Tag 97

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»Die Zeit des Faulenzens ist vorbei.« rief Feuerfänger »Jetzt beginnt die Zeit der Arbeit. Nichts tun ist zwar ganz schön, aber was tun ist tausendmal besser.«

Die Feuerjungen standen in einer Reihe vor einem offenen Gelände und warfen sich fragende Blicke zu.

»Wer teilt meine Meinung?« fragte Feuerfänger. Niemand antwortete.
»Weißer Tiger. Teilst du meine Meinung?« Robin sah ihn an, reagierte aber weiter nicht. »Bist du damit einverstanden?« formulierte der Narbenmann um. Robin schüttelte den Kopf und bekam sogleich eine kräftige Backpfeife verpasst.

Er sah Feuerfänger nur herausfordernd an und dieser schlug ihn wieder. Auf einmal konnte Robin sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen und grinste Feuerfänger frech an.

In dem Mann stieg die Wut empor und er holte weiter aus als zuvor und knallte seine Handfläche heftigst gegen Robins Kiefer. Der Junge stolperte von der Wucht des Schlages einen Schritt zur Seite und aus den Mündern der anderen ertönte ein mitleidiges Stöhnen.

Feuerfänger atmete einmal tief ein, um seine Fassung wieder zu erlangen und sah die anderen an.

»Super Vorschlag. Ich liebe Produktivität.« antwortete kaltes Herz sarkastisch . Er erntete einen kalten Blick von Feuerfänger und sah schnell weg.

Die Jungen begannen also wieder mit ihren Training, welches weiterhin aus über den Boden kriechen, schießen und über provisorische Minenfelder bestand. Einige der neuen Jungen hatten noch nie ein solches Training absolviert.

Trauriger Schatten, ein großer Junge, vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt, erwähnte kurz, dass Tahir ihnen nur zu Angriffen eine Waffe in die Hand drückte und einfach schießen ließ, was vermutlich der Grund war, warum Schwarzmesser die Mine so einfach zurück erobern konnte.

Die neuen Jungen waren zudem kein bisschen ausdauernd oder in irgendeiner Weise fit. Schon nach geschlagenen zehn Minuten keuchten sie lauthals und mussten stehen bleiben, mitten auf dem Minenfeld.

»Renn weiter, du Idiot!« schrie Feuerfänger den Jungen an, der stehengeblieben war und ballerte einen Paintball auf ihn.

»Zurück! Nochmal von vorne. Weißer Tiger! Geh du voraus.« knurrte Feuerfänger und lud sein Paintballgewehr nach.

Robin rannte tänzelnd über das Feld und achtete präzise darauf, nicht in die Feuerkörper zu treten. Bei seinem Training am Fluss hatte Robin sich zuletzt sehr gut angestellt und schien es nicht verlernt zu haben.

Am Ende des Trainings erreichte er als schnellstes und am öftesten die andere Seite.

»Gut gemacht, Tiger.« lobte Feuerfänger widerwillig. »Du bist der beste Schütze, der beste Kämpfer und der beste Läufer und doch bist du der schlechteste von uns, weil du noch nie einen getötet hast, zumindest nicht ohne gehörig Druck unterm Kessel.« meinte rote Schlange, dessen bestehende Existenz Robin gar nicht richtig wahrgenommen hatte.

Robin warf dem Jungen einen bösen Blick zu, aber der ließ sich nicht beirren. »Wir würden uns alle sicher nicht so beschissen fühlen, wenn du an rotes Bluts Stelle gestorben wärst. Denn du bist völlig unberechtigt der Champion. Du bist geradezu eine Schande für alle Feuerjungen, die je gelebt haben. Schwarzmesser bevorzugt dich viel zu sehr.«

»Lass ihn doch. Davon kann weißer Tiger sich auch nichts kaufen.« sagte blutige Klinge beim Essen genervt.

»Doch! Sein Leben!« beharrte rote Schlange. »Krieg dich mal wieder ein, bevor Schwarzmesser auftaucht oder weißer Tiger sich provoziert fühlt und dir eine reinhaut.« mischte kaltes Herz sich ein. »Pah! Vor dem Hosenscheißer hab ich keine Angst!« meinte rote Schlange hochmütig. Robin verdrehte die Augen und schlug dem Jungen dessen Schüssel ins Gesicht.

