Welche Konsequenzen?

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Obwohl ich von den nächtlichen Strapazen todmüde war, schlief ich erst spät ein. Tatsächlich wachte ich einige Stunden später am Nachmittag schon wieder auf.

Vielleicht weil mein Unterbewusstsein wusste, was mir an diesem Tag noch bevorstand. Nachher war Training. Ich musste hingehen, vielleicht konnte ich dann alles wieder gutmachen. Das redete ich mit zumindest ein, damit ich nicht durchdrehte.

Ich hatte schlimme Kopfschmerzen, als ich an diesem Tag zum ersten Mal mein Zimmer verließ, um zum Training zu gehen.

,,Na, bist du gut angekommen?'' Cassandra kam grinsend um die Ecke geschlendert.

,,Nein, bin ich nicht.'', erwiderte ich gereizt. War es nicht normalerweise so, dass man sich um seine Mitspielerinnen kümmerte? Das vermisste ich in dieser Mannschaft.

,,Chill mal, was ist passiert?'', fragte sie verwirrt.

Ich winkte ab. Ich wollte nicht darüber reden und außerdem blieb mir meine Zunge im Hals stecken, als wir die Halle betraten und Willy, der Leiter des Internets, bei den Trainern stand.

Ich blieb erstarrt stehen. Tausend Fragen kreisten durch meinem Kopf. Die wichtigste war vorerst: wie sollte ich mich verhalten? So tuen, als wäre nichts gewesen und mich mit warmlaufen? Mich entschuldigen?

Logischerweise hatte ich so eine Situation noch nie erlebt.

Ich war ein Angsthase und deswegen war klar, welche Variante ich wählte.

,,Was macht Willy hier? Geht's um unsere Leistung?'', hörte ich die Mädchen reden. Nein Leute, es geht um mich. Doch ich blieb stumm und lief mich routiniert ein.

Ich vermied es, die Trainer anzuschauen.Wir liefen länger als sonst, weil die Trainer das Laufen nicht beendeten und sie stattdessen immer noch mit Willy redeten. Je länger ich lief, desto ängstlicher wurde ich.

Am Ende, als die Trainer das Laufen beendeten, war ich fest davon überzeugt, dass Willy mich rauswerfen würde.

Ich ging mit hängendem Kopf zu meiner Tasche und lauschte den Gesprächen um mich herum. Die Party wurde mit keinem Wort erwähnt, was aber auch nicht verwunderlich war aufgrund der Zuschauer, die wir hatten.

,,Wir spielen heute nur.'', ordnete Thomas an. Ich blickte überall hin, nur nicht in sein Gesicht. Ich war mir sicher, dass er mich nun zu sich holen würde, doch nichts geschah. Stattdessen befand ich mich auf dem Feld und hatte den Ball in der Hand.

Wieso?

Ich versuchte meinen körperlich und mental miserablen Zustand auszublenden, was mir mal mehr, mal weniger, gelang. Da ich in letzter Zeit jedoch sowieso schlecht spielte, fiel das nicht so auf.

Ich spürte die stechenden Blicke der Trainer auf mir liegen. Als ich es einmal wagte zu ihnen zuschauen, wurde mir klar, dass mir die Gespräche mit Sicherheit an diesem Tag noch bevorstanden.

,,Wieso sind die heute so genervt?'', hörte ich Johanna flüstern. Meinetwegen.

Ich versuchte mein Bestes, denn irgendwie sollte ich zeigen, dass ich auch nach so einem Fehler alles dafür tat, um guten Handball zu spielen.

Am Ende spielte ich vielleicht sogar gar nicht so schlecht. Das Training war beendet und spätestens in diesem Moment hatte ich die letzten Tropfen Restalkohol in meinem Körper ausgeschwitzt.

,,Jonna, herkommen!'' Mein Magen hatte das plötzliche Bedürfnis sich komplett umzudrehen und nur mit Mühe schaffte ich es, den Inhalt drin zu lassen.

Ich schlürfte auf die Trainer zu. Nur kurz wagte ich es auszuschauen, um die Situation etwas besser abschätzen zu können. Ich bereute es augenblicklich. Beide hatten die Gabe, mit ihren Augen perfekt die Emotionen die sie in sich trugen, zu ihren Gunsten zu präsentieren. In diesem Fall schrumpfte ich noch mehr in mich zusammen.

,,Sag mir: wieso?'' Lars schaute mich wütend und enttäuscht an. Tränen sammelten sich in meinen Augen, denn ich war komplett am Ende. Ich wusste, wie wichtig es war, dass ich in diesem Moment etwas sagte.. dass ich die Situation rettete. Doch ich war mental und körperlich am Limit und brachte nichts zustande.

,,Es tut mir leid.'', sagte ich deshalb schluchzend.

,,Du hast morgen um 9 Uhr einen Termin bei Willy.'', erwiderte Thomas distanziert. Damit war das Gespräch beendet. Meine Hände zitterten, als ich meine Tasche nahm und ging.

Ich spürte die Blicke aller auf mir . Einige verwirrt, andere wissend. Man konnte sich wohl das meiste zusammen reimen. Es tat einfach nur weh.

Abends realisiere ich nochmal das Ausmaß. Meine Eltern würden es erfahren. Die Schule hatte mit Sicherheit schon längst zuhause angerufen und berichtet.

Ich sehnte mich danach, die Zeit zurückdrehen zu können, als ich noch ein kleines Kind war, dass für Fehler kaum bis gar keine Verantwortung übernehmen musste.

Meine Hände griffen zum Handy. Sollte ich mit jemanden darüber sprechen? Oder machte das alles nur noch schlimmer? Mit diesem Jemand meinte ich meinen Bruder. Er kannte meine Eltern am besten und wusste, wie ich am besten die Situation retten konnte. Aber ertrug ich es, dem Helden unserer Familie zu erzählen, wie ich komplett scheiterte?

Nun würde wahrscheinlich rauskommen, wie schlecht ich mich sportlich und schulisch eigentlich schlug. Den Schein, welchen ich unbedingt aufrecht erhalten wollte, würde mich meinem Eltern gegenüber nicht mehr schützen.

Ich war mir sicher, dass die Leitung des Internats nebenbei erwähnt hatte, dass ich schulisch auch Nachholbedarf hatte.

Ich fühlte ich mich wie ein riesiges Probiemkind.

Am Ende entschied ich mich gegen einen Anruf und legte mich schluchzend und allein gelassen in mein Bett.

Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen :) Ich hatte gestern ein Handball Turnier mit 6 Spielen: war unglaublich schön und da wurde mir mal wieder bewusst, wie geil Handball ist!

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