Hoffnung

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,,Ich weiß, dass du Tee verabscheust, aber es wird helfen.'', kam Sander mit einer vollen Tasse Tee langsam in mein Zimmer. Ich verzog mein Gesicht angewidert. Damit hatte er recht. Also leerte ich den Becher ziemlich schnell, denn natürlich wollte ich endlich gesund werden.

,,Hier! Wir hatten nichts anderes und du kennst ja meine Kochkünste.'' Sander setzte sich an die Bettkante und reichte mir mehrere Scheiben Brot belegt mich Lachs und Käse.

,,Willst du mich jetzt auch noch füttern?'', fragte ich lachend.

,,Ne, ich will auch was, oder denkst du ernsthaft, dass ich dich das alleine essen lasse?''

Ich rückte weiter nach rechts und Sander verstand die Aufforderung, sich neben mich zu legen.

Ein geborgenes Gefühl übermannte mich, welches ich seit Monaten nicht mehr verspürt hatte.

,,James Bond?'', fragte Sander kauend und schaute auf den schwarzen Fernseher. Ich nickte und griff zur Fernbedienung.

Wir beide waren James Bond Fanatiker.

Mein Bruder nahm die Decke und legte sie über uns. Es war echt kalt hier, merkte ich trotz meines Fiebers.

Zögerlich lehnte ich mich gegen Sanders Schulter, der daraufhin seinen Arm um mich legte und mich an sich drückte. Beinahe kamen mir die Tränen, weil ich endlich wieder das Gefühl hatte, zu jemand zu gehören und nicht mehr alleine zu sein.

Sander und ich musste eingeschlafen sein. Jedenfalls wachte ich in derselben Position auf, in der ich eingeschlafen war. Eng an Sander, der seinen Arm noch immer um mich gelegt hatte und tief und fest schlief.

Ich betrachtete ihn nachdenklich. Ob es ihm gut ging? Er erzählte so wenig von Kiel..

Ich lehnte mich wieder zurück und griff vorsichtig nach meinem Handy.

Die Position war wahnsinnig bequem und ich wollte den Moment nicht zerstören. Deswegen entschied ich mich, etwas am Handy meine Zeit zu vertreiben. Es war 7 Uhr morgens, stellte ich erschrocken fest.

Heiligabend. Das Fest der Liebe. Passend dazu, wachte ich in den Armen meines Bruders auf, versöhnt. Wie passend.

Im Haus war es noch ruhig. Für meine gesamte Familie begann der Morgen frühestens um 9 Uhr.

Ich horchte in meinen Körper hinein. Das Fieber war noch da, zumindest schloss ich das darauf, dass mir kalt war, meine Stirn jedoch heiß war. Ich grub mich etwas tiefer in die Decke und an Sander heran, der wie immer schlief wie ein Stein. Hatte er schon als kleiner Junge.

Ich ging auf WhatsApp und schickte Rune ein Foto vom schlafenden Sander.

Erstaunlicherweise war er sofort online.

Süsssssss, mein kleiner Sander!

Ich musste mir ein Lachen verkneifen.

Naja, süß? Wieso bist du schon wach?

Fragte ich ihn neugierig. Er war normalerweise auch jemand, der lange schlief.

Zuhause ist immer so ein Lärm. Meine Eltern sind immer schon früh auf. Und du? Und was machst du bei Sander so früh morgens?

Geschwister-Filme-Abend. Konnte nicht mehr schlafen, keine Ahnung wieso.

Ich verschwieg einen gewissen Inhalt. Ich hatte keine Lust darüber zu schreiben.

Ich bin froh, dass ihr euch vertragen habt. Schließe ich jetzt mal darauf, wenn ihr zusammen übernachtet :)

Dass er davon wusste, wunderte mich überhaupt nicht. Die beiden waren wie Brüder und Rune gefühlt unser 6. Familienmitglied.

Ja.. es ist gerade wieder gut zwischen uns. Mal schauen wie lange es anhält.

Bitte für immer!

Sander ist stur.

Du auch, Jonna!

Dieses mal musste ich wirklich kurz kichern. Rune schaffte es echt immer einen Spruch zurück zu schleudern. Dabei war ich sonst immer diejenige, welche das Gespräch beendete.

