Der Bruder zu Besuch

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Sander und ich hatten uns an der Flensburger Förde verabredet. Das war für mich schnell zu erreichen und Sander wusste ebenfalls wo er hinmusste, sodass er nicht verloren umher lief.

Ich war gespannt wie unser Treffen verlaufen würde. Doch so richtig begeistert war ich irgendwie nicht.

Sander und ich hatten bisher nicht wirklich über meine Spiele geredet. Während Sander in Kiel vollkommen durchstartete, war ich bisher gescheitert.

Es graute mir ohnehin, wenn ich an das nächste Familien- Zusammenkommen dachte mit meinen Eltern. Da brauchte ich keinen Vorgeschmack seitens meines Bruders.

,,Jonna?'', hörte ich auf einmal Tommis Stimme.

Verwirrt drehte ich mich um und blickte einem schick angezogenen Tommi entgegen.

,,Hast du ein Date?'', fragte ich spaßes halber.

Tommi schüttelte jedoch den Kopf und kam in Mantel und Hemd auf mich zugeschlendert.

Meine Augen betrachteten unauffällig Tommi.

,,War mit meinen Eltern essen. Unfreiwillig natürlich.''

,,Oh.'', sagte ich nur, weil ich um seine schwierige Beziehung zu seinen Eltern wusste und mir unsicher war, was ich dazu sagen sollte.

,,Was machst du hier?'', wechselte er rasch das Thema. Somit blieb mir eine Erwiderung erspart.

,,Mein Bruder und ich treffen uns hier.'' Meine Stimme klang ähnlich demotiviert wie Tommis. Ich schaute auf die Uhr. Ich war etwas zu pünktlich aber Sander würde bestimmt gleich aufkreuzen.

,,Ich geh dann mal, muss noch ein paar Sachen erledigen.'' Sachen? Was für Sachen?

Verwirrt musterte ich ihn.

,,Ich wollte euch nicht stören.'' Tommis Augen schauten leicht neben mich und ich begriff, dass Sander wohl im Anmarsch war.

,,Du musst jetzt nicht vor meinem Bruder flüchten.'', grinste ich und war amüsiert.

Tommi verdrehte die Augen. Lächelte jedoch augenblicklich wieder leicht, während seine Augen wieder neben mich huschten.

,,Hey Jonna.'' Sander ließ sich seine Überraschung gegenüber Tommi nicht anmerken und umarmte mich freudig.

,,Hi, wer bist du?'', fragte Sander direkt, wie er war.

,,Äh, Tommi. Wir sind zusammen auf dem Internat.'' Auch wenn Tommi versuchte normal zu klingen, sah ich ihm an, dass er Sander nicht als normale Person betrachtete. Ich war ihm nicht böse- fand es eher niedlich, dass er meinetwegen versuchte, so normal wie möglich zu wirken.

,,Ich muss jetzt los, hab noch was zu erledigen.''

,,Ok, wir sehen uns.'' und weg war er.

,,Wer war denn das?'', fragte Sander und anhand seiner aufblitzenden Augen erkannte ich, dass er es vollkommen falsch interpretierte.

,,Hab ich dir doch gesagt.'' Ich rollte mit den Augen.

,,Ich dachte wir könnten zum Italiener gehen, der soll gut sein.''

Sander nickte, doch das Grinsen schien wohl festgeklebt zu sein.

,,Find ich super. Aber trotzdem möchte ich gerne wissen, WER der junge Mann war.''

,,Du tuest so, als wärst du 20 Jahre älter.''

Wir schlenderten durch die Stadt. Der Herbst war definitiv in Flensburg angekommen und ich hatte mich ganz sicher zu dünn angezogen.

,,Wie ihr Beide euch eben angeschaut habt- da fühlte ich mich auch um 10 Jahre gealtert. Die erste Liebe war schon zu lange her.'' Ich wusste, dass Sander mich provozieren wollte, ging jedoch nicht drauf ein.

,,Siehst auch älter aus, als man denkt.''

