8 - Geständnisse

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Was sie wohl von seinem Zuhause hielt, fragte er sich, als er die Haustür aufschloss. Es war definitiv anders als ihres. Nicht so sauber in erster Linie. Sie waren keine Messis, aber unter der Woche blieb einfach manches liegen. Es war nicht wie aus dem Ei gepellt. Wieso war ihm das nicht egal, fragte er sich, als er ihr den Vortritt ließ und Anna zögerlich eintrat. Sie war seine Projektpartnerin. Mehr nicht, verdammt. Er betrat hinter ihr den Flur und sie war schon dabei ihre Schuhe auszuziehen. Er wollte ihr sagen, dass sie das nicht brauchte. Doch er entschied sich dagegen. Er musste sie nicht auf die Unterschiede hinweisen. Sie würde sie ohnehin bemerken. Sie war ja nicht doof.

„Möchtest du eine Führung, Anna?", fragte er und bemerkte, wie belegt und rau seine Stimme klang.

Hoffentlich registrierte sie das nicht, dachte er und war erleichtert, als nur ein leichtes Lächeln über ihre Lippen zuckte und sie nickte. Warum hatte er plötzlich einen Frosch im Hals?

„Also, ja, äh, das ist der untere Bereich, den teilen meine Ma und ich uns gemeinsam. Bis auf ihr Schlafzimmer, natürlich, äh, klar. Das ist da. Das ist ihr Bad. Hier ... ist die Küche, wo wir essen, und so und da ... ist das Wohnzimmer. Da sitzen wir ein bis zweimal im Monat gemeinsam und gucken irgendwas an. Also, äh, sie liebt ja ‚Downtown Abbey', das hatte ich dir erzählt und so Kitschdinger wie ‚Sissi' oder ‚Vom Winde verweht' und so. Die kenne ich alle, dank ihr. Kennst du die auch?", erkundigte er sich und hasste sich dafür, dass er schlagartig so nervös war.

Was war nur los mit ihm! Also echt! Seit sie vor der Turnhalle gelacht hatte, dass ihr die Tränen gekommen waren, hatte er seine Hormone plötzlich nicht mehr im Griff! Das sollte er aber wieder hinbekommen, und zwar schleunigst, dachte er sich und sah, wie sie grinste und den Kopf schüttelte.

„Ja, äh, keine Ahnung. Ist einfach so. Ja, äh, also bei uns ist es nicht so sauber, wie bei euch. Wir, na ja, wir machen das immer wieder, wir sind zwar Mutter und Sohn, aber irgendwie auch wie in einer WG. Da ist es ja auch nicht so sauber und...", fing er an, doch dann unterbrach er sich, als er Annas sehnsüchtigen Blick auffing.

Kaum hörbar erwiderte sie: „Es ist ein Heim, Florian. SO sollte es aussehen, wenn man irgendwo LEBT, nicht wie in einem Museum. Ich hasse es bei mir. Egal. Nicht meine Woche. Du bist am Zug."

Schlagartig hatte sich seine Nervosität in Betroffenheit gewandelt, als er die Sehnsucht in ihrer Stimme wahrgenommen hatte. Was sollte er dazu sagen? Im Grunde wollte er sie in seine Arme ziehen und trösten. Aber das wäre nicht gut. Denn sie waren Projektpartner. Mehr nicht. Sie hatte ihn nicht ausgelacht, als er ihr das mit den Megaschnulzen erzählt hatte, weil er aus Nervosität geplappert hatte, erkannte er. Sie hatte ihn nur angelächelt. Sie hatte es hingenommen und keinen blöden Kommentar abgegeben. Wenn er das irgendjemand sonst erzählt hätte, wäre er sofort als Weichei oder Muttersöhnchen oder sonst was tituliert worden. Nicht bei Anna. Die sah ihn nur still an und knetete nervös ihre Hände.

„Ja, äh. Danke. Also, hm. Oben ist mein Bereich. Unser Haus ist kleiner als eures. Da sind nur noch zwei Zimmer und ein Bad. Willst du es sehen?", fragte er und bemerkte wieder, wie ein leichtes Lächeln über ihren schönen Mund zuckte.

Schöner Mund? Scheiße. Echt. Sie nickte und er schob die Hände in seine Hosentaschen und bat sie, ihm zu folgen. Er hatte sein Zimmer heute Morgen schnell aufgeräumt. Hoffentlich passte das so. Er hatte sogar das Bett gemacht. Das machte er sonst nie. Wieso auch? Er legte sich ja ohnehin wieder hinein. Gemeinsam stiegen sie die Treppe hinauf und er wandte sich seinem, wie sollte man den Raum nennen? Seinem Aufenthaltsraum zu. Er war selten darin. Aber er hatte ihn. Na ja.

„Das äh, ist sowas wie mein Wohnzimmer, oder so. Keine Ahnung. Ich bin selten hier drin. Nur, wenn ich mal einen Gammeltag hab und keinen der Anderen sehe, aber auch keinen Bock auf meine Ma hab. Na ja, meistens bin ich unten, wenn ich zu Hause bin. Ist nicht wichtig", erklärte er und registrierte, wie Annas Augen zu leuchten begannen.

Mein Name ist dick und hässlichWhere stories live. Discover now