Unangenehm

277 15 9
                                    

,,Ich kenne Tommi!'', schrie Ciljan aufgeregt von hinten und ich verzog mein Gesicht. Einerseits, wegen der Lautstärke und andererseits, weil ich nicht wollte, dass die beiden von unserer.. Sache Wind bekamen.

Schließlich würden die drei spätestens in Köln wieder aufeinander treffen. Und ich kannte meine Brüder sehr gut. Das konnte nur unangenehm werden. Sander würde Tommi die ganze Zeit beäugen und Ciljan würde sich verplappern, weil er nicht verstand, wie schlimm es für mich wäre, wenn Tommi davon Wind bekam. Dafür war das noch zu frisch.

,,Leute! Bitte reißt euch zusammen!'', mahnte ich.

,,Wieso? Ich seh ihn wahrscheinlich eh nie in meinem Leben. Außer ihr heiratet!'' für Ciljan gab es immer nur das eine Extrem oder das Andere. Heiraten oder trennen. Toll oder doof. Sportlich oder unsportlich. Oh man.

,,Ihr seht euch wieder, keine Sorge.'', murmelte ich.

,,Muss ich mir Sorgen machen? Ich hoffe, du bleibst noch einige Jahre unverheiratet.'', sagte Sander amüsiert.

Ich schlug ihm genervt gegen den Oberarm.

,,Hallo, ich fahre Auto!''

,,Dann solltest du mich nicht so nerven!''

,,Also: Wieso sieht Ciljan deinen Prinzen wieder?'' Lange nicht mehr hatte Sander es geschafft, mich so erfolgreich zu provozieren.

,,Er ist in Köln. Genauso wie eine Freundin von mir. Ich habe die zwei eingeladen!'', sagte ich leise und wusste, dass das einschlug wie eine Bombe.

,,Das wird ja aufregend! Dann muss ich ja die Champions League gewinnen, damit ihr, beschwingt von der Feier, euch küsst!''

Ach Sander. Das haben wir doch schon längst, dachte ich. Äußerlich tat ich, als würde er sich da nur was zusammen spinnen.

,,Spiel nicht den Heiratsvermittler, zwischen uns läuft nichts!'', versuchte ich die Situation  so entspannt wie möglich zu entschärfen. Fehlanzeige.

,,Also als ich bei dir zu Besuch war, habt ihr beide sehr vertraut gewirkt. Mal abgesehen davon, dass Tommi kapiert hat, dass Sander unser Bruder ist.''

,,What?'', fragte Sander verwirrt. Ciljan plapperte die ganze Geschichte heraus. Ich spürte, dass Sander sich etwas schlecht fühlte, weil er quasi der Grund für die Story war.

,,Ich hoffe, dass er versteht, dass ich nur ein Mensch bin.'', erwiderte er und fuhr sich durch die Haare.

,,Keine Sorge. Da ist eher Maxi ein größeres Problem!'', sagte ich amüsiert. Inzwischen störte es mich nicht mehr, dass sie den THW Kiel so anhimmelte. Ich glaubte, dass es sogar witzig werden würde, wenn Maxi auf die Spieler treffen würde. Die sonst so taffe und selbstbewusste Person würde um ein paar Zentimeter schrumpfen. So viel stand fest.

,,Wer ist das denn jetzt schon wieder?''

In diesem Moment merkte ich, wie wenig Sander und ich wirklich miteinander geredet hatten. Wie wenig vorallem ICH aus meinem Leben erzählt hatte.

,,Die Freundin, welche auch nach Köln kommt. Sie ist riesengroßer THW Fan. Kannst dich ja schon mal mental drauf vorbereiten.''

,,Ach was! Sie wird schnell merken, dass ich ein super toller bodenständiger  Typ bin.

Jaja Sander.

Ich richtete mich in Ruhe in meinem kleinen Zimmer ein. Die Hütte war aus Holz und schon etwas älter. Wenn man auf dem Holzboden ging, hörte das ganze Haus es. Doch genau das liebte ich. Viele Erinnerungen steckten hier drin.

Der See, dort hatte ich schwimmen gelernt. Das erste mal war ich dort betrunken gewesen. Hatte lange Sommertage mit Freunden dort verbracht.

Und erneut realisierte ich, dass sich alles in meinem Leben verändert hatte.

,,Kommst du?'', fragte Sander mich motiviert. Ich betrachtete sein Angler Outfit von oben bis unten. Sah immer wieder amüsant aus.

,,Ich bin aber nicht lange dabei.''

,,Wieso das?'', fragte er verwirrt.

,,Habe noch was zu erledigen.'', sagte ich vage. FaceTimen mit Tommi nämlich. Aber das musste ich ihn nicht auch noch auf die Nase reiben.

,,Was hast du denn hier in der Einöde vor?'', fragte er verwirrt und neugierig zugleich.

,,Das geht dich nichts an, Sander.'', sagte ich reserviert und verließ mein Zimmer.

Sander folgte mir und ich spürte, dass ihm mehrere Fragen auf der Zunge lagen. Wahrscheinlich hatte er schon längst verstanden und begriff, dass er mich nun besser in Ruhe lassen sollte.

Angeln war.. Sanders Leidenschaft. Ciljan war so halb in dieser Materie drin. Und ich gar nicht.

Aber naja, was soll's. Was tat man nicht alles für die Geschwister.

Unauffällig holte ich mein Handy heraus.

Eigentlich galt Handyverbot beim Angeln. Das zerstört die Stimmung, wie Sander behauptete.

Ich langweilte mich jedoch zu Tode und ging deswegen auf Tommis Chat, der mir noch eine Nachricht geschrieben hatte.

War gerade mit meinen Eltern essen und war umgeben von toten Hummern.. musste an dich denke. :)

Ich wusste, dass er das ironisch sagte. Er tat mir leid, denn ich wusste, dass er nicht in die Welt seiner Eltern passte und es auch nicht wollte. Er war zu eigensinnig, locker, offen. Anders als die reichen Geschäftsmänner.

Danke für dein Kompliment :) Denk einfach an was Schönes, während du da sitzt! KÖLN zum Beispiel!

Oder an dich

Mein Herz setzte kurz aus. Wie konnte eine Nachricht solch eine Wirkung auf einen haben?

,,Hallo? Handy aus!'', sagte Sander ungewohnt leise. Bis mir einfiel, dass er das nur zum Wohl der Fische tat. Bloß nicht die Fischchen vertreiben!

,,Du klingst wie Papa.'', zischte ich.

,,Ich weiß, dass du verliebt bist, aber wir sind jetzt am Angeln!''

Ahhhh! Ich könnte Sander manchmal ehrlich einfach.. schlagen! Das tat ich auch, doch schien ihn das nicht zu interessieren.

,,Ich geh mal rein, mir ist kalt.'', kündigte ich an. Eigentlich war mir nicht kalt, doch ich hatte einfach keine Lust mehr und Tommi würde mich in 30 Minuten anrufen.

,,Wie lange seid ihr noch hier?'', fragte ich, um zu planen, in welchen Raum ich ungestört sein konnte.

,,Lange!'', antworte Sander.

Ich nickte.

Ich entschied, mich in das Wohnzimmer zu setzen mit Blick auf dem See. Hier konnte ich problemlos Sander und Ciljan beobachten. Sollte einer von den beiden auf die Idee kommen, wieder reinzugehen, würde ich in mein Zimmer flüchten.

Vielleicht übertrieb ich etwas, doch die Situation würde spätestens in Köln komisch werden. Tommi war Fan von Sander. Sander wusste, dass ich Gefühle für Tommi hatte. Ciljan war höchst direkt. Tommi mochte Ciljan.

Man musste kein Genie sein, um zu sehen, dass das nicht gut enden würde. Und dies wollte ich so lange wie möglich hinaus zögern.

Ich war aufgeregt, als Tommis Anruf mir angezeigt wurde. Wir hatten uns eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen.

Außerdem herrschte eine Spannung zwischen uns, die man kaum ignorieren konnte. Dabei waren wir weder zusammen, noch hatten wir über den Kuss geredet. Ich versuchte die Gedanken in meinen Kopf in die hinterste Ecke zu verdrängen und nahm den Anruf gespannt an.

Neues Kapitel :)

Under pressure. Everywhere. Where stories live. Discover now