Jaja. Bye.

Bye Klein-Jonna.

,,Wieso schreibst du mitten in der Nacht mit Rune?'', hörte ich Sanders tiefe verschlafene Stimme.

,,Wieso bist du wach?'', fragte ich verwundert und drehte mich zu Sander hin.

,,Weil es an meinen Bauch vibriert hat, als wäre dort.. keine Ahnung ich finde um diese Uhrzeit kein passenden Vergleich.''

Ich betrachtete Sander grinsend. Er war die Superlative von Ich bin kein Morgenmensch.

,,Danke, dass du gestern bei mir warst.'', sagte ich ohne nachzudenken. Dafür war es umso ehrlicher.

,,Ach Jonna.. wieso glaubst du, dass ich nicht gerne mit dir zusammen bin und Zeit mit dir verbringe? Ist das nicht selbstverständlich?''

Ich nickte bedrückt.

,,Wie geht's dir eigentlich so in Kiel? Du weißt ja inzwischen wohl, dass es bei mir nicht so rosig läuft.'', konfrontierte ich meinen Bruder, weil es mich wirklich interessierte und ich das Gefühl hatte, ihn diese Frage mal stellen zu müssen.

Schon als mein Bruder durchatmete und nicht sofort mit einem Strahlen sagte, wie toll alles sei, wusste ich, dass ich nicht falsch gelegen hatte mit meiner Vermutung. Auch bei meinem Bruder war nicht alles perfekt.

,,Schaust du unsere Spiele?'', fragte Sander mich, bevor er irgendwas offenbarte.

,,Erhlich gesagt eher weniger.'', sagte ich zähneknirschend.

,,Sei froh: Ich spiel manchmal richtig Scheisse. Ich hatte mir mehr vorgenommen. Außerdem macht mich die Bundesliga echt fertig. Jedes verdammte Spiel kann man verlieren. Mein Kopf hat das oft noch nicht drauf. Mental ist das wahnsinnig ermüdend. Ich bin einfach durch. Und bald ist WM. Und davor noch Köln. Und durch Olympia haben wir keine Pause.'', ratterte Sander seine Sorgen runter. Ich war vollkommen baff das von meinem sonst so motivierten, kampflustigen Bruder zu hören. Das von ihm zu hören, war wohl ein Zeichen dafür, dass die Saison zu viele Extreme hatte.

Ich bekam ein richtig schlechtes Gewissen, weil ich mich daran erinnerte, wie oft ich in letzter Zeit zu ihm gesagt hatte, dass bei Sander alles so perfekt lief. Dabei war es nie so gewesen. Das muss Sander weh getan haben.

,,Es tut mir leid.'', sagte ich bedrückt und nahm meinen Bruder fest in den Arm.

Wir verbrachten den frühen Morgen damit, Weihnachtsfilme zu schauen. Wir lachten viel, redeten und gaben uns den Filmen hin. Es war einer der schönsten Momente, die ich seit langen erlebt hatte. Endlich hatte ich das Gefühl, dass schon alles wieder gut werden würde in unserer Familie.

Es klopfte plötzlich an der Tür und ich wusste schon, um wen es sich handelte.

Wir stoppten den Film und schauten neugierig zur Tür. Ein merklich bekannter Blondschopf lugte durch die Tür.

,,Sander?'', fragte Ciljan deutlich verwirrt und trat in mein Zimmer ein.

Ich betrachtete liebevoll meinen Bruder in seinem roten Schlafanzug mit seinen Rentieren abgebildet.

,,Komm her!'' Ich klopfte auf mein Bett und Ciljan kam ohne Zögern zu uns gekrochen.

,,Es ist eng und du bist schwer.'', stöhnte Sander, als Ciljan halb auf ihm lag.

,,Ach was!'', ich winkte lachend ab und setzte den Film fort.

Mein Herz erwärmte sich und ich wollte, dass dieser Moment nicht endete. Ich bekam das Gefühl, die zukünftigen Problemen meistern zu können.

Denn ich hatte endlich wieder Sander und Ciljan an meiner Seite. Die Menschen, welche mir an meisten bedeuteten.

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