Aufgeflogen?

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Das Training war genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte. Und nochmal doppelt so schlimm.

Das lag daran, dass ich die ganze Zeit diese Blicke aushalten musste. Die Abneigung, gemischt mit Unverständnis und Spott.

Es war demütigend. Ich versuchte wirklich die Sache nicht zu nah an mich ran zu lassen. Doch das war wirklich schwer. Wenigstens zeigte ich keine allzu schlechte Leistung. Es war wirklich bizzar: ich fügte mich handballerisch immer besser in die Mannschaft ein, aber entfernte mich gleichzeitig auch immer mehr von meinen Mitspielern.

Die Spielerinnen rissen sich zusammen und spielten weder gegen, noch für mich. Das war natürlich auch klug, denn sie alle wollten spielen und ihre Leistung zeigen. Und das klappte nur, wenn sie mich nicht aus dem Spiel ausschlossen.

Das änderte aber nichts daran, dass ich in der Umkleide kein einziges Mal angesprochen wurde und nur den Gesprächen der anderen lauschte.

Frustriert verließ ich als erste die Kabine. Hinter der Tür blieben meine Beine abrupt stehen. Mein Verstand sagte mir, dass ich auf der Stelle weiter gehen musste, doch meine Füße waren wie festgeklebt.

,,Boah macht sie mich aggressiv!'', hörte ich Cassi sagen. Das überraschte mich nicht weiter. Was wirklich weh tat war, dass keiner sich gegen sie stellte und ihr widersprach.

,,Merkwürdig ist sie definitiv. Redet kein Wort und beschuldigt dich dann einfach so.'', hörte ich Rike sagen.

,,Leute, lasst das mal mit dem Gerede.'', hallte Ellas Stimme durch die Kabine.

Ich wandte mich eilig ab, damit ich nicht noch alles schlimmer machte.

Ich entschied mich, Maxi aufzusuchen. Vielleicht konnte sie mich etwas ablenken.

Ich fand sie im Gemeinschaftsraum am Handy.

,,Na du.'', begrüßte sie mich konzentrierter aufs Handy schauend.

,,Hey, was machst du da?'', fragte ich neugierig und lugte auf ihr Handy.

,,THW spielt gerade.'', sagte sie aufgeregt. Aufgeregt war ich daraufhin auch, aber aus einem gänzlich anderen Grund..

,,Achso, das nicht interessiert mich.'', sagte ich mit einem schlechten Gewissen. Bald musste ich es ihr sagen, das war mir bewusst, aber ich sträubte mich davor.

,,Wieso nicht? Sie spielen klasse Handball. Bist du von keiner Mannschaft Fan?'', fragte sie verständnislos und schaute zum ersten Mal zu mir auf.

,,Naja, ich tue finden viele Teams spielen good Handball. Barcelona, Flensburg..'', zählte ich einige Mannschaften auf.

Maxi machte ein kotzgeräusch und widmete sich wieder ihrem Handy.

,,Wieso du nicht schaust auf Fernseher?'', fragte ich verwirrt.

,,Der ist blockiert. Oberste Regel: Flensburg wird gezeigt.'' Maxi verdrehte die Augen. Ich stand auf, um auf die andere Seite blicken zu können, wo viele vorm Fernseher saßen. Flensburg spielte gerade gegen Minden und führte mit 8 Toren.

Ich erkannte einige aus meiner Mannschaft wieder und auch Tommi saß vorm Fernseher.

,,Du also bist einsamer THW Fan? Wieviel steht es denn?''

Maxi antwortete nicht und legte ihr Handy stattdessen so zurecht, dass ich mitschauen konnte.

Es stand 19:17 für den THW gegen Lemgo. Ohje, keine Glanzleistung.

,,Sie sind mega schlecht. Der einzige, der seine Leistung bringt ist Sagosen.''

Unruhig rutschte ich hin und her.

Ich überlege kurz, ob ich es hier und jetzt ganz spontan raushaute, doch mein Mund schaffte es einfach keine vernünftigen Sätze zusammen zu bringen.

Wir schauten das Spiel weiterhin, doch meine Anspannung und das beklemmende Gefühl verschwanden nicht.

,,Ich dreh gleich am Rad!'', rief Maxi verärgert und riss mich aus meiner Gedankenwelt. Keine Ahnung was das bedeutete, aber ihre Mimik reichte, um zu verstehen, dass es ihr nicht super ging.

,,Läuft wohl nicht so bei euch!'', kam Tommi plötzlich von hinten an und setzte sich prompt und selbstbewusst wie er war neben uns. Ich dachte zurück an unsere letzte Begegnung und seine vollkommen andere Seite, die er mir offenbart hatte.

Ich war mir sicher, dass ich diese Seite nie wieder erlebte und aus irgendeinem unerklärlichen Grund war das ein betrübender Gedanke.

,,Ach halt die Klappe Tommi.'', seufzte Maxi angespannt. Sie war ja wirklich THW Fan durch und durch, wie ich feststellen musste. Oh man.

,,Also Flensburg hat mit 10 Toren gewonnen.'', provozierte er Maxi weiter.

,,Komm, lass sie!'', kam es unerwartet aus meinem Mund. Ich wollte mich eigentlich nicht in solche unangenehme Situationen begeben auf so dünnem Eis.

,,Bist du THW Fan?''

,,Sie ist von niemanden Fan!'' Es war nicht schwer zu erkennen, dass Maxi großes Unverständnis hegte.

,,Jeder muss doch Vorbilder haben.'', fand auch Tommi.

Oh mein Gott konnte mich bitte jemand retten?

,,Ja und meins ist defitiniv Sagosen!'' Oh nein. Nein. Nein. Nein.

,,Ich muss mal kurz auf Klo!'', presste ich hervor und schlich mich davon. Maxi war so vertieft in ihrer Welt, dass sie gar nichts mitbekam.

Leider war wohl Tommi weniger interessiert in Sander und co.

Jedenfalls nahm ich seinen nachdenklichen und verwirrten Blick hinter mir war, als ich eilig den Raum verließ. Ich betete, dass ich nicht aufgeflogen war.

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Nachts konnte ich mal wieder nicht schlafen. Deswegen fand ich mich kurze Zeit später im Kraftraum wieder.

Meine Muskeln brannten und ich war vollkommen erschöpft, doch ich wollte nicht aufhören.

Mein Fitnessprogramm zeigte Wirkung. Ich konnte mich immer besser einfügen und durchsetzen.

Es war also noch möglich, dass ich zu Saisonbeginn im sehr wichtigen Spiel gegen Leipzig direkt eine wichtige Rolle übernahm.

Nach Mitternacht war ich dann endlich völlig ausgepowert eingeschlafen.

Am nächsten Morgen war ich ziemlich gerädert in der Schule. Ich schlurfte in die Klasse und setzte mich auf meinen Platz.

Der Tag wurde nicht besser, als ich plötzlich damit überrascht wurde, dass wir in Mathe einen Test schrieben. Ich hatte ihn vollkommen in den Sand gesetzt. Wenigstens in Englisch konnte ich gute Leistungen zeigen.

Tommi hatte an diesem Tag mal wieder entschieden, dass das Wochenende für ihn einen Tag früher begann.

Dieses Privileg, einfach mal zu Schwänzen, hätte ich auch gerne. Blöderweise werden dann jedoch direkt die Eltern benachrichtigt. Und wenn meine Eltern erfahren würden, dass ich Schule schwänze.. sie würden mich umbringen.

Deswegen ließ ich die Stunden an mir vorbeiziehen und blieb artig anwesend.

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