Tag 2

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Schon im Morgengrauen weckten die Männer die Jungen und trieben sie unter ihren Planen hervor. Jeder bekam eine Waffe und ein Messer und wurde den Hügel hinauf zu Feuerfänger-dem Narbenmann- und Frieden geschickt.

Sie mussten üben zu schießen. Mit Platzpatronen zielten sie auf unterschiedlichste Ziele. Krochen mit den Gewehren unter Stacheldraht hindurch. Liefen durch ein Minenfeld aus Silvesterknallern, die fast unsichtbar auf dem Boden verstreut waren. Wer auf eine drauf trat war tot und musste etwas anderes machen.

Robin starb gleich bei seinem ersten Schritt und musste helfen vernagelte Holzkisten auf einen der Anhänger zu verladen. Dieser würde in die Zivilisation fahren, die Sachen verkaufen und mit Munition, Medizin und anderen wichtigen Lebensmitteln zurückkehren.

Für einen Moment überlegte Robin, ob er sich unter die Plane schmuggeln sollte, aber es waren zu viele Menschen anwesend. Jemand würde in bestimmt sehen und dann würde er noch mehr Ärger bekommen, als er ohnehin schon hatte.

Er wusste nicht, was seine Strafe für das Klauen des Handys sein würde und wann er sie bekommen würde, aber schon bei den Gedanken wurde ihm übel, weshalb er es lieber gar nicht wissen wollte.

Als er zum Essen kam, saßen dort schon alle anderen und schlangen ihre Portionen hinunter. Er ging zu dem Mann der aus dem großen Kessel den Brei schöpfte und erwartete, dass er eine Schüssel bekommen würde, aber der Mann scheuchte ihn nur wie eine Fliege davon.

Frustriert und hungrig setzte er sich zu toter Drache und rotes Blut in den Staub und vergrub erschöpft das Gesicht in den Händen.

Die Sonne brannte schon den ganzen Tag unermüdlich auf ihn nieder. Er hatte Sonnenbrand und würde vermutlich noch schlimmere Dinge bekommen, wenn er nicht bald in den Schatten kam.

Die anderen Jungen schwitzten alle nur und waren mit ihren dunklen Hautfarben fast völlig immun gegen die Sonne. Doch Robin war vor Kurzem noch quasi eine wandelnde Leiche gewesen. Die Sonne bekam ihm so gar nicht gut.

Zumindest nicht, wenn man keine Zeit für eine Abkühlung hatte. Der Fluss war nicht weit. Er könnte einfach dort baden gehen, aber die nervenaufreibenden Aufgaben der beiden Männer ließen keine Zeit dafür übrig.

Seine Freunde sahen ihn mitleidig an und starrten mit schlechtem Gewissen auf ihre leeren Pappteller.

Schwarzer Fluss durfte auch wieder etwas Essen und schlang gieriger als alle anderen seine Mahlzeit herunter. Der Blick, den er Robin zuwarf, hatte schon etwas Schadenfrohes.

Er funkelte ihn böse an und war kurz davor ihm das Grinsen aus dem Gesicht zu wischen, da betrat Schwarzmesser die Szene.

~~~

Er ließ seinen Blick über die am Boden hockenden Jungen wandern und erfasste das Gesicht, nach dem er gesucht hatte. Es war eigentlich nicht zu übersehen. So anders, als die anderen und doch wirkte er so, als gehöre er dazu.

Noch nie hatte Schwarzmesser Strafen mit Bedauern veranlasst. Dieser Junge tat ihm aber irgendwie leid. Er wusste nicht was hier vor sich ging. Kannte die Sprache nicht. Er war völlig hilflos und abhängig.

Abhängig von mir, dachte er zufrieden und gab dem Jungen ein stummes Zeichen zu ihm zu kommen. Da der weiße Tiger ihn ohnehin schon die ganze Zeit angestarrt hatte, brauchte er nicht lange, um zu kapieren. Er stand auf und schob sich durch die Reihen der Essenden.

Schwarzmesser schüttelte tadelnd den Kopf und zeigte in die Richtung, in die er gehen sollte.

~~~

Robin ging ohne zu zögern voran und stieg mit Schwarzmesser den Hügel hinauf. Oben wartete schon Feuerfänger und ein paar Schaulustige Männer mit Gewehren.

Robin hatte nun doch ein mulmiges Gefühl und wich einen Schritt zurück. Doch Schwarzmesser schubste ihn vorwärts und er wurde von Feuerfänger gepackt.

