Tag 195

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Blutige Klinge, kaltes Herz und Robin saßen unter einer der Akazien auf dem Hügel und beobachteten die Lastwagen und Autos, die seid einigen Tagen regelmäßig über die Straße fuhren.
Sie waren zur Wache eingeteilt und sollten aufpassen, dass alles mit rechten Dingen vor sich ging.
Allerdings waren so viele von Schwarzmessers Männern unten im Lager, dass sie überflüssig waren und lieber die Umgebung im Auge behielten.
Robin hatte sein T-Shirt ausgezogen und döste ein wenig in der Sonne.
Die beiden anderen spielten "drei gewinnt" im Sand.
Blutige Klinge war der unangefochtene Champion und kaltes Herz fluchte schon eine ganze Weile vor sich hin.
»Ich check's einfach nicht.« jammerte er und verwischte das Kreuz.
Blutige Klinge funkelte ihn belustigt an. Kaltes Herz stöhnte und lässt sich nach hinten fallen.
»Willst du nicht auch mal?« fragte er Robin.
Er reagierte nicht.
»Weißer Tiger hat keine Zeit. Er muss sich bräunen.« erklärte blutige Klinge. Robin lachte. »Das hab ich früher nicht verstanden, wenn ich dieses Wort gehört habe. Aber bei ihm kann ich's nachvollziehen.«
Die beiden starrten auf Robins blassen Bauch.
Ihm wurde ein wenig mulmig zu Mute. Die Blicke der Jungen war nicht gerade angenehm und er fühlte sich komisch, wenn sie darüber sprachen.
»Verdammt. Da kommt Mörder.« rief kaltes Herz plötzlich und setzte sich ruckartig auf. Auch Robin sprang auf und zog sich sein T-Shirt, was eigentlich nur noch ein Fetzen Stoff über den Kopf.
»Was macht ihr Faulpelze hier?« fragte Mörder verärgert und verpasste blutige Klinge, der immer noch auf dem Boden saß, einen Tritt.
»Wir beobachten die Umgebung und halten nach Gefahren Ausschau.« erklärte kaltes Herz. »Sicher doch. Jetzt hört auf hier herum zu hängen und kommt mit. Es gibt was zu tun.« meinte Mörder und trat den Rückweg an.
Seufzend folgten ihm die Jungen.
Bei den Hütten herrschte immer noch viel Betrieb und laute Stimmen erfüllten das Lager.
So viele Menschen auf einem Haufen hatte Robin schon lange nicht mehr gesehen. Er seufzte. Mal wieder.
Mörder brachte sie zu den anderen Feuerjungen, die bei ein paar Holzkisten saßen und offenbar auf etwas warteten.
»Auspacken.« befahl Mörder und warf blauer Himmel, der sich nicht rührte, einen finsteren Blick zu.
In den Kisten befanden sich in Plastik eingewickelte Westen. Stauend betrachteten die Jungen sie.
»Sind die für uns?« fragte blauer Himmel hoffnungsvoll. Mörder lachte.
»Mach dich nicht lächerlich. Euer Leben ist nicht mehr wert, als ein bisschen Dreck, also warum sollte man es schützen?«
Alle starrten den Mann wütend an.
Wenn wir ihn jetzt zusammen angreifen, hat er keine Chance, dachte Robin und ballte die Fäuste. Doch niemand rührte sich und Mörder machte eine wegwerfende Geste und ging.
Sie brachten die Westen und noch einige andere Kisten in eine der Hütten, die als Lager diente.
Zu gerne hätten sie in den Sachen herumgestöbert und die vielen verschiedenen Waffen ausprobiert, aber draußen waren die Männer und hatten immer ein Auge auf sie.
Schließlich konnten sie zum Mittagessen gehen. Robin war nicht sonderlich hungrig und aß beinahe lustlos den farblosen Brei.
Die anderen waren in eine hitzige Diskussion über Mörder verwickelt, dem sie immer noch gerne den Hals umdrehen würden.
»Er ist sowieso dumm. Schwarzmesser kann ihn bestimmt entbehren.« meinte blauer Himmel.
»Uns kann er noch viel besser entbehren.« entgegnete blutige Klinge. »Wir sollten weißer Tiger sagen, dass er ihn umlegen soll. Schwarzmesser verzeiht ihn bestimmt. Ein paar Peitschenhiebe und die Sache wäre gegessen.«
Wütend sprang Robin auf und schleuderte seine Schüssel nach blauer Himmel.
