Lachnummer

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,,Erzähl mal, wie läufts zuhause so?'', fragte Sander, nachdem wir los gefahren waren. Ich spürte sein ehrliches Interesse, schließlich wusste er genau wie unsere Eltern drauf waren.

,,Alles wie immer!'', kam meine Standartantwort.

,,Wirklich?'', hakte er nach. Mein Bruder wusste, dass meine Eltern in ihn schon immer das ewige große Wunderkind gesehen hatten. Und in mir? Tja, das wusste ich selbst nicht so genau, wenn ich ehrlich war. Jedenfalls bestand zwischen meinen und seinen Fähigkeiten ein großer Unterschied, laut meines Vaters. Das hatte ich mir schon hunderte mal anhören müssen.

Ich spürte, dass Sander noch mehr von mir erwartete, doch ich blieb still. Seit er weg war, fiel es mir etwas schwerer mit ihm über die Familie zu reden. Damit meinte ich nicht den Smalltalk, sondern das richtige Reden. Das, was wir früher jeden Tag zusammen in der Natur getan hatten. Doch seit er nicht mehr jeden Tag mitbekam, was zuhause so los war, konnte ich nicht mehr alles über unsere Familie ausplaudern.

,,Und wie läufts in Kiel?'', fragte ich, um die merkwürdige Stille zu durchbrechen. Wann wir wohl das letzte mal zu zweit unter uns gewesen waren? Wenn Sander uns in Trondheim besucht hatte, war immer ein riesen Wirbel gewesen und jeder wollte so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen. Dementsprechend waren also immer Leute um Sander herum gewesen, wenn ich Zeit mit ihm verbrachte.

,,Super. Im Winter ist Final Four, ich kann's kaum erwarten.'' Achja, das hatte ich ja komplett vergessen. Sander hatte meiner gesamten Familie Karten besorgt.

,,Und Harry und Rune? Wie gehts denen so?'' Das waren die Einzigen, welche ich in Kiel gut kannte. Rune war schon mehrmals bei uns zuhause gewesen und ich hatte mich wahnsinnig gut mit ihm verstanden. Manchmal sogar besser als mit meinem Bruder. Und mit Harry ging Sander, seit sie sich von der Junioren Natio kennen, immer angeln in Trondheim. Ihn kenne ich schon seit ich ca 7 Jahre alt bin und er war wie ein Bruder für mich.

,,Die haben sich beide extrem gefreut, als ich ihnen erzählt habe, dass du nach Deutschland ziehst.''

,,Deutschland.'', seufzte ich und versuchte das langsam auch mal zu realisieren. Der Umstand, dass ich noch immer Norwegisch sprach, obwohl ich ja nun offensichtlich nicht mehr in Norwegen war, verbesserte dies nicht gerade.

Die restliche Fahrt passierte nicht mehr viel. Wir redeten etwas über Flensburg und Kiel, aber meine Gedanken schweiften etwas ab, weil ich etwas gelangweilt davon war. Das meiste wusste ich ohnehin schon von Social Media. Stattdessen interessierten mich ganz andere Sachen, aber solange diese gewisse Distanz über uns schwebte, würde ich wohl keine Antworten bekommen.

,,Bitte bleib im Auto, ich will ungern, dass direkt der ganze Verein weiß, dass du mein Bruder bist.'', sagte ich als wir auf den Parkplatz fuhren. Spätestens, wenn man meinen Namen hörte oder las wusste jeder, dass ich die kleine Schwester von Sander Sagosen war.

Das war in Trondheim anders gewesen. Dort hatte ich, seit ich 4 Jahre alt war, mit meinen Freunden zusammen gespielt. Sie kannten mich als Jonna.

Sander nickte. Ich konnte nicht ganz einschätzen was er dachte, doch er war mit Sicherheit nicht begeistert.

Ich umarmte ihn noch kurz, ehe ich ausstieg und entschlossen mein Gepäck holte. Als Sander jedoch weg war und ich vor dem großen Gebäude stand, fühlte ich mich auf einmal nicht mehr so mutig.

Da ich jedoch nicht weiter rumstehen wollte und am Ende noch alles bereute, ging ich schließlich einfach hinein.

Direkt vor mir erstreckte sich eine kleine Halle mit Sofas und Sesseln. Ich schaute mich nicht weiter um, weil ich viel zu sehr damit beschäftigt war, klarzukommen. Zuerst musste ich die Leitung finden.

Keine Schilder. Keine Menschen. Genauso hatte ich es mir nachts, wenn ich träumte vorstellt. Ich beschloss einfach in einer der Gänge zu gehen. Der Linke sah am ansprechendsten aus. Und so
marschierte ich vollkommen Lost mit meinen Koffern los.

Erleichtert atmete ich auf, als ich zwei Stimmen hörte.

Zwar würde ich mich nun zu 99,9 Prozent blamieren, aber wenigstens bekam ich Hilfe. Denn hier war ich ganz sicher nicht richtig, wie ich feststellen musste, als ich die Küche neben mir erspähte.

,,Ähm hallo, könnt ihr sagen mir wo das Büro ist?'', fragte ich zwei Mädchen in meinem Alter, die vor der Küche standen und sich unterhielten.

Kurz schauten sie mich verwirrt an, doch dann grinsten die beiden.

,,Hier bist du auf jeden Fall falsch.'', lachten sie. Sofort hatte ich das Gefühl, dass sie mich auslachten. Doch ich versuchte nicht zu viel hinein zu interpretieren.

,,Wo muss ich denn hin?'', fragte ich und war stolz keinen Grammatik Fehler gemacht zu haben.

,,Den Gang zurück und dann links. Die ganze Zeit gerade aus und dann links. Dort auf der rechten Seite ist das Büro der Leitung.'' Irgenwie hatte ich kurz gehofft, sie könnten mir es selbst zeigen. Doch die beiden hatten Schürzen um, fiel mir jetzt auf und hatten anscheinend in der Küche zutuen.

,,Wir haben Küchendienst und können deswegen nicht weg.'' Ich versuchte ihnen zu glauben, doch als die Beiden sich verstohlene Blicke zuwarfen, konnte ich ihnen nicht mehr ganz glauben.

,,Ok.'', ich lächelte noch einmal freundlich, ehe ich mich weiter auf die Suche machte. Als ich um die Ecke gebogen war, hörte ich sie laut auflachen. Ich fühlte mich sofort noch unwohler. So hatte ich mir den Start nicht vorgestellt. Doch ich wusste auch, dass auf einem Internat nicht immer alles einfach war und man sich in einer eingeschworenen Truppe erst beweisen musste.

Ich war stolz auf mich, dass ich mir ihre Anweisung gemerkt hatte und mich schließlich in einem anderen Gang befand. Ich klopfte an die Tür und trat schließlich ein, nachdem ich keine Antwort erhalten hatte.

Erschrocken hielt ich die Luft an und wünschte mir in den Erdboden versinken zu dürfen. Bitte lass das nur ein Traum sein und nicht die grausame Wirklichkeit. Ich befand mich in den Hygieneräumen der Jungen!

,,Äh was soll das werden?'', fragte ein Junge belustigt, der locker mit einem Handtuch um der Hüfte vor mir stand. Die anderen Jungs lachen herzhaft und ich war unendlich froh, dass ich mit einem kurzen Blick sehen konnte, dass alle etwas anhatten.

Die deutsche Sprache hatte sich bei der Aufregung längst verabschiedet und meine Schlagfertigkeit erst recht. Mit aufgerissenen Augen schaute ich den Jungen in die Augen, ehe meine Hand sich um die Klinke legte.

,,Kannst du nicht sprechen?'', fragte er weiter. Spätestes in diesem Moment war mein Gehirn soweit zu verstehen, dass jetzt Rückzug angesagt war. Schnell huschte ich aus der Tür heraus und ging mit schnellen Schritten wieder zum Ausgang des Internats. Ich spürte das Blut in meinem Kopf und verfluchte die beiden Mädchen, die sich einen Scherz erlaubt hatten. Ich betete die Jungen nie wieder sehen zu müssen. Und die Mädchen erst recht. Doch darauf konnte ich lange warten.

Tut mir leid, dass solange kein Kapitel kam, aber hatte echt viel zutuen :( hoffe aber, dass es euch gefallen hat!

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