Dieser drückte ihn auf die staubige Erde. Robins Körper begann zu zittern. Adrenalin schoss wieder durch seine Adern und sein Blickfeld verengte sich. Er nahm nur noch das genau vor ihm war und starrte panisch von rechts nach links wobei die Personen um ihn herum nichts weiter als Schatten waren.

Dann durchzog ein Höhlenschmerz seinen Rücken und er bäumte sich blind vor Angst auf. Wieder wurde er schlagen. Der Schmerz war unbegreiflich und das Bild vor seinen Augen wurde unscharf und verschwamm. Wieder der Schmerz und danach ein fürchterliches Brennen. Dann wurde er ohnmächtig.

~~~

Der weiße Tiger war weg. Er lag geradezu schwach in Feuerfängers Armen und rührte sich nicht.
Ein wenig überrascht fuhr Schwarzmesser sich durch das kurze schwarze Haar.

»Ist er tot?« fragte siedendes Wasser reichlich blöd. »Nein, er schläft nur.« antwortete sein Bruder sarkastisch. »Er ist ohnmächtig geworden. Das Weichei.« sagte Feuerfänger und verpasste dem Jungen eine Backpfeife. Schwarzmesser schüttelte abwegig den Kopf. »Versorgt ein wenig seine Wunden und bringt ihn dann zu den anderen zurück.« befahl er und machte sich auf den Rückweg ins Lager.

Die Feuerjungen lauerten bei ihren Zelten auf weißer Tigers Rückkehr und tuschelten aufgeregt miteinander, als Schwarzmesser alleine den Hügel hinab kam.

»Geh und hilf den Männern, schwarzer Fluss.« befahl er dem Jungen, der ein ungewöhnliches Geschick im Behandeln von Verletzungen hatte. Er rannte zum Hügel und ließ die anderen noch besorgter als zuvor zurück.

Schwarzmesser hatte sie nun passiert und sah mal wieder kopfschüttelnd auf seine Rekruten hinab.

Hatten sie nichts Besseres zu tun, als den ganzen Tag nur herumzusitzen und Däumchen zu drehen?

Er würde seinen ersten Offizier auf die Sache ansetzen und den Jungen eine Aufgabe geben. Er konnte nicht zulassen, dass sie den ganzen Tag nur faulenzten.

Robin erwachte unter einer der Planen. Er lag auf einer Decke und vier Gesichter beäugten ihn. Er blinzelte und sie wurden scharf. Es waren rotes Blut, toter Drache, schwarzer Fluss und noch ein Mann, den Robin noch nie gesehen hatte.

»Wie geht es dir?« fragte der Mann. »Idiot! Er versteht dich doch gar nicht.« meinte rotes Blut und zeigte Robin den Daumen hoch. Dieser erwiderte die Geste und versuchte sich aufzusetzen.

In seinem Kopf drehte sich alles und ein brennender Schmerz schoss durch seinen Rücken. Er fasste sich an die Stelle und zuckte vor Schmerz zusammen.

Schwarzer Fluss imitierte das Geräusch einer knallenden Peitsche und deutete auf seinen Rücken. Stöhnend ließ sich Robin zurückfallen und bereute es sofort. Die Jungen sahen sich verständnislos an.

»Ist er dumm?« fragte der Mann. »Du bist dumm.« meinte rotes Blut. Sie schüttelten allesamt den Kopf und Robin seufzte.

Er hatte schon zu viel durchgemacht und fühlte sich nicht gerade zu großen Taten bereit, aber offenbar wollten die vier ihn nicht in Ruhe lassen. Sie stupsten ihn immer wieder an und wollten, dass er aufstand, aber Robin wollte nicht. Er war viel zu müde und erschöpft für irgendetwas. Außerdem war die Decke so schön weich und...

»Ist er nun endlich mal aufgewacht?« ertönte Schwarzmessers Stimme und sofort sprang Robin auf. Vor diesem Mann und Feuerfänger hatte er am meisten Angst. Schwarzmesser musterte ihn eindringlich und kratzte sich am Kinn.

»Ich hoffe das wird dir eine Lehre sein und du wirst sowas nicht nochmal machen.« sagte er und starrte Robin an. Auch wenn er nichts verstanden hatte, nickte er.

Der große Mann drehte sich um und ging kopfschüttelnd davon.

Der weiße TigerTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang