Tag 168

48 7 0
                                    

Hinter den weiten Hügeln ging in einem sanften Orange die Sonne auf und tauchte die sandige Landschaft in ein geheimnisvolles Licht.
Zwischen den krummen Bäumen im Akazienhain saßen die Jungen und beobachteten die aufsteigende Sonne.
Robin schaute verträumt in das helle Licht und erfreute sich dieses einen friedlichen Moments.
Nicht weit entfernt standen Mörder und Feuerfänger. Sie unterhielten sich über die Route, die sie einschlagen wollten.
Am Ende wartete ein kleines Dorf im Nordwesten auf sie. Dort gab es angeblich allerlei zu holen. Zum größten Teil Getreide, aber auch Dinge von einfachem Wert, wie Töpfe aus Kupfer oder einfacher Schmuck.
Fünf Goldjungen und fünfzehn Feuerjungen.
Warum ausgerechnet Robin dabei sein sollte, war fragwürdig.
Gerade gestern noch hatte Feuerfänger ihn als absolut nutzlos bezeichnet, was Missionen anging, aber Schwarzmesser hatte darauf bestanden. Und nun hockte er neben blutige Klinge im Sand unter den Bäumen und wartete auf den Aufbruch.
Neben Mörder und Feuerfänger waren von den Männern auch noch Goldwolf und zwei andere dabei. Einer davon hatte Robin beim Schlafwandeln erwischt.
»Nun denn. Brechen wir auf. Mit der Dämmerung sollten wir da sein. Ihr erschießt die Leute erst, wenn ihr sicher seid, dass sie für uns nicht nützlich sind.« erklärte Feuerfänger.
Sie marschierten los.
Schon nach kurzer Zeit brannte die Sonne erbarmungslos auf sie nieder.
Robin begann zu schwitzen und das dämliche Gewehr rutschte ihm von der Schulter. Er hievte es wieder zurück und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Untrainiert?« fragte blauer Himmel gehässig. Robin streckte kindisch die Zunge hinaus und beschleunigte seine Schritte. Blutige Klinge ging vorne an bei den Männern. Er redete leise mit seinem Vater.
»Glaub ich kaum.« sagte Goldwolf gerade »Pass aber bitte auf. Ich könnte den Anblick deiner Leiche echt nicht ertragen.» »Krieg dich mal wieder ein. Ich war schon in unzähligen Kämpfen und bisher bin ich noch nicht gestorben.« »Es gibt immer ein erstes Mal und beim Tod ist es leider auch immer das Letzte!« »Jetzt mach dir mal nicht ins Hemd. Ich weiß, was ich tue und außerdem hab ja noch die anderen. Wir sind schließlich ein Team.«
»Bist du dir sicher? Würde weißer Tiger für dich jemanden erschießen.«
Die beiden sahen Robin fragend an. Er wandte den Blick ab.
»Hoffen wir, dass es nie so eine Situation geben wird.« meinte blutige Klinge bissig und beschleunigte seine Schritte.
Goldwolf war einen wütenden Blick auf Robin und folgte ihm.
Das mit einem Leben retten, indem man ein anderes nahm, war eine ziemliche Zwickmühle. Gerade konnte er nicht entscheiden, wen er retten würde.

Die Dämmerung rückte näher und sie marschierten durch einen dichtes Gestrüpp. Plötzlich erklang eine Mädchenstimme aus der Ferne.
Feuerfänger bedeutete ihnen leise zu sein.
Er riss Robin das Gewehr von der Schulter.
»Du gehst voraus.« befahl er.
Seufzend schon Robin sich weiter durch das Gestrüpp. Er achtete darauf sich nicht an den spitzen Zweigen zu verletzen und nicht allzu viel Lärm zu veranstalten.
Da öffnete sich das Gestrüpp und er stand auf einer Lichtung in dessen Mitte sich ein Gebilde aus Lehm befand. Davor hockten zwei Kinder. Ein Junge und ein Mädchen. Beide vielleicht acht oder neun. Sie starrten Robin erschrocken an und umklammerten zwei Wassergefäße.
Er hob Frieden stiftend die Arme und lächelte die beiden freundlich an. Sie trauten seinem Lächeln nicht wirklich, denn sie sprangen auf und wollte davon rennen.
Robin setzte ihnen nach und warf den Jungen zu Boden. Das Mädchen rannte schneller und Robin konnte erst packen, als sie in einen kleinen Spalt zwischen den Sträuchern verschwinden wollte.
»Bitte! Lass mich los!« rief sie verzweifelt und strampelte mit Armen und Beinen.
Robin zerrte sie zurück zu dem Jungen, der sich bei seinem Sturz das Knie aufgeschlagen hatte. Er wimmerte leise und wich panisch vor Robin zurück.
Da ertönte lautes Knacken im Gebüsch und die anderen tauchten auf.
Feuerfänger grinse breit.
»Da haben wir ja schon den ersten Fang.« rief er erfreut »Erschießt das Mädchen.« kaltes Herz trat vor und stieß das Mädchen mit dem Lauf seines Gewehres zu Boden und zielte auf sie.
»Nein! Zuzu!« rief der Junge entsetzt, als auch schon der Schuss ertönte und das Mädchen schlaff ins trockene Gras sank. Der Junge schrie und versuchte sich aus Robins Griff zu befreien, aber er ließ ihn nicht los.
»Wie nennen wir ihn?« fragte Goldwolf. »Heulende Hyäne?« schlug kaltes Herz vor. »Rote Nacht. Das wird ihn immer daran erinnern, was mit seinem Dorf passiert ist.« sagte blutige Klinge. »Gute Idee.« stimmte Feuerfänger zu »Weißer Tiger du fesselst rote Nacht hier und kommst dann nach.«
Robin nickte und nahm den Strick entgegen.
Die anderen marschierten weiter.
»Bitte, lass mich frei. Ich hab doch nichts getan.« flehte rote Nacht.
Robin schüttelte den Kopf und befestigte den Strick extra fest. Der Junge stöhnte schmerzerfüllt auf und starrte zu Boden.
Mitleid überkam Robin. Er riss etwas von dem T-Shirt des Jungen ab und band es um sein Knie, dann rannte er den anderen nach.
Schon nach wenigen Minuten hatte er sie eingeholt.
»Ich hoffe du hast deinen Job gut erledigt.« meinte Mörder. Robin nickte nur und lief zu Feuerfänger, der immer noch seine Waffe hatte.
Er wollte danach greifen, doch der Narbenmann zog sie weg.
»Wirst du damit jemanden erschießen?« fragte er. Betreten sah Robin zu Boden.
»Du bleibst bei den Goldjungen und kümmerst dich später um die neuen Rekruten.«
Verdrossen ließ er sich wieder zurückfallen.
Das Dorf war im Licht der Dämmerung nicht schwer zu finden.
Ein großes Feuer brannte in der Mitte und der schwarze Rauch stieg hoch in den orangenen Himmel auf.
»Der Plan ist folgendermaßen. Wir stürmen den Dorfplatz. Jeder sucht sich einen auf den er zielt. Haltet euch zuerst im Schatten. Sie werden die beiden Kinder sicherlich schon vermissen. Erschießt niemanden, der sich artig ergibt. Wir wollen nur ihre Jungen und Wertsachen. Also los los los.« zischte Feuerfänger und die Feuerjungen schwärmten aus.
Robin blieb und hockte sich mit den Goldjungen hinter einen Erdhügel und wartete.
Rufe und Schüsse ertönten. Frauen schrieen und Kinder fingen zu weinen an.
Die Luft war kurz darauf erfüllt mit dem Geruch von Rauch und Blut. Robin hätte sich am liebsten übergeben.
Dies alles erinnerte ihn stark an die Nacht, als sie die Mine zurückerobert hatten.
Feuerfängers Ruf ertönte und die Goldjungen sprangen aus ihrem Versteck.
Zielstrebig liefen sie auf die Hütten zu.
Die Feuerjungen hatten bereits die Leichen und Gefangenen gefilzt.
Robin ging lässig auf blutige Klinge zu, der mit seiner Waffe vier Jungen zwischen zehn und vielleicht siebzehn in Schach hielt.
Der Boden war mit dem Blut der Toten getränkt.
Frauen und Männer und auch ein paar Kinder, größtenteils Mädchen.
Wortlos fesselte er die Jungen. Der eine starrte ihn finster an, als er dem kleinsten die Hände zusammenband.
Robin kam auf ihn zu.
»Das ist wohl ein Witz.« knurrte dieser. Offensichtlich der Älteste. Robin zog ihn von den Beinen. Der Junge landete unsanft auf dem Rücken.
»Kein Witz.« meinte blutige Klinge.
Der Junge brummte missmutig und starrte Robin weiterhin böse an. Dieser war ihm ebenfalls einen vernichtenden Blick zu.
»Alles soweit bereit?« fragte Mörder. Blutige Klinge nickte.
»Ich hab schon einen Namen für den Großen.«
»So?«
»Starker Hass.«
»Und wieso?«
»Er hasst uns jetzt schon heftig.«
»Was habt ihr Schweine mit Zuzu gemacht?« fragte der Älteste. »Getötet, was sonst.« antwortete blutige Klinge schulterzuckend. »Ihr...« Er fand keine Worte für dieses Verbrechen.
»Wie dem auch sei, wir brechen jetzt auf.« sagte Mörder und warf Robin seine Waffe zu »Die wirst du brauchen, Tiger.«

Auf der Lichtung lag immer noch die Leiche des Mädchens und rote Nacht saß immer noch da, allerdings war er eingeschlafen und schreckte erst hoch, als Robin vor ihm stand.
»Weißer Tiger.« murmelte er verwirrt. Robin war überrascht, dass er sich seinen Namen gemerkt hatte.
Schreie ertönten aus den hinteren und starker Hass riss sich los. Er rannte zu Zuzus Leiche und kniete daneben.
»Nein! Nein! Das kann nicht war sein.« schluchzte er.
»Vielleicht sollten wir ihn lieber hassende Träne nennen.« meinte kaltes Herz trocken. »Klingt gut.« stimmte Feuerfänger überraschenderweise zu.
Blutige Klinge riss ihn von der Leiche fort, doch der Junge war stärker, als er aussah und wehrte sich heftig. Blutige Klinge bekam einen harten Schlag ins Gesicht, der ihn für ein paar Sekunden ausknockte. Als er wieder zu sich kam, fluchte er lautstark.
»Dieser Mistkerl!«
Feuerfänger schüttelte tadelnd den Kopf.
»Erschieß ihn. Das ist sinnlos.« sagte er zu kaltes Herz.
Der Schuss war lauter, als die anderen der Nacht und jagte allen einen gehörigen Schrecken ein.
Hassende Träne sank neben dem Mädchen ins Gras.
»Das sollte euch allen eine Warnung sein. Benehmt euch gefälligst.« rief Feuerfänger und sie liefen weiter.
Robins Herzschlag beruhigte sich erst, als der Busch hinter ihnen lag.

Der weiße TigerWhere stories live. Discover now