»Au. Was soll das?« rief dieser und rieb sich die Schläfe.
»Möchtest du, dass weißer Tiger dich auspeitscht, damit du spürst, wie das ist?« fragte kaltes Herz ruhig.
Blauer Himmel funkelte ihn böse an und Robin starrte zurück.
Von diesem Idioten würde er sich auf keinen Fall klein kriegen lassen.
»Ich hab doch nur gesagt, was wir alle denken. Weißer Tiger müsste schon lange tot sein.« meinte er. »Das denken wir nicht. Wir schätzen ihn, denn er ist ein besserer Kämpfer, als du es jemals sein wirst und er hat sowas wie Mitgefühl und Anstand, was dir Fremdwörter zu sein scheinen.« knurrte blutige Klinge bedrohlich. »Ihr habt keine Ahnung, wer ich bin.« »Und du hast keine Ahnung, wer er ist, also urteile nicht über ihn.«
Eine erdrückende Stille brach aus, in der alle sich gegenseitig anstarrten und versuchten, die Gedanken der anderen zu erraten.
Robin sah ihn ihren Augen das, was blauer Himmel gesagt hatte. Sie hatten schon so oft darüber gesprochen und er wusste, dass es falsch war, ihnen zu zustimmen, aber konnte nicht anders.
Dieser Neid machte ihn manchmal ziemlich fertig und er hasste es, bevorzugt zu werden. Am meisten hasste er allerdings blauer Himmel und Schläge, wie die, die seinen Rücken und seine Schultern zierten.
Er hatte keine Ahnung, dieser Junge. Er war noch nie, so geschlagen worden.
Bis auf ein paar Kratzer und blaue Flecke, war seine Haut völlig unbeschädigt.
Genau aus diesem Grund wünschte sich Robin, dass blauer Himmel einmal, und nur einmal einen falschen Schritt oder ein Wort zu viel sagte und dafür bezahlte.
Seine Vorstellung davon, beängstigend klar, aber seine sadistischen Gedanken waren ihm in diesem Moment egal.
Da kam Feuerfänger zu ihnen. In Begleitung von rote Nacht, der einen Stein umklammert hielt und nervös zu Boden stierte.
»Aufgepasst Kameraden. Antreten.« rief Feuerfänger beinahe fröhlich. Verwirrt standen die Jungen auf.
»Ich darf euch diesen Erdwurm hier vorstellen. Er nennt sich rote Nacht und ist nun, laut Schwarzmesser bereit ein Feuerjunge zu werden. Ich will, dass ihr ihn ausbildet und ihm alles beibringt, was ihr gelernt habt.«
»Wozu?« fragte kaltes Herz.
»Einfach so. Ich finds spannend.«
Wenig begeisterte Blicke wanderten über rote Nacht.
»Wie alt ist er? Sieben?« fragte blauer Himmel abschätzig. »Zehn.« murmelte rote Nacht. »Wird schon.« meinte blutige Klinge und zog den verängstigten Jungen zu sich heran.
»Wir machen's.« erklärte er. Feuerfänger nickte zufrieden. »Am Jahresende ist er ein Killer, klar.« Alle nickten und der Narbenmann verschwand.
Robin und rote Nacht tauschten einen Blick.
Seiner skeptisch, rote Nachts unwillig.

Es fühlte sich albern an, einen Jungen herumzukommandieren und ihm zu zusehen, wie er sich lächerlich machte, der nur wenige Jahre jünger war, als sie.
Rote Nacht schien wie ein hoffnungsloser Fall. Selbst nach zwanzig Schüssen hatte er nicht einmal ansatzweise die Zielscheibe getroffen, obwohl sie ihn jedes Mal auf genauste kontrollierten.
Mehrfach flog ihm das Gewehr beim Abdrücken, auch einfach aus der Hand.
Beim ersten Mal krachte es gegen gebrochener Steins Schienbein.
Danach stand keiner mehr hinter dem Jungen.
Robin beobachtete das Ganze aus sicherer Entfernung und schüttelte immer wieder den Kopf. Das alles schien völlig sinnlos zu sein.
Sie waren nicht dazu gemacht Befehle zu geben. Sie sollten Befehlen gehorchen und nun scheuchten sie einen verschreckten, schwachen Jungen über ihr Übungsfeld und blauer Himmel lachte sich auch noch kaputt.
So wird das nie was, dachte Robin, war allerdings gerade zu träge, um einzuschreiten.
Vielleicht später.

Der weiße TigerWhere stories live. Discover now