energiegeladen

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,,Warte, stopp! Du hast was getan?'' Sanders erste Unterbrechung startete bereits, als ich ihm erzählte, das wir das Internet abends verlassen hatte. Wenn er da schon so aufgebracht war, wie sollte das dann am Ende der Geschichte werden?

,,Sander, bitte!'', seufzte ich. Es brachte mir keinen Spaß, die ganze Geschichte zum gefühlt hundertsten Mal runter zu erzählen. Es war ja nicht so, als hätte ich diese Geschichte gerne erlebt und würde es mögen, darüber zu reden.

,,Ich weiß nicht, ob ich mehr hören möchte. Ich dachte eigentlich, das du wüsstest, wie man sich als Profi Sportler verhält.''

Es tat weh, dass er das sagte. Besonders, weil ich im inneren wusste, dass ich nie das starke Bedürfnis hatte Profisportlerin zu werden. Zumindest war das längst nicht so ausgeprägt, wie bei meinem Bruder. Ich hasste den Erwartungsdruck, der seitens meiner Familie, dem Verein und mir selbst auch, ausging. Also hatte er leider teilweise recht.

Doch ich war nun mal die kleine Schwester aus Trondheim, suchend nach Anerkennung, wie der große Bruder sie erhielt.

,,Ich bin nicht wie du.'', sagte ich und versuchte ruhig zu blieben. Streit war nie hilfreich und davon hatte ich ohnehin genug für mein ganzes Leben erfahren in letzter Zeit.

,,Das weiß ich, aber du hast die Entscheidung getroffen dieses Leben führen zu wollen. Dann muss du das auch zeigen.'' Er schaute mich erwartungsvoll an, weil ich nichts sagte.

,,Dann wird es dich doch bestimmt freuen, dass dies noch nicht das Ende der wundervollen Geschichte ist, Sander.'' Ich bekam gerade richtig Lust Sander zu provozieren. Verständnis würde ich ohnehin nicht bekommen. Am Ende interessierte sich die Familie nur dafür, dass man die Familie gut repräsentierte.

Sander war genauso wie meine Eltern.

Wütend schaute er mich an, welchen Blick ich genauso erwiderte. Meinen Vorsatz, mich nicht zu streiten, konnte ich streichen, war mir aber auch egal.

Ich erzählte die Geschichte zu Ende und beobachtete genauestens Sanders Reaktion.

,,Was fällt dir ein? Du weißt schon was du da für eine Chance hast? Bereust du das überhaupt?'', häufte Sander mich mit Fragen und schrie am Ende in den Bildschirm, woraufhin ich das Gesicht verzog.

,,Schrei nicht so!'' Was stellte er überhaupt für Fragen? Natürlich bereute ich es? Wie konnte er denken, dass ich stolz darauf war? Kannte er mich denn gar nicht mehr?

,,Ich haben ja wohl das Recht zu schreien!''

,,Klar hast du das. Der großartige Herr Sagosen darf alles machen, was ihm gefällt. Ohne Rücksicht auf Verluste, denn er ist ja der beste Spieler der Welt im Handball und Handball ist ja alles im Leben!'', schrie ich in mein Handy, atmete laut aus und legte auf. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, weil ich alles in einem Atemzug gesagt hatte.

Und weil ich zu viel von dem offenbart hatte, was ich dachte.

Zwischen Sander und mir herrschte Funkstille.

Deswegen war ich auch die ganze Zeit schlecht drauf. Ich hinterfragte mich selbst am laufenden Band, denn es war wohl kein Zufall, dass plötzlich alle Menschen gegen mich waren. Cassandra, Maxi, meine Eltern, Sander.

War ich wirklich ein Teamplayer, so wie ich es über mich immer gedacht hatte? Oder war ich eine egoistische Zicke, die sich alles so zurecht dachte, dass man am Ende in ein gutes Licht rückte?

Nur noch der Handball war mir geblieben, bei dem ich mich beweisen konnte. Ich wollte es allen zeigen. Ich wusste, dass Sander nun der festen Überzeugung war, dass ich dort scheitern würde. Genauso wie meine Eltern. Bis Weihnachten hatte ich Zeit und ich würde alles, wirklich alles, daran setzen, dass ich mich endlich etablierte.

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