Tag 234

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Sein Atem beschleunigte sich, als er die Gefühle spürte und die Geräusche, die seinen Traum erfüllt hatten.
In blanker Panik starrte er Schwarzmesser an. Auch er begriff.
Im nächsten Moment fielen ein Duzend Schüsse und Todesschreie erfüllten die Luft.
Robin warf sich zu Boden und rote Nacht landete neben ihm im Dreck. Tot.
Panisch kroch er vorwärts und suchte verzweifelt nach Schutz.
Um ihn herum brach das Chaos aus. Die Männer und Jungen rannten schreiend hin und her. Schüsse ertönten von überall her.
Leichen säumten den Boden und die Luft war erfüllt von Rauch und Blut.
Ein Megaphon ertönte.
»Rache! Rache! Dunkle Klinge! Du erlebst Rache!«
Die Stimme klang aufgeregt und leicht wahnsinnig.
»Weißer Tiger!« rief jemand. Robin sah sich verwirrt um. Der Lärm raubte ihm sämtliche Orientierung.
Schwarzmesser packte ihn am Arm und presste ihn gegen einen Baum.
»Du musst fliehen! Verstehst du? Lauf. Lauf so schnell du kannst. Los!« In seinen Augen Panik, Verzweiflung und Sorge und erkennen.
Robin wusste nicht, was er tun sollte, aber seine Beine trieben ihn an und er rannte los.
Weg von dem Chaos und dem Lärm. Weg von den Menschen, die er zugleich liebte und hasste.

Im Wald war es dunkel und es raschelte überall. Ob es Tiere oder Menschen waren, konnte Robin nicht sagen. Er rannte einfach nur, aber die Schüsse wurden nicht leiser und die Schreie kamen näher.
Verwirrt und panisch blieb Robin stehen und sah sich um. Ein Rascheln folgte ihm.
Sofort fühlte er sich in seinen Traum zurück versetzt und wollte fliehen, als das etwas sie auf ihn stürzte und ihn zu Boden warf.
Robin schrie entsetzt.
»Weißer Tiger!« keuchte kaltes Herz. Beide brauchten eine Sekunde, um zu kapieren, wer der andere war.
Robin atmete erleichtert aus. Kaltes Herz seufzte.
»Wir sind noch mittendrin. Wir müssen weg.« sagte er erschöpft und rappelte sich auf.
Die Schreie kamen Robin wieder lauter vor. Er nickte nur und rannte weiter. Kaltes Herz dicht auf den Fersen.
Der Untergrund war tückisch und die Bäume standen dicht.
Nicht geeignet für eine schnelle Flucht im Dunklen. Jede Sekunde fürchtete Robin zu stolpern und sich das Bein zu brechen, wie er es schon oft in Büchern gelesen hatte.
Doch seine Beine trugen ihn ungewöhnlich sicher über die Farne und anderen Gewächse hinweg.
Er hörte kaltes Herz Atem an seiner Seite und fühlte sich gleich viel sicherer.
Doch die Schüsse umgaben sie immer noch von allen Seiten und Schritte fremder Menschen ertönten.
Sie hielten an und lauschten.
Kaltes Herz kauerte sich auf den Boden.
Stimmen ertönten. Sie schrien nicht, sondern unterhielten sich im normalen Tonfall.
Robin bemerkte, dass sie direkt auf sie zu steuerten.
Er stupste kaltes Herz an.
Sie mussten unbedingt weg.
Doch der Junge rührte sich nicht.
Ein Licht tauchte zwischen den Bäumen auf und die Schatten mehrerer Bewaffneter wurden an die Bäume geworfen.
Robin schlich so leise er konnte über den Waldboden und duckte sich hinter einen Baum.
Kaltes Herz hockte immer noch mitten auf der kleinen Lichtung. Mit Handzeichen wollte Robin ihn dazu bringen, sich zu verstecken, aber er rührte sich nicht.
Die Stimmen waren nun klar und deutlich zu verstehen und der Lichtkegel fiel auf kaltes Herz. Robin hielt die Luft an.

»Da ist jemand!« rief einer der Männer. Kaltes Herz hob die Arme. Ein halbes Dutzend Gewehre richtete sich auf ihn. »Nicht schießen.« keuchte kaltes Herz.
Die Männer kamen näher.
»Feind.« diagnostizierte einer. »Ich bin unbewaffnet.« sagte kaltes Herz nun ruhiger und erhob sich langsam.
»Kein Grund dich am Leben zu lassen.« knurrte der erste.
Die Blicke der Männer strichen über die umliegenden Bäume.
»Bist du allein?« fragte ein anderer. »Nein. Da vorne ist noch einer.« sagte kaltes Herz und deutete in Robins Richtung.
Die Hälfte der Gewehre wanderten zu ihm.
Mit klopfendem Herzen und erhobenen Armen kam er hinter dem Baum hervor.
Die Männer betrachteten ihn abschätzig.
»Keine Waffen?«
Robin schüttelte den Kopf.
»Fesselt ihnen die Hände. Wir müssen ja nicht jedes Tier in diesem Wald abschlachten.« sagte der erste.
Robin hielt dem einen bereitwillig die Hände entgegen. Lieber gefangen, als tot. Fürs erste.
Die beiden Jungen wechselten erleichterte Blicke.
Sie wussten zwar nicht ganz, was sie erwartete, aber ihr Schicksal konnte sich genauso gut zum Schlechten, wie zum Guten wenden.

Der weiße TigerWhere stories live. Discover now