Tag 30

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Im Schutz der Dunkelheit schlich eine dunkle Gestalt durch das schlafende Lager und sprang von Schatten zu Schatten.

Es war kurz vor der Dämmerung und die Wachen waren bereits müde und nicht mehr so aufmerksam. Sie saßen auf ihren Wachplätzen und ließen unaufmerksam ihre Blicke über die Landschaft schweifen.

Die Gestalt rannte geduckt zu den Geländewagen und kauerte sich hinter einen der großen Wagen.

In Sichtweite saß eine Wache an einen Pfahl gelehnt und die Waffe auf dem Schoß.

Mit ein bisschen Glück würde er die Gestalt nicht bemerken, wenn sie Richtung Busch rannte. Die Dämmerung durfte nur nicht zu schnell hinaufziehen und das Lied der Wildhunde musste zum richtigen Zeitpunkt auf dem Hügel ertönen.

Die Gestalt, namens geflügelter Tod, hatte am vergangenen Tag heimlich zwei Vögel gefangen und sie auf dem Hügel versteckt. Der Geruch würde die schlauen Jäger anlocken und die Aufmerksamkeit der Männer auf sich ziehen.

Er blieb gespannt hinter dem Wagen hocken und schaute abwechselnd nach Osten und zum Hügel.

Da ertönte der Ruf der Wildhunde. Ohne zu zögern rannte geflügelter Tod über die flache Ebene Richtung Busch.
Es war ein ganzes Stück zu laufen, aber er war gestärkt.

Jala eines der Mädchen hatte für ihn Essen gestohlen und ihm eine Wasserflasche besorgt. Er war der festen Überzeugung, dass er es in die nächste Zivilisation schaffen würde, ohne auszutrocknen oder zu verhungern.

Er rannte so schnell er konnte und nahm nach mindestens hundert Metern keine Rücksicht mehr, auf das Lager hinter ihm.

Das Rufen der Wildhunde war verstummt. Im Osten färbte sich der Himmel langsam rot.

Heute Nacht wurde kein Blut vergossen. dachte geflügelter Tod triumphierend. Er rannte über einen kleinen Hügel und sprang über einen großen Stein. Da ertönte ein Schuss.

Es riss geflügelter Tod förmlich von den Füßen und er landete auf dem Boden und überschlug sich ein paar Mal. Entsetzt, mit gequetschter Lunge und einem Herzschlag, der so stark war, dass er das Gefühl hatte, es würde ihm gleich aus der Brust springen, lag er da und spürte ein unerträglichen Schmerz in der Wade seines linken Beines.

Die Luft war erfüllt von Staub und dem Geruch nach Blut. Geflügelter Tod wurde schlecht und er begann würgend zu husten.

Das Knattern eines alten Motors ertönte und ein Mann landete neben ihm.

»Geflügelter Tod. Schande über dich, du Missgeburt von einem Feuerkind. Das war dein letzter Tag auf Erden. Jetzt wirst du in der Hölle schmoren, wie deine verfluchte Mutter und deine dämlichen Schwestern.« knurrte der Mann wütend. Er zerrte geflügelter Tod auf die Beine, der allerdings sofort wieder einknickte. Schmerzerfüllt schrie er auf.

»Memme. Du hast es nicht anders gewollt.« er zog einen Revolver aus seinem Gürtel und richtete sie auf den am Boden kauernden Jungen. Er spannte den Hahn.

»Warte. Ich habe eine bessere Idee.« sagte der Mann am Steuer plötzlich. »Eine bessere Idee, als ihn zu erschießen? Er ist ein Deserteur.« »Schwarzmesser hat bestimmt noch eine geniale Idee ihn umzubringen. Irgendwie hab ich im Gefühl er könnte ihn noch gebrauchen.«

»Wenn du meinst, aber du nimmst alle Schuld auf dich, wenn es Ärger gibt.« »Liebend gern.« Er packte geflügelter Tod und warf ihn auf die Ladeklappe des Geländewagens. Vor Schmerz wurde dem Jungen schwarz vor Augen.

Der weiße TigerWhere stories live. Discover now