Stimmungswandel

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Ella sprach mich nicht auf den Vorfall an. Doch die Stimmung in unserem Zimmer war so unangenehm, dass ich letztlich in die Bibliothek flüchtete.

Ich unterdrückte die Tränen, die unbedingt aus meinem Körper entweichen wollten.

Tausend Fragen kreisten um den Vorfall. Hatten die Trainer wirklich nichts gesehen? Und dachte jeder einzelne in der Mannschaft, dass ich die böse in diesem Spiel von Cassandra war?

Ich legte meine Hände auf mein Gesicht, wenn ich daran dachte, dass morgen früh vor der Schule direkt wieder Training war.

,,Ey Bücherwurm!'', hörte ich den Umkleide- Jungen plötzlich rufen. Ich wischte eilig meine Tränen weg, weil es ansonsten richtig unangenehm werden würde.

Ich hoffte, dass man mir nicht ansah, wie es mir erging, doch als ich in sein Gesicht sah, spürte ich sofort, dass er etwas gemerkt haben musste.

Doch er ließ sich nicht beirren und nahm im Sessel Platz, wo er auch letztes Mal schon saß.

,,Was willst du?'', fragte ich. Mir war inzwischen völlig egal, dass ich in der falschen Umkleide gelandet war. Inzwischen zählte wichtigeres.

,,Hab dich lange nicht mehr gesehen.'', zuckte er mit den Schultern.

Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute ich ihn an.

,,Was machst du hier?'', fragte ich weiter, weil ich einfach nur meine Ruhe wollte und mich wirklich unwohl fühlte. Ich wusste nicht, was er wusste und das machte es wirklich komisch.

,,Wollt mit dir etwas quatschen.''

,,Katsch.. was?'' Was war das denn schon wieder für ein komisches Wort.

,,Quatschen ist sowas wie reden. Dein Deutsch ist aber besser geworden, soweit ich das beurteilen kann.'' Er lehnte sich entspannt zurück und legte seine Füße über die Lehne. Er musterte mich auf eine Art und Weise, die mir eine unerklärliche Gänsehaut bereitete.

Unruhig rutschte ich hin und her, weil er eine plötzliche Ernsthaftigkeit an den Tag legte.

,,Bist du ok? Ich hab Cassi eben reden gehört.''

Mein Kopf fuhr zu ihm hoch und ich konnte meine Gefühle nicht unterdrücken. Dafür waren die Ereignisse noch zu präsent.

,,Was meinte sie?''

,,Naja, sie hat erzählt was passiert ist.. aus ihrer Sicht.'', hing er eilig dran. Ein warmes Bauchgefühl durchfuhr meinen Körper und zum ersten Mal schätzte ich den Jungen vor mir etwas anders ein.

,,Ich will nicht darüber reden.'', beschloss ich ehrlich zu sein.

,,Willst du es nicht richtig stellen? Cassi hat dich nicht gerade.. sympathisch dargestellt.'' Gutmütig und auffordernd schaute er mich an. Das war nicht mehr der Umkleide- Junge. Es war.. Tommi.

,,Ich weiß nicht.. ist sie nicht deine.. Freundin?'', fragte ich zögerlich. Ich hatte Cassi öfter ziemlich nah bei ihm stehen sehen.

,,Ne ne.. wir waren mal zusammen und jetzt.. keine Ahnung.'' Bei uns in Norwegen hieß das Freundschaft Plus mein Lieber.

Direkt hatte er seine Sympathie- Punkte wieder verspielt.

Ich spürte, dass es ihm tatsächlich etwas unangenehm war, was ein gutes und triumphierendes Gefühl in mir auslöste.

,,Sie nervt mich ehrlich gesagt momentan ziemlich.''

,,Beim Lauftraining waren Ella, Cassandra und ich ganz vorne. Ähm.. what does ‚trip someone up' means in German?'', fragte ich nach.

,,Ein Bein stellen.''

,,Ah ok. Sie stellen ein Bein und ich fall auf den Boden. Nichts passiert, aber ich was angry, you know? I confronted Cassandra, but the whole Team turned against me.''

,,Es tut mit ehrlich leid.'' Seine braunen Augen hatten den frechen und kühlen Schimmer verloren und ich sah stattdessen Mitleid und Verständnis in ihnen aufblitzen. Ich konnte nicht glauben, dass das der Umkleide- Junge vor mir war. Ich kannte ihn nicht gut, aber ich hatte ihn vollkommen falsch eingeschätzt.

Das hier war nicht gespielt. Wer hätte gedacht, dass Tommi die Person sein würde, der ich alles erzählte?

,,Cassandra ist einfach selbstsüchtig.'' Er spuckte ihren Namen regelrecht aus. Noch immer konnte ich nicht glauben, dass er so einen Hass auf die hatte. Ich hatte das Gefühl, dass da mehr hinter steckte.

,,Weiss Cassandra, dass du sie nicht mögen tuest?''

,,Weiß nicht so genau. Sie checkt das nicht.'' Er zuckte mit den Schultern.

,,Sie hat mich verarscht und dann verlaufen ich mich in die Jungs Umkleide. Und Lissi'', sprach ich tatsächlich von selbst den peinlichen Vorfall erneut an.

,,Warte, was? Cassi und Lissi?'' Mit tausend Fragezeichen in den Augen schaute er mich an.

,,Ich muss auf Englisch..'', begann ich und er nickte wild. Er schien wirklich ganz genau wissen zu wollen, was Sache war. Es tat gut mit jemanden über alles reden zu können. Anscheinend hatte Cassandra ihm die Wahrheit nicht erzählt.

,,On my first day, I didn't know where to go. I got lost in the kitchen and saw Cassandra and Lissi there. I asked them where Willy's office was. They described the way and I followed their instructions. Then I ended up at... the wrong.'' Ich seufzte auf und spürte direkt wieder, wie mir das Blut in mein Gesicht rauschte.

Es war so frustrierend, dass man bestimmte Ereignisse nicht zurück schrauben konnte.

,,Das muss dir nicht peinlich sein!'' Mein Kopf fuhr hoch bei seiner Stimmlage. Sein altbekanntes Grinsen schaute mir entgegen.

,,Das ist nicht witzig!'', sagte ich mit einem wütenden Unterton in meiner Stimme und meinte es auch so.

Was sollte dieser plötzliche Stimmungswandel? Ich erzählte ihm alles und er reagierte auf seine typische Art.

,,Vergiss es!'', zischte ich und stand auf, um anschließend einen verdatterten Jungen zurückzulassen.

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Am Abend fand ich nicht in den Schlaf. Mein Gehirn spornte sich Horrorszenarien über das morgige Training zusammen und jedes Mal verflog meine Müdigkeit, wenn ich daran dachte.

Ich hörte Ellas lautes Atmen und wusste, dass sie bereits im Land der Träume angelangt war. Die Glückliche.

In dieser Nacht hinterfragte ich wieder einmal meine getroffenen Entscheidungen der letzten Monate.

Das einzige was mir blieb, war mein Ehrgeiz, dass ich es noch allen zeigen würde.

Meinen Eltern. Sander. Und der Mannschaft.

Sorry das so selten was kommt, aber habe echt viel Stress momentan :(

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