zu welchem Preis

334 14 8
                                    

Überrumpelt.
Das traf es wohl am besten, als ich plötzlich die gesamte erste Halbzeit durchspielte. Durchspielen musste.

Wollen wir mal nicht größenwahnsinnig werden. Ella war verletzt- deswegen spielte ich.

Wenigstens blieb eine Blockade heute aus. Das könnte aber auch daran liegen, dass wir die klar- bessere Mannschaft waren und schon nach 10 Minuten mit 8 Toren führten.

Ich versuchte mich zu lösen und einfach nur Handball zu spielen. Das klappte mal mehr- mal weniger.

Zur Halbzeit führten wir mit 10 Toren. Ich fühlte mich körperlich auf jeden Fall bereit, noch eine Halbzeit durchzuspielen.

Wenigstens etwas hatte sich verbessert seit ich hier war.

,,Auch, wenn wir mit 10 Toren führen, macht ihr zu viele Fehler, wenn es ums Entscheiden geht. Jonna: du musst mit dem Kopf hier sein!'' Thomas schaute mich eindringlich an und tippte mit seinem Finger gegen den Kopf. Ich sah, wie Einige nach unten schauten und grinsten.

Mal wieder fühlte ich mich so alleine und bloß gestellt. Obwohl ich schwitzte wurde mir eklig kalt.

Ich wollte einfach nur dazugehören. Niemanden etwas Böses. Doch manche in der Mannschaft schienen wohl etwas dagegen zu haben.

Nach der Halbzeit wollte ich rausgehen, als ich eine Hand an meiner Schulter spürte. Verwirrt drehte ich mich um und schaute in Cassis Gesicht. Gemischte Gefühle kamen in mir hoch. Hatte ich anfänglich noch versucht, mich gegen sie zu behaupten, war ich nun in eine passive Rolle gerückt.

,,Mach dir keine Hoffnung.'', sagte sie nur, was viel Interpretationsspielraum übrig ließ. Zu viel Hoffnung auf was? Spielanteile? Freunde in der Mannschaft?
Cassi war genauso schnell wieder weg, wie sie gekommen war und stolzierte an mir vorbei.

Mir wurde plötzlich übel. Ich hechtete auf die Toilette.

Die zweite Hälfte war.. furchtbar.

Cassi stand nun wieder auf dem Feld und jedes Mal, wenn ich sie sah, dachte ich an ihre Anmerkung.

Ich versuchte den ganzen scheiß auszublenden.
Meine Familie, die erwartete, dass ich hier so richtig durchstartete.
Tommi, der wollte, dass ich eine Schritt zurück trat.
Cassi, die mit Sicherheit wollte, dass ich das Team verließ.

Und dann war da noch Maxi. Meine einzige wahre Freundin.

Ich hatte keine Lust mehr mich ständig anderen anpassen zu müssen. Doch so war die Welt nun mal. Passte man sich nicht an und wurde den Erwartungen nicht gerecht, scheiterte man.

,,Maxi, können wir bitte reden.''

Flehend versuchte ich Ihre Aufmerksamkeit zu bekommen, damit ich mich irgendwie erklären konnte.

Doch sie schritt zügig voran in ihren Klassenraum, ohne mir Beachtung zu schenken.

,,Was ist denn Maxi über die Leber gelaufen?''

Ich drehte mich nach rechts zu Tommi. Etwas weiter entfern sah ich seine Freundesgruppe mit Flo, Cassi, Lissi und Co.

,,Ach nichts.'', murmelte ich und ging zügig zur Klasse.

Was fand Tommi bloß an ihnen?

-

Sander nervte mich tierisch in den nächsten Tagen.

Noch schlimmer war jedoch, dass meine Eltern sich seit dem ersten Spiel nicht mehr bei mir gemeldet hatten.

Ich war mir sicher, dass sie enttäuscht waren.

Ich schaute seufzend auf mein Handy.

Kannst du mir mal antworten?

??

Jonna, sei nicht albern!

Waren die letzten Nachrichten. Seit der Nachricht die Maxi gelesen hatte, hatte ich meinen Bruder nicht mehr geantwortet. Könnte daran liegen, dass ich ihm irgendwie die Mitschuld für die Scheiße gab.

