Tag 228

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Der Morgen graute und das Lager kam in Sicht. Zuerst entdeckte Robin den Wall und dann die Hütten.
Vor ihnen saßen ein paar Männer, die aufsprangen, als sie näher kamen.
Goldwolf parkte bei den anderen Autos und Robin sprang aus dem Wagen. Die Männer kamen zu ihnen, allen voran Feuerfänger.
»Es überrascht mich sehr, dass ich dich wieder sehe, Junge. Aber irgendwie freue ich mich.« sagte er und lächelte. Zwar nicht schön, aber er lächelte.
»Ich hätte nicht gedacht, dass Goldwolf und blutige Klinge zurückkehren würden.« meinte ein anderer Mann.
»Tja. Da siehst du mal, wie sehr du uns unterschätzt. Im Gegensatz zu manch anderen sind wir treu.« entgegnete blutige Klinge.
Da kam Schwarzmesser aus seiner Hütte. Schon von weitem sah man seine Freude, aber er behielt Haltung.
»Gut gemacht, ihr zwei. Und willkommen zurück weißer Tiger. Ich bedauere deine Umstände und ich hoffe, du verzeihst mir.« sagte er mit einem verhaltenden Lächeln, aber einem Blick, der Bände sprach. Robin nickte und schielte Richtung Tunnel.
»Geh ruhig und zeig den anderen, dass du wieder da bist. Sie werden sich freuen.«
»Verzeihung Boss, aber eine Frage. Wozu das Ganze? Ich meine, war es wirklich nötig diesen einen Jungen zu retten? Nicht für zehn andere würden sie das tun.« fragte einer der Männer.
»Es war eine ehren Sache. Ich wollte nicht, dass dieses Drecksschwein meinen besten Krieger in die Finger bekommt und womöglich noch dazu bringt, seine Waffe auf uns zu richten.« erklärte Schwarzmesser.
Robin wurde rot und beeilte sich ins Lager zu kommen.
Die Jungen saßen lustlos und unmotiviert unter ihren Planen und starrten auf den Boden.
Sie bemerkten Robin nicht. Nicht einmal, als er direkt vor ihnen stand.
Er räusperte sich.
Kaltes Herz blickte auf und konnte seinen Augen nicht trauen.
»Weißer Tiger? Du bist zurück?« rief er. Robin grinste. Die Jungen sprangen auf und freuten sich mehr, als Robin gedacht hatte.
»Wir dachten alle, du wärst tot oder so weit weg, dass du nie mehr zurückkommen kannst.« sagte rote Nacht und hüpfte aufgeregt umher.
»Die Auszeit scheint dir ja nicht gut bekommen zu sein.« stellte blauer Himmel mit einem Blick auf Robins Verband fest.
Da fiel Robin etwas ein. Er verabschiedete sich von den Jungen und ging zu klares Wasser.
»Was kann ich für dich tun?« fragte er, als Robin vor ihm stand. Robin zeigte auf den Verband. Der Arzt überlegte einen Moment, ob es das wert war, dann winkte er Robin in sein Zelt.
Das Entfernen des Verbands war die Hölle und Robin konnte nur schwerlich die Schmerzensschreie unterdrücken.
»Ei ei ei. Das sieht gar nicht gut aus.« stellte er fest »Dieser Developer hat dich ganz schön zugerichtet. Aber keine Angst. Ich krieg das wieder hin. Werden nur ein paar neue Narben.«
Als er fertig war, legte er Robin eine Hand auf die Schulter.
»Ich würde sagen, du warst sehr tapfer.« Robin nickte »Vielleicht solltest du den Ärgermagneten, der dich umgibt abstellen, dann trifft dich vielleicht seltener der Zorn anderer Menschen.« Wieder nickte Robin, diesmal mit einem Lächeln.
Goldwolf brachte ihm ein neues T-Shirt. Es wirkte schon mal getragen und war eindeutig zu groß, aber es war besser als nichts und Robin wollte nicht, dass alle die ganze Zeit auf den Verband starrten und dann später auf die Narben.
Alle waren an diesem Tag gut drauf und sie mussten nicht trainieren, aber ein erschreckender Gedanke trübte Robins Stimmung.
Für Jens war es ganz einfach wieder zurück zukommen. Er musste nur seine Männer und ein paar Waffen einpacken und herkommen. Alles niedermähen und Robin wieder mitnehmen und auspeitschen, bis er nur noch wunde Haut war.
Aber hatte es Jens überhaupt auf ihn abgesehen? War seine Wahl einfach nur auf ihn gefallen, weil er die gleiche Hautfarbe, wie er hatte? Und wieso überhaupt kannte Jens seinen Namen und seine Geschichte? Der Gedanke, dass dieser Mann mehr über ihn wusste, als Robin es jemals für möglich gehalten hatte, beunruhigte ihn sehr und er bekam kaum sein Essen hinunter.
»Alles klar bei dir? Du wirkst ein wenig erschreckt.« sagte blutige Klinge, der Robins Blick mal wieder bemerkte. Robin deutete auf seinen Verband. »Du hast Schmerzen?« Er schüttelte den Kopf. »Du denkst an deinen Schänder?« Er nickte. »Vor dem brauchst du keine Angst mehr haben. Wir haben den Verräter in unseren Reihen erledigt.« Verräter? »Es war ein Mann namens Teufelstropfen oder so. Er ist schon knapp zwei Jahre bei uns. Kam freiwillig, gehörte aber nie dazu, denn er spionierte für Developer und hat ihn mit Informationen gefüttert, die sonst keiner Wissen kann. Zum Beispiel unseren Standort und unsere Verbrechen. Wahrscheinlich weiß er deshalb von dir.«
Robin sah ihn entsetzt an.
»Keine Sorge. Teufeldings ist tot. Feuerfänger hat ihn erschossen nachdem er sein Geständnis abgelegt hat. Schwache Nerven hat der Mann. Und dann hat Schwarzmesser auf jeden Fall alle Männer Filzen lassen und ist der Meinung mehr Untreue gibt es bei uns nicht. Das Telefon ist jetzt auch dicht.«
Robin atmete erleichtert aus. Dann war der Fluss gestoppt, aber die Gefahr blieb. Jens wusste immer noch, wo sie sich befanden und kannte ihre Taten.
Robin fragte sich, warum er nicht die Polizei oder sonst wen rief, dann würden sie ein für alle mal von der Bildfläche verschwinden und Robin könnte vielleicht nach Hause.
Seltsam. Vor ein paar Stunden hatte er sich noch zurück ins Lager gewünscht und kaum war er hier, wollte er wieder weg.
Das nannte man wohl Fernweh. Immer dahin wollen, wo man nicht ist.
Frustriert löffelte er seine Schüssel aus und drückte sie rote Nacht in die Hand.
Der Junge erledigte seine kleinen Aufträge ohne zu murren.
Er war angekommen an diesem Ort und offenbar war es nur halb so schlimm, wie man es sich vorstellte.

