichts verloren.«
Robin schnaubte verächtlich und entdeckte einen Mann, der auf allen Vieren leise den Wall erklomm.
Er feuerte einen Schuss ab, der genau am Kopf des Mannes vorbei ging. Dieser erschreckte sich zu Tode und stürzte schreiend nach unten.
Die Jungen sahen Robin überrascht an.
»Du bist wirklich ein Tiger. Sehen in schwärzester Nacht.« meinte gebrochener Stein beinahe ehrfürchtig.
Robin verdrehte nur die Augen und starrte konzentriert in die Dunkelheit.
Feuerfänger brachte Fackeln zu ihnen.
»Zündet sie an und werft sie runter. Dann sehen wir, wenn jemand kommt.«
»Einen hat weißer Tiger schon erledigt.« sagte blutige Klinge. »Ach echt?« Feuerfänger schien überrascht. Robin reagierte nicht und nahm ein paar Fackeln. Er konnte den Blick des Narbenmannes auf seinem Rücken spüren und ihm wurde ganz heiß.
Blauer Himmel hatte ein Feuerzeug und zündete die Fackeln an.
Diese flogen im hohen Bogen über den Wall und tauchten dessen Fuß in ein unheilvolles gelbes Licht.
Nun konnten sie sogar den Kampf in der Ferne beobachten.
Zwei Gruppen von Männern schossen aufeinander. Die einen hinter Büschen und Bäumen verborgen, die anderen hinter aufgestellten Holzwänden.
Im Minutentakt starben Männer beider Seiten und ihre Schreie drangen bis zu den Feuerjungen hinauf.
»So wird das nichts. Wir verlieren.« seufzte Feuerfänger »Ihr müsst darunter. Zack Zack.«
Die Jungen starrten ihn entsetzt an.
»Das wird unser aller Ende sein.« prophezeite blauer Himmel. »Ein glorreiches Ende.« erwiderte Feuerfänger.
Gleichzeitig fuhren blutige Klinge und Robins Kopf herum und die beiden sahen sich in die Augen.
»Also los.« sagte der älteste Feuerjunge und rutschte den Hügel hinunter. Ohne zu zögern folgte Robin ihm.
»Unsere Champions.« hörte er Feuerfänger noch murmeln.

Keine zwanzig Meter vom Wall entfernt war es wieder finster.
Robin konnte blutige Klinge und die anderen nur hören, obwohl sie direkt neben ihm waren.
Das Adrenalin kochte in seinen Adern, als sie immer näher an die feindliche Gruppe heranschlichen.
Dichtgeduckt über dem Erdboden und meist auf allen Vieren.
Blutige Klinge war ein Stück voraus und ab und zu drang sein leiser Ruf zu ihnen.
Doch als sie die Gruppe fast erreicht hatten, wurden seine Rufe von den Schüssen übertönt.
Robin hörte die Stimmen der Männer und die Schreie der Verwundeten. Fast wäre er über eine Leiche gestolpert.
Sie hockten hinter ein paar Büschen, kurz vor der Schusslinie der beiden gegnerischen Gruppen.
Blutige Klinge saß angespannt in der ersten Reihe und wartete.
»Worauf wartet er?« fragte blauer Himmel ungeduldig. Er wirkte angespannt und auch ein wenig ängstlich.
»Auf den perfekten Augenblick.« zischte blutige Klinge. »Es gibt keinen perfekten Augenblick.«
Blauer Himmel brachte sein Gewehr in Stellung.
»Warte.« flüsterte blutige Klinge, doch da eröffnete blauer Himmel bereits das Feuer. Robin warf sich flach auf den Boden, während die anderen ebenfalls zu schießen begannen.
Blutige Klinge schrie wütend, doch konnte nichts mehr ausrichten.
Um Robin herum brach das Chaos aus und seine Sinne spielte, wie so oft in brenzligen Situationen völlig verrückt.
Rechts und links rannten Jungen an ihm vorbei. Schüsse flogen über ihn hinweg. Die Erde wurde aufgestoben. Schreie ertönten aus allen Richtungen.
Jemand sackte neben ihm zu Boden. Es war fallender Tropfen.
Der Junge keuchte und stank nach Blut.
»Ich sterbe...« stellte er entsetzt fest und sein Blick wurde starr.
Robin konnte für einen Moment nicht die Augen von ihm lassen, dann richtete er sich auf und verschoss seine gesamte Munition in den Himmel.
Wenig später war es totenstill.
Der Himmel riss auf und der Mond tauchte das Schlachtfeld in sein silbernes Licht.
Es war entsetzlich. Überall lagen Tote oder Verletzte.
Die Jungen kauerten am Boden und weit aufgerissenen Augen und zitternden Händen.
Die Männer liefen umher. Inspizierten ihre Feinde und sammelten dessen Waffen auf.
Robin stand da. Neben fallender Tropfen und seiner Waffe in der Hand.
Nicht weit entfernt hockte blutige Klinge und hielt sich die Seite.
Er beäugte Robin und sein Blick war glasig.

Die Sonne ging auf und die Jungen erholten sich allmählich.
Blauer Himmel und ein paar andere, darunter auch Robin, waren unversehrt.
Blutige Klinge und gebrochener Stein waren schwer verletzt und fallender Tropfen und graue Rache waren tot.
Als Robin den ehemaligen Goldjungen fand, wollte er es erst gar nicht glauben.
Der Junge musste unter Qualen und Schmerzen gestorben sein, denn sein Mund vor seltsam verzerrt, sein Körper lag gekrümmt da und die Augen waren geschlossen.
Kaltes Herz kniete sich neben ihn.
»Er war ein guter Junge. Hat immer gut auf uns aufgepasst. Damals. Und war für...für tote Maus immer, wie ein Bruder.«

Wenn wir sterben, denken dann meist nicht alle so von uns? Heißt es nicht immer, wir wären tolle Menschen gewesen, auch wenn wir das nicht waren?
Robin starrte auf kaltes Herz hinab und fragte sich, was er davon halten sollte, aber sie hatten keine Zeit mehr zum Trauern.
Feuerfänger beorderte sie zurück ins Lager.
Als Robin zurück war, nahm der Narbenmann ihm seine Waffe aus der Hand.
Überrascht sah er Robin an.
»Leer?« fragte er. Robin nickte und wandte sich ab.
»Bist du jetzt ein wahrer Feuerjunge?«
Robin reagierte nicht, sondern starrte nur zu Boden.
»Mein Champion.« murmelte Feuerfänger fast verbittert.
Robin sah auf und funkelte ihn böse an.
»Was?«
Robin hätte ihn gerne geschlagen und ballte schon die Fäuste, als Feuerfängers Faust in seinem Gesicht landete.
Keuchend stolperte Robin einen Schritt zurück.
»Denk war nicht erst dran.« drohte Feuerfänger, doch Robin sammelte sich wieder und stellte sich kerzengerade vor ihn.
Er wandte ihn die Gesichtshälfte zu, die Feuerfänger nicht geschlagen hatte.
»Du forderst mich heraus, was? Nur zu.« Feuerfänger schlug ihn wieder und Robin ging zu Boden, blieb aber keinen Augenblick liegen und stand wieder auf.
Feuerfänger ging unbeeindruckt davon.
»Glorreich.« kommentierte blutige Klinge.

Der weiße TigerWhere stories live. Discover now