Tag 233

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Auf dem See glitzerte die brennende Mittagssonne. Der Konvoi parkte auf einer sumpfigen Wiese. Die Jungen und Männer saßen vergnügt herum und genossen ihr eher karges Mittagessen, doch das störte niemanden so wirklich. Die Landschaft um sie herum war einfach zu schön.
»Es ist herrlich hier.« meinte blauer Himmel fröhlich und atmete die feuchte Luft ein »Hier könnt ich's aushalten.« »Hier gibt es nichts für uns und der Ort ist viel zu ungeschützt, außerdem sind lauter feindliche Dörfer überall in der Nähe und die sind keine Bauern.« belehrte ihn blutige Klinge. »Kämpfer sind es aber auch nicht. So schlecht, wie die geschossen haben.« »Sie sind Jäger. Vermutlich schießt ihre Beute selten zurück.«
»Immerhin haben sie uns nicht noch einmal angegriffen.« sagte rote Nacht. Die Jungen nickten.
Robin dachte an seinen Traum.
Er war durch den Wald geirrt und vor irgendetwas davongelaufen, aber er hatte es nie zu Gesicht bekommen und gerade, als ein Schatten sich auf ihn stürzte war er aufgewacht.
Erst hatte er geglaubt, der Traum sei wahr gewesen, da ein unnatürlicher Schrei die Luft erfüllt hatte, aber es war nur ein komischer Vogel gewesen, hatte kaltes Herz behauptet.
»Boah. Mir ist so warm.« stöhnte rote Nacht und fächelte sich Luft zu. »Stimmt. Diese schwüle Luft sind wir gar nicht mehr gewöhnt.«
Blutige Klinge grinste mit einem Mal sehr verschwörerisch und schielte zum See. Robin schüttelte den Kopf. Was war, denn dort Krokodile oder so drinnen waren?
Andererseits hatte er bisher noch keine wirklich gefährlichen Tiere in Afrika gesehen, bis auf Hyänen, aber auch die nur aus der Ferne.
Auch kaltes Herz kapierte, was der Älteste vor hatte.
»Ist das so schlau?« fragte er. »Die Männer haben vorhin alles abgesucht. Keine Gefahr.«
Sofort sprang rote Nacht auf und zog sich das T-Shirt über den Kopf.
»Worauf wartet ihr dann noch?« rief er und war schon fast im Wasser.
Die Jungen lachten und rannten ihm hinterher.
Robin zögerte.
Das letzte Mal war er schwimmen gewesen an seinem ersten Tag bei Schwarzmesser und das war kein Spaß gewesen.
Nun spürte er so etwas, wie Furcht in sich aufsteigen.
»Komm schon, weißer Tiger. Worauf wartest du?« rief blutige Klinge ihn zu und tauchte unter.
Auf gar nichts! schüttelte Robin seine Ängste ab und rannte ins Wasser.

Es war herrlich warm und gleichzeitig sehr erfrischend. So viel Spaß hatten sie schon lange nicht mehr gehabt.
Sogar ein paar Männer gesellten sich zu ihnen und sie veranstalteten eine gigantische Wasserschlacht.

Danach lagen alle im Gras und ließen sich von der Sonne trocknen. Robin brummte der Schädel und sein Herz schlug etwas schneller, aber sonst fühlte er sich gut.

Nur kurze Zeit später machten sich alle bereit, um aufzubrechen.
Schwarzmesser hatte offenbar ein Ziel und wollte sich nicht zu viel Zeit lassen.
Die Straße war nun bewachsener und wirkte wenig benutzt. Umso langsamer kamen sie voran bis der Konvoi auf einmal völlig stoppte.

