Ich sehe rot

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Der Appetit war verflogen. Ich sah Sanders Augen, die jede Regung meinerseits genauestens beobachteten und sich in mein Gesicht brannten. Doch ich hielt mich mit einer Antwort zurück und versuchte mir meine Gefühle nicht anmerken zu lassen.

,,Warum redest du nicht mit mir? Ich merke doch, dass dich etwas bedrückt.. Jonna.'' Wie er meinen Name sagte- ich wusste nicht mehr weiter. Letztes Mal war ich geflüchtet, doch das war nun keine Option.

Ich konnte mich Sander nicht anvertrauen. Er würde es nicht verstehen. Er war erfolgreich, ein Superstar, hatte nie mit Probleme meiner Art zu kämpfen gehabt.

,,Du würdest es nicht verstehen.'', wagte ich es zu sagen.

,,Deine Mannschaft, darum geht es doch oder?'', überging er meinen Kommentar und traf direkt ins Schwarze. Dabei war da noch so viel mehr. Maxis Abweisung. Der Stress. Die Erwartungen.

,,Wusste ich's doch. Sind sie scheisse zu dir?'', fragte er weiter. Ich schaute meinen Bruder unbewusst an. Er hatte ein überraschend gutes Gespür.

Ich seufzte genervt.

,,Ich bin nicht so gut drin, das stimmt schon. Aber du übertreibst hier gerade etwas.''

,,Aber Mama und Papa lassen dich schon in Ruhe oder?''

,,Zu viel in Ruhe, wenn du mich fragst. Mir steht bestimmt noch ein Sturm bevor.'', rutschte es aus mir heraus.

Sander schaute betreten drein, denn wir Beide kannten unsere Eltern sehr gut.

,,Ich rede mit ihnen.'', beschloss er.

,,Auf keinen Fall!'', hielt ich dagegen und schaute ihn warnend an. Das würde darin enden, dass sie Sander wieder als wundervoll perfekt sahen und mich als die Versagerin. Ich wollte das selbst regeln.

,,Na gut! Aber wenn was ist, dann ruf mich an!'', bat er mich eindringlich.

Damit kam ich zum Glück noch gut davon. Sander war zufrieden und ich war froh, dass er mich nicht weiter ausfragte. Am Ende brachte es ohnehin nichts, wenn ich mich öffnete. Die Situation im Internat blieb. Er konnte mir nicht helfen.

Den restlichen Sonntag verbrachte ich damit mir die unzähligen Videos der Trainer anzuschauen. Anscheinend reichte die Video Analyse wohl nicht aus. Es ging mir tierisch gegen den Strich, aber ich zog einfach durch.

Am nächsten Tag war ich vollkommen müde, denn es war Montag und die Trainer hatten zur Freude aller noch ein Training vor der Schule angesetzt.

Mittwoch stand unser nächstes Spiel an.

Ich versuchte im Training mein bestes und die Trainer waren scheinbar auch relativ zufrieden. Jedenfalls meckerten sie mich heute nicht an.

Ella fehlte trotzdem. Sie war zum einen eine sehr gute Spielerin und zum anderen hatte sie eine faire und tollerante Persönlichkeit. Sie hatte sich nicht gegen mich gestellt. Ich hatte das Gefühl, dass ohne sie die offensichtliche Abneigung der Mannschaft mir gegenüber nur noch zunahm.

Keiner redete mit mir. Ich war quasi unsichtbar. Nur auf dem Feld, da war ich plötzlich der Fokus, wenn ich auf die Abwehr zuging.

Die Trainer waren blind. Wie schon damals, als Cassandra mir das Bein gestellt hatten. Für sie zählte nur das, was sich auf der Platte abspielte. Für den Teamgeist war die Mannschaft selber zuständig. Eine Philosophie, die hier meiner Meinung nach scheiterte.

Ich war ähnlich aufgeregt, wie vor meinem
ersten Spiel. Ich erledigte meine Routine und ging konzentriert die letzten wichtigen Taktiken durch.

Ich ignoriere die Tatsache, dass Cassandra nun unsere Kapitänin war und als erste einlief.

Die Zuschauer machten gute Stimmung, anscheinend hatten sie die ersten Niederlage verdaut.

Ich ließ konzentriert die Blicke durch die Gegner wandern. Sie waren keine schlechte Mannschaft, hatten Potenzial.

,,Verkacks bitte nicht.'', hörte ich Cassandra in mein Ohr sagen und sie klopfte mir auf die Schulter.

Wut sammelte sich in meinem Bauch. Was für eine falsche Schlange.

Ich machte kein schlechtes Spiel. Aber auch kein gutes.

Mein Verstand schien nicht zur Ruhe kommen zu wollen. Ständig tauchten die enttäuschenden Blicke meiner Eltern vor meinem geistigen Auge auf. Oder Maxis wütend funkelnde Augen.

Ich ließ den Ball durchspielen. Wir führten mit drei Toren und kontrollierten das Spiel.

Unsere Außen Spielerin lief ein und die Abwehr pennte. Geschickt passte ich den Ball durch den Mittelblock zu ihr. Der Ball landete im Tor. Ein gelungener Angriff.

Eilig lief ich zurück zur Bank. Die Trainer klatschten mit mir ab und zum ersten Mal hatte ich selber das Gefühl, Fortschritte zu machen und mich nicht um den Kreis zu drehen.

Die Abwehr war an diesem Tag sehr gut. Ich war manchmal etwas traurig, dass ich nicht einmal die Chance bekam, mich in diesem Bereich zu beweisen. Ich war leider einfach nicht die Größte.

,,Versuch gleich mal Kiel Drei.'' Thomas zwinkerte mir zu, was ich still zur Kentniss nahm. Wahnsinnig witzig, Thomas. Wahnsinnig witzig..

Ich sagte den Spielzug an. Ich musste abwarten, welche Entscheidung Cassi traf. Entweder spielte sie den Kreis an, oder mich. Mich wunderte nicht, dass sie es erzwang den Ball an den Kreis zu spielen. Mit Genugtuung beobachtete ich wie der Ball nicht ankam. Eilig sprintete ich zurück um den Gegenstoß aufzuhalten.

Die Gegenspielerin war langsamer als ich. Meine Füße machten einen Schritt nach dem anderen und ich schloss zu ihr auf. Ich griff vorsichtig in sie ein, damit es zum Freiwurf kam. Doch meine Gegenspielerin schien nicht besonders fair zu sein. Theatralisch ließ sie sich fallen und blieb am Boden liegen. Ich hatte sie nicht einmal berührt, wusste jedoch, dass es für Außenstehende ganz anders ausgesehen haben muss.

Die Schiedsrichter kamen mit einem strengen Gesicht auf mich zugelaufen. Ich hatte mit zwei Minuten gerechnet. Doch dann sah ich buchstäblich rot.

,,Seriously?'' Ehrlich gesagt tickte ich gerade aus, wie mein Bruder es sonst nur tat, als der Schiri mir die rote Karte vor die Nase hielt.

,,Klares Eingreifen in den Tempo mit Gefahr einer schweren Verletzung.'', erwiderte er trocken diplomatisch, was mich noch wütender machte.

,,Ich habe sie nicht einmal berührt!'', widersprach ich und zeigte wütend auf die Spielerin. Sie stand wieder und schien unversehrt. Ach komisch!

Ich winkte frustriert ab und marschierte vom Feld. Was für Pappnasen!

,,Klug war das sicher nicht.'', empfing Thomas mich auf der Bank.

,,Ich habe sie wirklich nicht berührt!'' Es nervte mich, dass ich das Gefühl haben musste, dass alle gerne gegen mich waren.

,,Das weiß ich.'', beruhigte er mich.

Trotzdem musste ich den Rest auf der Tribüne zuschauen, was wahnsinnig unangenehm und frustrierend war.

Die Halbzeit wurde angepfiffen. Unsicher schaute ich runter zu den Trainern, die mir signalisierten, dass ich zur Umkleide kommen sollte.

Als ich die Kabine betrat war ziemlicher Aufruhr.

,,Wieso bist du so dumm und greifst ein?'' Rike schaute mich verständnislos an.

,,Ich habe sie nicht einmal berührt!''

,,Hat sie tatsächlich nicht.'', sagte Thomas.

Rike und co schienen trotzdem genervt auf mich zu sein, was mich wiederum auf die Palme brachte.

,,Ich wollte nur versuchen, ein Gegentor zu verhindern, weil Cassi unbedingt den Kreis anspielen musste!'', rutschte es mir unbedacht heraus. War wahrscheinlich nicht so klug.

,,Hey, jetzt beruhigen wir uns mal!'' Lars einschneidende Stimme ließ uns alle verstummen.

Trotzdem registrierte ich die feindseligen Blicke aller auf mir.

Hatte gerade nochmal Zeit, ein Kapitel hochzuladen :)

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