Tag 76

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Natürlich war es klar gewesen, dass Robin nicht so glimpflich davonkommen würde, wie es zuerst den Anschein hatte.

Trotz der offenen Sympathie gegenüber ihm, ließ es Schwarzmesser nicht durch, dass Robin ihm auf der Nase tanzte.

Der Junge musste wie fast alle in die Mine. Dort drinnen war es heiß und stickig, eng und mordsgefährlich.

Allein in der ersten Woche starben drei Jungen im Stollen.

Jedes Mal, wenn eine Explosion die Erde erschütterte und Steinchen von der Decke rieselten, blieb Robin das Herz stehen und er wäre am liebsten auf schnellstem Wege aus der Mine gerannt. Aber die schmalen, niedrigen Gänge verhinderten jede übereilte Flucht und vor dem Ausgang standen Wachen, die einen in den geglaubt entgangenen Tod schickten.

Einer der neuen Rekruten war auf diese Weise gestorben. Robin war zu diesem Zeitpunkt außerhalb gewesen und das Schutt zu einem Haufen zusammengekehrt. Da kam der Junge genannt spitze Nadel aus dem Stollen gerannt und atmete erleichtert aus. Im nächsten Moment verblutete er am Boden.

Feuerfänger hatte ihn erschossen. Seid dem Vorfall mit seine Nase war er noch blutrünstiger und aggressiver als zuvor.

Alle hatten Todesangst vor ihm und hielten gebührenden Sicherheitsabstand. Auch vor Robin.

Seid dem Tod seiner Freunde war er unfreundlich und kalt geworden. Er ließ niemanden an sich heran und schottete sich immer mehr ab.

Anfangs hatten tote Maus und graue Rache noch versucht, sich mit ihm anzufreunden, waren dann aber nach einem Vorfall, bei dem kaltes Herz ein blaues Auge bekam, eher abweisend.

Blutige Klinge blieb ihm ebenfalls fern. Sprach ab und zu mit ihm, aber Robin hörte nicht zu. Er war seiner Meinung nach dem Jungen nichts schuldig und wollte eigentlich nur seine Ruhe.

Er schlief so weit abseits von den anderen, wie es nur ging und versuchte zu jeder Tageszeit allen klar zu machen, dass er nichts mit ihnen zu tun haben wollte.

Auch Schwarzmesser bekam das mit und warf ihm, wann immer sie sich sahen, vorwurfsvolle Blicke zu. Robin bekam dabei immer ein schlechtes Gewissen, dachte dann aber immer an seine toten Freunde und wusste, dass es für ihn der einzige Weg war, sich selbst treu zu bleiben.

Nachts starrte er lange in den Sternenhimmel und betete zu dem Stern seiner Eltern. Jedes Mal fragte er sich, ob sie wirklich da oben waren und ihn beobachteten. Ob sie stolz auf ihn waren, dass er nicht aufgab und weiter kämpfte.

Die Zeit in der Goldmine war hart und grausam. Jeden Abend hustete Robin sich die Seele aus dem Leib, um den mörderischen Staub, der den ganzen Stollen erfüllte loszuwerden und er trank so viel Wasser, wie er nur bekam, um nicht völlig auszutrocknen.

Den anderen Jungen ging es aber auch nicht besser. Sie litten wie er und wünschten sich an weit entfernte Orte. Egal wohin. Hauptsache weg aus diesem Albtraum.

Tote Maus heulte sich jede Nacht in den Schlaf und die Jungen begannen ihn versalzte Maus zu nennen.

Robin hätte gerne Mitleid mit ihm gehabt, aber er konnte nicht. Dieser Junge war schwach und dennoch stand er Tag um Tag auf und ging in die Mine und jeden Abend kam er wieder hinaus. Zwar erschöpft und kurz vorm Unfällen, aber lebendig.

Die Jungen, die im Stollen gestorben waren, waren sicherlich eifersüchtig auf ihn. Robin stellte sich nachts ihre Gesichter vor. Wie sie im Himmel auf tote Maus spuckten und Gott verfluchten, warum er dieses Weichei am Leben gelassen hatte.

Andererseits. Wie schlimm konnte es im Himmel schon sein, dass man unbedingt zurück auf die Erde in dieses grausame Leben wollte?

Ein, zwei Mal spielte Robin mit dem Gedanken, einfach mit purer Absicht aus dem Stollen zu rennen und sich erschießen zu lassen. Dann wäre er von all seinem Leid befreit. Doch jedes Mal verwarf er den Gedanken, denn er dachte daran, dass er nicht schwach war.

Der weiße TigerWhere stories live. Discover now