»Was ist los?« fragte blutige Klinge verwundert. In Robin breitete sich ein unbehagliches Gefühl aus.
Feuerfänger kam mal wieder vorbei.
»Baum.« erklärte er, klang für diese belanglose Nachricht aber ziemlich besorgt.
Robin stand auf und schaute nach vorne. Den ersten Wagen konnte er geradeso erkennen. Davor waren mehrere Baobabbäume, wie ein Barrikade aufgeschichtet und versperrten ihnen den Weg.
Robin konnte sich irgendwie nicht vorstellen, dass die Bäume zufällig dort lagen.
Hatten die Waldstämme sich untereinander verständigt und ein anderer rächte jetzt die Toten?
Nervös blickte er sich um, konnte aber niemanden entdecken.
Feuerfänger kam zurück. Er lief ungewöhnlich schnell und wirkte noch nervöser, als Robin sich fühlte.
»Kommt mit Jungs. Ihr könnt auch helfen.« sagte er.
Sie sprangen von ihrem Wagen und folgten ihm nach vorne.
Auf der Motorhaube des ersten Wagens stand Schwarzmesser und beobachtete die Männer, die mit großen Sägen und dicken Seilen versuchten die Bäume aus dem Weg zu schaffen.
»Packt mit an.« befahl Feuerfänger nochmal und verschwand.
Robin schleppte abgesägte Äste und Stammteile von der Straße.
Die meisten waren eigentlich viel zu groß und schwer, seiner Ansicht nach, aber irgendwie konnte er sie trotzdem heben.
Allmählich wurde es dunkler und die Anführer immer nervöser.
Ständig steckten Feuerfänger und Schwarzmesser die Köpfe zusammen und zeigten in alle möglichen Richtungen.
Robin war immer noch beunruhigt, aber die Arbeit lenkte ihn ein wenig ab.

Als der Mond über ihren Köpfen stand, war Robin so müde, dass er sich kaum auf den Beinen halten konnte.
Er stolperte über einen Ast am Boden und fiel der Länge nach hin. Niemand lachte ihn aus, wie es sonst der Fall war. Die anderen waren ebenso müde und verhielten sich ein wenig, wie Zombies.
Rote Nacht ließ sich absichtlich neben ihn ins Gras fallen und atmete erleichtert aus.
»Ich bin so müde. Alles tut mir weh. Ich fürchte, wenn ich noch weiter arbeiten muss, kippe ich gleich im Laufen um und schlafe bis morgen Abend.« seufzte er und schloss die Augen.
»Hey. Ihr beiden Faulpelze! Hoch mit euch! Wir sind noch nicht fertig.« schnauzte sie jemand an. »Wir sterben.« jammerte rote Nacht »Nur eine kurze Pause.«
»Kommt gar nicht in Frage.« Die Stimme des Mannes klang nur halb so stark, wie sie hätte klingen müssen. Auch er war erschöpft und schlurfte vor sich hin.
Robin rappelte sich hoch und das kostete ihn mehr Kraft, als diesen dämlichen Holzklotz und tragen.
Rote Nacht atmete langsam und gleichmäßig. Er war schon eingeschlafen.
Feuerfänger kam hinzu und trat dem Jungen in die Rippen.
»Hoch mit dir. Kleiner Krieger. Niemand schläft bevor ich es sage.«
Rote Nacht keuchte und stöhnte und erhob sich langsam.
Robin sah zu Schwarzmesser. Dieser schüttelte nur besorgt den Kopf und wandte sich ab.
Wir überkam Robin und er stolperte über den Weg zu dem Wagen.
Schwarzmesser bemerkte ihn und sah ihn an.
»Was soll ich denn tun?« fragte er und deutete Robins anklagenden Blick damit richtig. Robin hob verzweifelt die Schultern.
»Es ist gefährlicher, als du denkst.« flüsterte er ihm zu. »Wir schweben gerade in diesem Moment in Lebensgefahr und ich kann nichts dagegen tun.« er deutete auf die halbentfernte Barrikade und dann in den Wald.
Robin verstand und er hatte noch mehr Angst, als die Stunden zuvor.

Der weiße TigerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt