Anspruch und Wirklichkeit

340 18 10
                                    

Ich war etwas enttäuscht, dass ich nicht beginnen durfte. So ehrlich musste ich sein. Doch was machte ich mir auch vor? Meine Konkurrentin war keine geringere als Ella, alias unsere Kapitänin!

Ich nahm also auf der Bank Platz und schaute angespannt auf das Spielfeld.

Die Leipziger Mädchen strotzten nur so vor Selbstvertrauen, wie ich schnell feststellte. Sie alle waren wahnsinnig durchtrainiert, doch das waren wir auch. Ich glaubte an uns und unsere Fähigkeiten.

Wir begannen im Angriff. Wir hatten zig Analysen gemacht und ich behauptete, dass wir auf die Abwehr des Gegners eingestellt waren und sie bezwingen konnten. Mit klugen Spielzügen war es definitiv möglich, die beste Abwehr der Liga zu knacken.

Doch leider wurde ich eines Besseren belehrt. Wir spielten einen langen Angriff, doch es gab kein Durchkommen.

Ich rutschte auf der Bank hin und her und hasste es, dass ich gerade nicht eingreifen konnte.

Ella sprang hoch und warf den Ball aus dem Rückraum auf das Tor. Doch die Torhüterin hielt den Ball ohne Anstrengung. Verdammt!

Unser Team lief zurück in die Abwehr. Wir, auf der Bank, versuchten unser bestes das Team anzufeuern.

Zum Glück war die Halle gut besucht und schaffte es auch eine spannende Atmosphäre zu schaffen.

Ich ließ mich wieder etwas entspannter nieder, als ich sah, dass auch unsere Abwehr wahnsinnig kompakt stand. Nur unser Angriff war das Problem.

Dieses Phänomen zog sich die gesamten 20 Minuten über. Abwehr hervorragend. Im Angriff kein Durchkommen.

Ich hielt es vor Spannung kaum aus.

Wechsel erzielten keine Wirkung und so lagen wir mit zwei Toren hinten. Doch wir alle wussten, dass noch alles möglich war.

,,Jonna, komm her!'' Mein Kopf fuhr hoch zu meinem Trainer und mechanisch stand ich auf und ging zu Lars. Ich realisierte nicht, dass ich gleich mein Debüt geben würde.

Ich hörte mir die Anweisungen meiner Trainer ganz genau an und notierte mir im Kopf, welche Spielzüge nützlich waren.

Ich sollte nur im Angriff spielen, doch das war mir ganz recht.

Ich klatschte mit Ella ab, die mich aufmunternd anlächelte.

Als ich mich vor der gegnerischen Abwehr befand und mir kurz einen Überblick verschaffte, sagte ich einen Spielzug an. Cassi und Nele neben mir nickten kaum merklich.

Ich leitete den Spielzug ein. Es überraschte mich nicht, dass es auf der erhofften Linken Seite keinen Platz gab. Trotz Spielzug.

Ich bekam den Ball auf die linke Seite und lief trotz keiner Lücke zum ersten Mal auf die Abwehr zu. Im Augenwinkel nahm ich war, wie Rike eine Hand in der Luft hielt. Ich ließ den Ball von meiner Hand gleiten, fiel gleich darauf mit meiner Gegenspielerin zu Boden und hörte nur noch, wie unsere Zuschauer jubelten.

Erleichtert lief ich zurück zur Bank. Ich glaubte fest an einem Sieg.

,,Sehr gut, Jonna! Spielt gleich bitte Jugo Kreuz links.'' Lars klopfte mir auf die Schulter und widmete sich wieder dem Spielgeschehen.

Der nächste Angriff stand ziemlich schnell bevor und ich lief wieder auf das Feld.

Wir lagen immer noch mit zwei Toren hinten, folglich musste wir liefern und standen unter Zugzwang.

Ich sagte den erwünschten Spielzug an und führte diesen konzentriert durch. Am Ende sollte ich den Ball bekommen und mich für die richtige Option entscheiden.

Ich lief auf die Abwehr zu und nahm den Ball von Nele entgegen.

Hochspringen, die richtige Entscheidung treffen, zur Bank laufen. Klang leider einfacher als es war.

Ich sprang ab. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, während ich in der Luft schwebte.
Plötzlich, vollkommen kontextlos, dachte ich an meine Familie, als ich in der Luft war. Den Erwartungen, welchen ich gerecht werden musste und auch wollte. Und an die Tatsache , dass meine Familie dieses Spiel anschauen würde.

Ich verfluchte meinen Verstand! Es war ein absolut schlechter Zeitpunkt! Ich musste mich auf das Spiel konzentrieren, verdammt!

Ich spielte den Pass auf den Außen. Doch die Abwehrspielerin musste gewusst haben, was meine Intention war, fing den Ball ab und brachte den Ball in unser Tor unter.

Ich schaffte es nicht mich von meinen Gedanken zu lösen. Der erste erfolgreiche Angriff war Geschichte und inzwischen dachte ich, mir den so perfekt gespielten Angriff eingebildet zu haben.

,,Spielt mit Kopf! Weiter Mädels!'', hörte ich es von der Bank und fühlte mich sofort angesprochen.

Es fiel mir schwer meinen Emotionen freien Lauf zu lassen. Ich war eher in mich gekehrt. Trotzdem gab ich alles, was in meiner Macht stand. Doch es war nicht genug und Leipzig lief uns immer mehr davon.

Enttäuscht lief ich direkt in die Kabine, als die Schiedsrichterin die erste Hälfte Abpfiff.

Ich versuchte so viel wie möglich aus den Ansprachen der Trainer, die erstaunlich ruhig und sachlich waren, mitzunehmen. Wir lagen mit 6 Toren hinten. Das war brutal, aber alles war in Halbzeit zwei noch möglich.

,,Jonna?''

Mein Trainer schloss zu mir auf, während wir zur Bank gingen.

,,Ja?'' Ich schaute Lars an, der mich genauestens musterte.

,,Ella kommt jetzt wieder für dich auf das Feld. Versuch dich etwas zu lösen, ich weiß schließlich wieviel in dir steckt.'' Ich nickte leicht. Ich war enttäuscht von mir.

Die zweite Halbzeit war ein Desaster. Leipzig zeigte uns die Grenzen auf. Sie waren unglaublich abgeklärt und machten kaum Fehler. Und wenn sie welche machten, badeten sie diese in der Abwehr aus.

Sie zeigten uns auf, dass wir noch nicht bereit waren, eine große Mannschaft zu schlagen. Realität und Anspruch lagen in diesem Spiel weit auseinander. Es war einfach nur bitter.

Die Bank war merklich still geworden, genauso wie die Halle. Das Spiel war schon in der 40. Minuten entschieden.

Nach dem Spiel war die Stimmung dementsprechend furchtbar. Ich machte mich daran schnell zu duschen. Ich wollte einfach nur meine Ruhe haben.

Missmutig trottete ich durch die Flure nach draußen und durchlief die Straßen zurück zum Internat. Der kleine Spaziergang tat gut.

Ich versuchte zu verstehen, weshalb ich diese Blockade hatte. So kannte ich mich gar nicht. Was hatte mich so gehemmt?

Ich konnte mir keine wirkliche Antwort zusammenreimen.

,,Man wächst mehr aus Niederlagen, als aus Siegen.'', hörte ich plötzlich eine Stimme aus dem Nichts. Erschrocken schrie ich auf und drehte mich um.

Wer das wohl ist? :)

Under pressure. Everywhere. Donde viven las historias. Descúbrelo ahora