In der Nacht hörte Robin einen entsetzten Schrei und fuhr hoch.
Etwas raschelte in der Dunkelheit, aber Robin konnte nicht erkennen, was es war.
Er stand auf und lauschte. Hoffte, dass es nicht Jens war, der durchs Lager schlich und ihn holen kam.
Wieder ein leiser Schrei und dann Gewimmer.
Es kam von einem der Schlafplätze unweit von Robin.
Er ging darauf zu. Im Mondschein erkannte er rote Nacht, der zusammengekauert auf seiner Decke lag und leise weinte.
Beruhigend legte Robin ihm eine Hand auf die Schulter und rote Nacht schreckte hoch.
»Du bist es.« keuchte er und sah Robin aus weit aufgerissenen Augen an. »Ich hatte einen Albtraum. Einen furchtbaren. Ich solche Träume öfter. Ich bin in der Mine und alles stürzt über meinem Kopf ein und dann höre ich Schreie, die Schreie meiner Mutter, als sie starb. Es ist grauenvoll.« Er sah Robin in die Augen und wirkte unendlich traurig.
Die Arbeit im Stollen blieb an keinem spurlos zurück. Robin erinnerte sich immer noch ganz genau daran und an schlammige Feder, den er gerettet hatte. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.
»Ich bin froh, dass es vorbei ist. Ich hätte nie gedacht, dass ich Gold finden würde und dann so einen großen Klumpen im Stein. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie stolz ich auf mich war und wie neidisch die anderen. Weißt du, dass gebrochener Stein tot ist?« Robin nickte. Er hatte es schließlich mit eigenen Augen gesehen.
»Er war zwar nicht der hellste, aber ein guter Junge.« Das hatten sie auch über fallender Tropfen und graue Rache, aber stimmte das überhaupt?

Der weiße TigerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt