Geschwister

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Es fiel mir schwer zu glauben, dass Sander allem Anschein nach die Annäherung zu mir suchte.

,,Was willst du?'', fragte ich stirnrunzelnd und drosselte mein Tempo. Sander ging nun neben mir her und schaute mich von der Seite an. Ich konnte seinen Blick nur schwer deuten: Reue? Skepsis? Was war es?

,,Hat es dir die Sprache verschlagen?'', fragte ich säuerlich, weil er nichts sagte. Währenddessen versuchte ich mit aller Kraft die Hitze in meinem Körper zu ignorieren.

,,Ich will nur, dass du aufhörst, dich da kaputt zu machen. Und bitte denk nicht, dass du an allem Schuld bist.'', sagte er und stoppte sein Gehen.

Ich wollte lieber weitergehen. Bloß nicht stehen bleiben. Ich hasste ernste Gespräche mit viel Augenkontakt. Die Augen waren das Tor zur Seele, wie man so schön sagte. Und Sander und ich konnten immer sehr viel voneinander lesen.

Trotzdem stoppte ich ebenso und schaute Sander zum Ersten mal richtig an. Er wirkte erschöpft und bedauernd.

Wir betrachten uns einen Augenblick stumm, beide abschätzend, wie der Verlauf des Gesprächs werden könnte. Wieso war es zwischen uns so kompliziert geworden? Hatten wir uns nur deswegen entfremdend, weil wir uns nur noch so selten sahen?

Was genau war der Ursprung für unsere vielen Differenzen? Wir dachten beide unglaublich viel, doch reden taten wir nur wenig. Und unsere Gedanken teilten wir einander erst recht nicht. Ich wusste fast gar nichts über Sander mehr. Wie erging es ihm in Kiel? Fühlte er sich wohl?

,,Ich hätte nicht so ausrasten dürfen. Wir sind nicht gleich- das vergesse ich manchmal.''

Du vergisst das immer, dachte ich frustriert.

,,Du und ich werden immer verglichen. Mach dir nichts draus. Mama und Papa werden damit nie aufhören.'' Man musste kein Genie sein, um an meiner Stimme zu hören, wie verletzt ich davon war, dass Sander bei dem Spiel unserer Eltern mitmachte. Er wusste genau, wie es war, wenn die Eltern alles von einem abverlangten. Er hatte es als Kind selbst erlebt. Er kam damit besser klar, dass war mir klar, doch er musste doch merken, dass ich damit weniger klarkam.

,,Ich weiß.'', seufzte Sander leise und legte seine Hand auf meine Schulter.

,,Egal, ganz ehrlich, mir ist es egal!'' Ich kickte frustriert einen Stein vor mir weg, der laut platschend im See landete.

Sander erwiderte nichts, was mich umso wütender machte.

,,Können wir bitte wieder normal miteinander reden?''

Was war schon normal?

,,Ja.'', sagte ich, doch wusste ganz genau, dass wir weiterhin nicht offen und ehrlich miteinander sprechen würden.

,,Wenn wir schon dabei sind: wie lange geht's dir schon so?'' Sander schaute mich genauestens an, während ich den Blick abwand.

,,Noch nicht so lange.'', sagte ich vage.

Er schaute mich erwartungsvoll an.

,,drei, vier..''

,, Drei, vier.. was? Äpfel? Birnen? Tage?''

Wochen.

Ich seufzte. Blöderweise trug mein Hustenanfall nicht sonderlich dazu bei, dass Sander das Thema auf sich beruhen ließ.

,,Ich mache mir ehrlich Sorgen.'', ließ Sander mich mal an seiner Gefühlswelt teilhaben .

Als er seine Hand auf meine Stirn legte, dachte ich kurz an Tommi, der die gleiche Geste ausgeführt hatte. Nur das ließ mich innehalten und nicht seine Hand weg schütteln.

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