Das Essen war lecker- die Stimmung war merkwürdig. Sander lag vieles auf der Zunge, was er sagen wollte. Doch irgendwann hatten wir mal aufgehört, uns das zu sagen, was wir dachten. Mit offenen Karten zu spielen.

Ich war ehrlicherweise bewusst distanziert, weil ich schlicht und ergreifend keine Lust hatte, Fragen zu beantworten, auf die ich selbst keine wirkliche Antwort wusste.

,,Weißt du was neulich passiert ist?'', brach Sander die Stille, während ich meine Nudeln aß.

Er dagegen hatte sich eine Salat bestellt, was ich still zur Kenntnis genommen hatte.

,,Ne, aber du wirst es mir bestimmt gleich erzählen.'', sagte ich neugierig. Ich hörte immer gerne Geschichten aus Kiel. Meistens waren sie sehr amüsant und verrückt.

,,Peke und Rune gehen immer mal wieder in die Sauna bei uns im Traingszentrum. Oskar wurde dann dazu gezwungen, ihnen die Bademäntel zu klauen. Dann mussten sie nur mit einem kleinen Handtuch zurück zur Kabine. Und der Weg ist lang. Sehr lang!'' Ich lachte, denn ich konnte es mir so wahnsinnig gut vorstellen.

,,Wie haben sie reagiert?'' Ich verzog immer noch lachend das Gesicht. Ich kannte Peke etwas und wusste, dass er sich sowas nicht gefallen ließ.

,,Peke ist richtig ausgerastet und wollte wissen, wessen Idee das war..''

,,Lass mich raten: Niko war der Anstifter'', grinste ich. Ich liebte solche Geschichten. Vielleicht auch deshalb, weil es bei uns nie zu solchen Situationen kam. Bei uns waren alle immer sehr ernst und angespannt. Man sah sich als Konkurrentin. Zumindest war dies mein Eindruck. Ich konnte es jedoch nicht beurteilen, weil ich ja kaum integriert war.

,,Niko und noch ein paar andere, aber ich weiß nichts genaueres. Peke hat ihn dann erstmal richtig angeschrien. Rune hat's eher zur Kenntnis genommen. Er meinte zu mir: das kennt er schon und es bringt nichts sie anzumeckern.'' Ich kam aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Es war zu amüsant. Ich hatte noch nie mit der gesamten Mannschaft Kontakt gehabt, weil es sich noch nicht ergeben hatte.

Mein Handy klingelte plötzlich. Überrascht sah ich, dass es eine unbekannte Nummer war. Ich war verwirrt, ging jedoch unter Sanders interessierten Argusaugen ran.

,,Hallo?'', fragte Ich zögerlich, weil ich nicht wusste, in welcher Sprache ist sprechen sollte. Am Ende blieb ich beim Englisch. Das verstand jeder.

,,Hi Jonna, hier ist Lars. Ich schick dir gleich nochmal ein paar Videos zum nächsten Gegner. Schau dir die bitte an.'', bat er mich. Ich versuchte nicht genervt zu klingen. Selbst in meiner Freizeit konnte ich nicht mal an etwas anderes denken.

,,Ist klar, mache ich.''

Ich wollte gerade auflegen, doch er war anscheinend noch nicht fertig.

,,Ach und bitte Versuch wieder mehr bei der Sache zu sein.'', fordertet er eindringlich, ehe er auflegte.

Perplex blickte ich auf mein Handy.

,,Wer war das denn?'', fragte Sander, den ich komplett ausgeblendet hatte. Er hatte wohl gesehen, dass es kein schönes Gespräch war.

,,Ach nichts.''

,,Ne! Kein ‚'Ach nichts'! Ich will jetzt endlich mal wissen, was hier vor sich geht!'' Ich zucke zusammen, denn so eindringlich und wütend hatte ich Sander lange nicht mehr gesehen.

Sorry, war eine etwas längere Pause, aber ich bin gerade im Urlaub :)

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