Du bist online, ich bin nicht dumm!

Sander hatte wohl überhaupt keine Hobbies mehr.

Beinahe hätte ich mein Handy fallen lassen, als mir plötzlich ein Video call mit Sanders Nummer angezeigt wurde. Er ging ja direkt aufs Ganze!

,,Sander, ich hab gleich Training!'', begrüßte ich ihn direkt mit einer Lüge. Das ersparte beiden Seiten komplizierte Gespräche.

,,Ich habe mir überlegt, mal in den nächsten Tagen vorbei zu kommen.''

,,Das musst du nicht.''

,,Darf ein Bruder nicht mal mehr seine Schwester besuchen?''
Nicht unter diesen Vorwand, Sander.

,,Also: wann passts dir am besten?'', fragte er ohne auf eine Antwort zu warten.

,,Sonntag, da haben wir frei.'' Das war in drei Tagen. Diese Woche hatten wir Spielfrei, keine Ahnung wieso. War mir aber ganz recht.

Am nächsten Tag stellte sich heraus, dass Ella einen Kreuzbandriss erlitten hatte. Sie würde die gesamte Saison ausfallen.

Die Nachricht hatten wir nach dem letzten Training für diese Woche erhalten. Der Schock meiner Mitspielerinnen spiegelte genau meine Emotionen wieder. Ich fragte mich, wie wir das stemmen sollten- ohne unsere Kapitänin und wichtigste Spielerin.

Ich hatte Ella seit dem Unfall nicht mehr gesehen. Sie lag im Krankenhaus ganz in der Nähe, doch ich brachte es nicht über mich, sie zu besuchen.

Mein Zimmer war plötzlich zu einer einsamen Ruhestätte geworden. Ich vermisste Ella. Sie hatte mit keine schrägen Blicke zugeworfen und wir kamen gut miteinander aus.

Ich hörte es auf einmal an der Tür klopfen.

,,Ja?'' ich hörte selber wie genervt ich klang, doch ich hatte auch keine Lust das zu unterdrücken. Im Gegenteil- Ich wollte es so richtig rauslassen.

,,Ich verstehe- du bist genervt! Aber können wir bitte darüber reden, wieso Maxi so komisch drauf ist?'' Tommi schaute mich vorwurfsvoll an.

,,Sie weiß es.''

,,Sie weiß WAS?'', rief Tommi ungeduldig und ließ sich auf Ellas Bett fallen. Direkt spürte ich wieder dieses Stechen, wenn ich an sie dachte.

,,Sie weiß, wer mein Bruder ist.'', seufzte ich.

Tommi atmete laut aus und ließ sich auf das Bett zurückfallen.

,,Glaubst du, sie wird mir verzeihen?'', fragte ich zögerlich.

,,Ich denke schon. Ich hab Maxi lange nicht mehr so befreit gesehen wie in deiner Gegenwart.'' Ich rang mir ein kleines Lächeln ab.

,,Was soll ich denn jetzt machen? Einfach abwarten?'' Zweifelnd stand ich auf und ging unruhig umher. Ich brauchte Maxi an meiner Seite. Ich konnte sie nicht verlieren.

,,Sie wird sich bestimmt beruhigen.''

,,Bestimmt?'' Meine Stimme hob sich energisch, weil ich es hasste hilflos zu sein. Ich wollte mit Maxi reden.

,,Lass ihr Zeit.'' Tommi schien wohl keine wirkliche Hilfe zu sein.

,,Mein Bruder will Sonntag vorbei kommen.'', erzählte ich.

,,Begeisterung sieht anders aus.'', stellte Tommi fest und ich war froh, dass er auf meinen Themenwechsel einging.

,,Er nervt mich einfach. Wir streiten in letzter Zeit oft.'', erzählte ich.

,,Kann ich mir bei deinem Stresspegel gar nicht vorstellen.''

,,Kann gut sein, aber dafür bin ich bei einer der besten Handballinternate Deutschlands.''

,,Aber zu welchem Preis?''

Hier blieb meine Schlagfertigkeit leider aus.

Hallöchen :) 🇮🇹 oder 🏴󠁧󠁢󠁥󠁮󠁧󠁿?

Under pressure. Everywhere. Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang