Tag 13

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Trockene Knalle und das laute Geschrei der Vögel ließ Robin aus dem Schlaf fahren.

Die Jungen um ihn herum regten sich ebenfalls und blinzelten verschlafen in den frühen Morgen. Die Rufe der Männer ertönten und hektische Schritte hasteten durchs Lager.

Robin erhob sich alarmiert, als er das unverkennbare Geräusch eines Schusses hörte. Rotes Blut griff nach seinem Arm und zog ihn zurück unter die Pläne, als er schon losstürmen wollte.

»Bleib hier. Hier bleiben! Verstehst du? Es ist gefährlich.« sagte er und sein Blick huschte leicht panisch durchs Lager.

Wieder ertönten Schüsse und ein Todesschrei durchdrang den Lärm. Robin lief ein kalter Schauer über den Rücken.

Da legte sich ein breiter Schatten über ihn. »Auf, Ihr Schlafsäcke! Es ist keine Zeit zum Angst haben. An die Waffen! Zack Zack!« knurrte Feuerfänger und trat einem Jungen in die Rippen. Dieser stöhnte auf und die anderen sprangen auf.

Robin riss sich von rotes Blut los und rannte Feuerfänger nach zu einem der Waffenzelte.

»Heute triffst du.« meinte er und warf ihm ein einfaches Sturmgewehr zu.
Robin konnte nur kurz nicken, als ein ohrenbetäubendes Dröhnen ertönte.

»Geht in Deckung!« rief jemand und alle warfen sich auf den Boden und mehrere Salven schwerer Schüsse schossen über sie hinweg. Robin blieb fast das Herz stehen und er hörte die verängstigten und panischen Schreie der Jungen, darunter mischten sich auch weitere Todesschreie.

Mit mehr Adrenalin als Blut in den Adern kroch Robin durch den Staub und suchte sich einen sicheren Bereich.

Feuerfänger war schon wieder auf den Beinen und stürmte zwischen den Zeltleichen hindurch Richtung Busch.
Eine Gruppe aus älteren Jungen und toter Drache und rotes Blut folgten ihm.

Er rappelte sich ebenfalls auf und rannte ihnen nach.

Schüsse ertönten, aber aus Richtung des Hügels.

An einem er Wälle schubste Feuerfänger alle in den Schmutz und deutete auf einige dunkle Gestalten am Rande der ersten Bäume.

»Lasst sie brennen.« zischte er und die ersten feuerten auf die Angreifer. In der Ferne ertönten die ersten Schmerzens-und Todesschreie.

Robins Hand zitterte. Er hatte schon gezielt, zögerte nun aber.
Das kannst du nicht tun! Du kannst niemanden erschießen! Du. Bist. Kein. Mörder!

Er senkte leicht den Lauf des Gewehres und starrte ängstlich zu Feuerfänger, doch dieser war mit der Eigensicherung beschäftigt.

Schwarzer Fluss neben im begann plötzlich heftig zu zucken und Robin stieß sofort ein stechender, metallischer Geruch in die Nase.

Der Sand neben ihm färbte sich rot und schwarzer Fluss' Augen wurden glasig. Er ließ seine Waffe fallen und keuchte erstickt.

Robin starrte ihn entsetzt an. Der Junge drehte sich auf den Rücken und seine Verletzung in Höhe des rechten Lungenflügels wurde sichtbar. Ein paar Schüsse flogen über sie hinweg.

Aus schwarzer Fluss' Mund lief Blut und er begann zu husten. Robin hätte ihm so gerne geholfen, aber er wusste nicht wie, um die gesamte Situation versetzte ihn in eine Art Schockzustand. Er konnte nur mit weit aufgerissenen Augen zusehen, wie der Junge starb. Unter Qualen und langsam mit so viel Schmerz und Kummer im Gesicht, wie Robin noch nie gesehen hatte.

Tränen schossen ihm in die Augen, als das Leben schwarzer Fluss verließ. Er lag schlaff und blutend im trockenen Sand und starrte blind in den langsam heller werdenden Himmel.

Geistesgegenwärtig schloss Robin seine Augen und legte seine Hand auf die Wunde.

Wenn es dich gibt, Gott. Dann kümmere dich um ihn. Er ist sicher eine gute Seele. Er hat das alles nicht gewollt. Er ist ein Gefangener wie ich, doch jetzt ist er frei.

Wieder ertönten Schreie und Rufe, begleitet von Schüssen. Aber sie klangen fern und konnten Robin und den toten Jungen nicht mehr bedrohen.

Toter Drache warf sich neben ihm in den Dreck. »Es ist ein Jammer. Schwarzer Fluss war nicht schlecht, aber trauere ihm nicht allzu sehr nach, das hilft dir auch nicht weiter. Verstehst du mich eigentlich?« sagte er und stupste Robin an der Schulter an.

Dieser war immer noch, wie in Trance und schüttelte schließlich geistesabwesend den Kopf.
Ich vergesse nicht und ich werde trauern. dachte er und stemmte sich hoch.

~~~

In der Mitte des zerstörten Lagers wartete Schwarzmesser auf sie. Er lobte die Siegreichen und bedauerte offenbar die Toten. Sein Blick verweilte eine Weile fragend auf Robin. Dieser wandte nur den Blick ab. Ob Schwarzmesser die gleichen Anforderungen an ihn stellte wie Feuerfänger? Ansonsten müsste er nun sehr enttäuscht sein.

Robin hatte schon wieder nicht das getan, was man ihm gesagt hatte, aber war das so schlimm? Die anderen hatten sich schon öfters in Extremsituationen befunden und waren Kummer und Leid gewohnt, doch für Robin war nicht viel Zeit vergangen seit sich sein Leben um 180 Grad gedreht hatte.

Für ihn war alles neu und jede fremde Situation eine Nervensache, die ihn zu erdrücken schien.

Bitte Gott. Mach, dass es Hoffnung gibt. flehte Robin, als er kein Mittagessen bekam und hungrig sich an den Wiederaufbau des Lagers machte.

Den ganzen Nachmittag und die halbe Nacht ackerten die Jungen und Männer. Zwei starben in der Zwischenzeit an Hunger und Erschöpfung und einer an seinen Wunden.

Sie wurden einfach über den Staudamm in den Fluss geworfen, so wie schwarzer Fluss und die anderen Toten von der Schießerei.

Robin stand stumm daneben und wünschte sich, dass jemand sie finden und anständig begraben würde.
Feuerfänger scheuchte ihn zurück zu seiner Arbeit.

»Wenn du schon beim Schießen versagst, dann mach dich gefälligst anderweitig nützlich.« meinte er und verpasste ihm einen harten Schlag auf den Hinterkopf.

Robins Magen schmerzte entsetzlich. Er kauerte vor der Plane und starrte in den sternklaren Himmel. Wieder stellte er sich seine Eltern als Sterne vor und diesmal auch schwarzer Fluss.

Die Sonne ist Gott, Schöpfer allen Lebens und der Mond ist der Wächter über alle Toten. malte er sich aus und warf einen skeptischen Blick zu dem silbernen Planeten im Südosten.

Er lauschte dem leisen Schnarchen der anderen Jungen und den vorsichtigen Schritten der Wachmänner im Lager.
Er hörte das Knistern eines Feuers und das Rauschen des Flusses. Der Wind strich über die Ebene und ließ eine Plane flattern. Der Schatten eine unheimlich menschliche Gestalt und tanzte mit der Brise.

Robin bildete sich ein eine ferne Melodie zu hören. Leise und dennoch klar. Mit vielen Verzierungen und keinem erkennbaren Rhythmus.

Die Toten tanzen heute Nacht durchs Lager. dachte er und eine Gänsehaut bildete sich auf seinem ganzen Körper.
Schaudernd kroch er zurück unter die Plane und rollte sich auf seiner dünnen Decke zusammen.

Unerwartet schnell überkam ihn der Schlaf und er tauchte in eine dunkle, graue Traumwelt ab.

Voller Geister und Schatten, Sternen und Lichtern und unheimlichen Flüstern.

Der weiße TigerWhere stories live. Discover now