Rote Schlange schnappte schockiert nach Luft und verharrte in einer empörten Haltung. Die umsitzenden Jungen lachten lauthals. Amüsiert aß Robin sein Essen weiter. Rote Schlange wischte sich die Matsche aus dem Gesicht und funkelte Robin wütend an.

Wenn er seine Ehre hätte retten wollen, hätte er sich nun auf ihn stürzen müssen und als Sieger aus der Prügelei herausgehen müssen, aber rote Schlange war kein besonders schneller Denker und er verpasste seinen Moment.

Einige Augenblicke später war es einfach nur noch peinlich für ihn. Kurzentschlossen floh der Junge aus der Situation und zog sich zu seinem Schlafplatz zurück.

Robin saß weiter bei den anderen Jungen, doch rückte mehr und mehr in den Hintergrund.

Das war der Nachteil am ewigen Schweigen. Die anderen vergaßen schnell, dass er da war und Robin wurde wieder zum unbeteiligten Zuhörer.

»Wenn Schwarzmesser wieder veranlasst, dass wir trainieren, dann muss er etwas planen.« meinte trauriger Schatten.

»Die Frage ist nur was. Er hat die Mine. Was will er mehr?« fragte kaltes Herz. »Macht und Einfluss. Das Gebiet um die Mine ist weitläufig und größtenteils unbewohnt. Dadurch können sich leicht andere Gruppen hier ansiedeln und die gefährden uns und unsere Sicherheit. Besser früher die sogenannten Grenzen sichern, ehe es zu Problemen kommt.« erklärte blutige Klinge.

»Klingt logisch, aber warum können das nicht die Erwachsenen machen. Das Training ist mir eindeutig zu viel.« meinte trauriger Schatten. Blutige Klinge lachte.

»Das war noch gar nichts. Warte erstmal, wenn Mörder mit dir joggen geht. Danach wünscht du dir, du wärst nie geboren oder halt...« Der Rest, den er sagen wollte, war nicht mehr so lustig. Trauriger Schatten rümpfte die Nase. »Wie viele sterben bei euch an Erschöpfung?« fragte er vorsichtig.

»Überraschend wenige. Nur wenn große Gruppen von neuen kommen, dann gibt es oft welche, die am Anfangstraining scheitern oder einfach verhungern, weil sie durch zu schlechte Leistungen nichts zu Essen bekommen. Aber das ist schon mindestens ein Jahr, dass viele Rekruten auf einmal kamen. Ihr seid die größte Gruppe seid langem und ja nicht unerfahren.« meinte blutige Klinge.

Betretenes Schweigen. Die Jungen starrten in ihre leeren Schüsseln und dachten über das Gesagte nach.

Robin musterte ihre Gesichter. Die der Alten waren bedrückt und bekümmert. In ihren Augen spiegelten sich Gefühle und Emotionen der Vergangenheit wieder. In denen der Neuen Angst und Ungewissheit. Sie hatten weiterhin keine Vorstellung davon, was sie in Zukunft erwartete.

Tahir war zwar grausam und brutal gewesen und das Leben in seiner Gruppe war vermutlich psychisch sehr viel belastender, aber Angst und Unterdrückung allein, brachte einen Menschen nicht um, da musste er schon stark um den Verstand und seine körperliche Leistungsfähigkeit gebracht werden.

Robin musterte weiter die Jungen stellte ihre körperliche Verfassung fest. Die meisten waren sehr dünn, aber sonst kräftig. Außer einige viele der Neuen. Diese wirkten dürr und gebrechlich. Hatten größtenteils große Augen, die den Schrecken der Vergangenheit widerspiegelten.

Ich kann mir nicht annähernd vorstellen, was sie erlebt haben. Ich kann nur beten, dass mir nichts ähnliches widerfährt. dachte er in seinem Magen breitete sich ein unangenehmes Gefühl aus.

Der weiße TigerWhere stories live. Discover now