Tag 27

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»Dieser Junge ist ein Kämpfer, ein Soldat!« meinte Frieden und stampfte in Schwarzmessers Zelt auf und ab.

»Ja, aber er hat seinen eigenen Kopf. Er ist ein Rebell, er kämpft nur für seine Sache.« sagte Feuerfänger und zog an seiner Zigarette. Er lag in Schwarzmessers Hängematte und schaukelte vergnügt hin und her.
Draußen war es schon lange dunkel und die Schatten der Nacht zogen ihre Runden. Ab und zu hörte man ihr heulen oder die Schritte der Wachen im Lager.

»Dann müssen wir ihn irgendwie überzeugen, dass er für uns kämpfen soll.« »Wie willst du das anstellen? Diesen Jungen kann man nicht brechen. Wir können ihm keine schaurigen Geschichten erzählen, er versteht uns einfach nicht.«

»Gewalt?« schlug Frieden vor. »Mach. Schlag diesen Jungen bis er nicht mehr auf zwei Beinen stehen kann, aber glaub mir, damit brichst du ihn nicht. Schmerz ist für ihn kein Grund aufzugeben. Er wird immer kämpfen und zwar gegen uns. Er ist ein...«

»Ich finde es sehr lobenswert, wie ihr unseren Tiger vergöttert, aber ihr habt vergessen warum wir das hier machen.« mischte sich Schwarzmesser ein. »Für Ruhm und Reichtum natürlich.« antwortete Frieden sofort.

»Ruhm? Ein falsches Wort dafür. Wir sind Verbrecher, aber das wissen wir. Wir kämpfen für Macht und Geld. Die Goldmine wird wieder unser sein, ehe ihre Quelle versiegt. Also kümmert euch nicht um einen kleinen Jungen, sondern um die ganze Gruppe. Sie werden der Schlüssel sein. Wenn es Schlag auf Schlag kommt, werden sie ihr Leben lassen und uns zum Sieg verhelfen, also macht alle stark und lasst den Tiger außen vor. Er wird schon mitlaufen und er wird abdrücken, wenn der Tag gekommen ist.«

Schwarzmesser, der die ganze Zeit auf die Karte vor sich gestarrt hatte, stand nun auf und warf seinen beiden Vertrauten einen entschlossenen Blick zu.

»Seh ich auch so.« meinte Feuerfänger und schwank sich aus der Hängematte. Die Zigarette zertrat er auf dem Boden und verließ aus Zelt. Nur der letzte Qualm des Stummels blieb zurück. Frieden sah Schwarzmesser skeptisch an.

»So denkst du nicht.« stellte er kühl fest. Mit eisigem Blick drehte Schwarzmesser sich zu seinem ersten Offizier um. In seiner Hand lag ein Messer mit einem Griff aus Elfenbein. Zorn hieß es und keiner, der diese Klinge je gesehen hatte, überlebte.

»Ich verachte deine Einstellung und den mangelhafter Respekt mir gegenüber. Dieser Junge gehört zu uns, ob er es will oder nicht. Und er wird ganz bleiben. Du aber leider nicht.« sagte Schwarzmesser und rammte sie seinem sonst so treuen Freund in die Brust.

Für einen Moment starrte Frieden ihn entsetzt an, dann wurden seine Augen starr und sein Körper klappte zusammen.

Schwarzmesser zog das Messer aus der Leiche und wischte es an den Kleidern ab. Ein zufriedenes Lächeln lag auf seinen Lippen.
Seinem Tiger würde niemand etwas antuen.

~~~

Robin konnte nicht schlafen. Die Wildhunde jaulten furchteinflössend in der Ferne und das leise Schnarchen zwanzig Jungen umgab ihn. Der Himmel war wie immer sternenklar und der Mond leuchtete hell über dem Busch.

Robin suchte nach seinem Stern. In letzter Zeit hatte er ihn immer wieder aus den Augen verloren oder seinen Punkt am Himmel über den Tag vergessen.

Manchmal bildete er sich ein, dass der Stern verschwand, aber das konnte nicht sein.

Ich vergesse. dachte er und fixierte den kleinen Punkt am Himmel.

Aber er wollte nicht vergessen. Er wollte, dass die Erinnerung an seine Familie und an sein altes Leben stets erhalten blieb. Er durfte sie nicht vergessen, dann das würde bedeuten, das er aufgab und er würde niemals aufgeben.

Er stand auf und ging ein paar Schritte. Im Schatten eines Waffenzeltes saßen ein paar Mädchen und flüsterten leise miteinander, als sie Robins Schritte hörten, verstummten sie und drückten sich an die Plane, um nicht gesehen zu werden.

Doch Robin warf ihnen nur einen mitleidigen Blick zu und ging weiter.
Da entdeckte er am Fluss ein paar Männer, die mit einander sprachen und etwas Langes zum Staudamm trugen.

Verwundert folgte Robin ihnen vorsichtig. Als er bis auf zehn Meter herangekommen war, konnte er das Etwas, als einen Menschen identifizieren. Eine Leiche!

Wer war er und warum war er gestorben?

Die Männer warfen ihn über den Staudamm in den Fluss und er wurde mit der starken Strömung davon gespült. Andere Menschen würden ihn finden oder Tiere und die würden ihn fressen.

Plötzlich legte sich eine Hand auf Robins Schulter. Er zuckte erschrocken zusammen und erstarrte, als er den Lauf einer Pistole am Rücken spürte.

»Was schleichst du hier draußen herum? Willst du etwa abhauen?« fragte eine zornige Stimme. Er drehte Robin um und sah ihm prüfend ins Gesicht.

»Weißer Tiger. Dir traut man zu das Weite zu suchen. Du Feigling von einem Feuerkind. Man sollte dich zum sammeln schicken, da könntest du zumindest nichts falsch machen. Ein Versager bist du. Aber das wirst du noch zu spüren bekommen. Jetzt verkriech dich wieder in dein schmutziges Loch und wage es ja nicht, noch einmal hinauszukommen bevor der Morgen graut. Verstanden?« Robin nickte

»Abmarsch.« Er rannte zurück zu seinem Schlafplatz.

»Glaub ja nicht, dass zu ungeschoren davon kommst. Ich werd Schwarzmesser davon erzählen. Diese Sache wird für dich nicht gut ausgehen.« rief die Wache ihm noch nach, doch Robin verstand kaum ein Wort.

Adrenalin rauschte durch seine Adern und als er sich auf seinen Platz fallen ließ, war ihm ein wenig mulmig zu mute. Dieser Mann hatte ihm einen gehörigen Schrecken eingejagt und etwas seltsames war gewesen. Er konnte nicht genau sagen, was, aber er hatte eine ungute Vorahnung.

Sein nun erhöhter Puls half ihm auch nicht beim Einschlafen und so lag er lange wach und zitterte vor Aufregung.

In der Ferne Jaulten die Wildhunde und vereinzelnd war der warnende Ruf eines Vogels zu hören. Ab und zu ging eine Wache an der Plane vorbei.

Sonst war alles still. Zu still für Robin.

Der weiße TigerWhere stories live. Discover now