48 - Kampf

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Denn mindestens einmal die Woche war eine kleine Überraschung auf ihrer Bank in der Klasse gestanden. Die erste war ihr verspätetes Geburtstagsgeschenk gewesen: ein silberner Schlüsselanhänger in Form eines Engels. Dazu hatte er eine Karte gelegt, in die er geschrieben hatte, dass dieser immer auf sie aufpassen würde, damit sie jederzeit sicher und wohlbehütet bei ihm ankomme. Sie hatte bemerkt, dass er ihre Reaktion beobachtete, während sie das kleine Präsent auspackte und die Karte las. Sie hatte sich über diese Aufmerksamkeit mehr gefreut, als über das Sparbuch von ihren Eltern, dass sie bekommen hatte.

Am Tag darauf war er an der Nase operiert worden. Sie hatte bei ihm im Krankenhaus ausgeharrt und ihm, ebenso wie er ihr am Wochenende zuvor, die Zeit vertrieben. Er war am nächsten Tag entlassen, doch eine Woche krankgeschrieben worden. Jeden Nachmittag war sie zu ihm und hatte mit ihm den Schulstoff durchgesprochen und Hausaufgaben mit ihm gemacht. Das war nur ein Vorwand gewesen, damit sie es hatte rechtfertigen können, bei ihm zu sein, wie sie sich gegenüber zugab. Aber er schien es ebenfalls zu genießen.

Als er wieder in der Schule war, lag ein Trieb einer blühenden Klette auf ihrer Bank, mit der Nachricht: „Klein, widerstandsfähig, heilend, Vorbild und wunderschön. Wie du."

Sie wusste heute noch, wie sie diese unscheinbare Blume ungläubig in ihren Händen gehalten hatte und wie sehr sie diese Worte berührt hatten. Als sie einen Blick nach hinten geworfen hatte, hatte sie bemerkt, wie Florian sie direkt angesehen und leicht gelächelt hatte. Und wie ihr Herz ein paar Schläge ausgesetzt hatte, als Erik ihn aufgezogen hatte, ob er keine Rosen bekommen hätte und er geantwortet hatte, dass Kletten seine Lieblingsblumen wären.

Ein paar Tage später hatte ein Kaleidoskop auf ihrer Bank gestanden. Es war selbstgebastelt gewesen und das hatte sie berührt. Sie hatte hindurch gesehen und ein wahrer Regenbogen von Farben hatte sich ihr erschlossen. Dazu kam ein schlichtes Blatt mit der Nachricht, dass man die wahren Farben eines Menschen erst erkenne, wenn man sich traue, genau hinzusehen. Er würde ihre nach wie vor sehen und sie würden heller strahlen, als je zuvor.

Sie hatte sich zusammenreißen müssen, ihm nicht heulend in die Arme zu springen. Stattdessen hatte sie ihm eine SMS geschickt, in der sie ihm geschrieben hatte, dass sie ihn liebe und dass sie nur durch ihn strahle. Sie hatte gesehen, wie seine Augen geleuchtet hatten, als er die Nachricht gelesen hatte. Das war an dem Tag gewesen, nachdem er seinen Nasengips losgeworden war. Seine Nase war jetzt ein ganz kleines bisschen schief und sie fand es hinreißend.

Als Saskia ihn damit aufgezogen hatte, hatte er mit den Schultern gezuckt, zu ihr gesehen und gemeint: „Das ist ok. Denn das bedeutet, dass mein Mädchen heil geblieben ist. Dafür hab ich gerne einen schiefen Zinken."

Wieder hatte ihr Herz wie verrückt geschlagen und sie war mit ihm das letzte Eis der Saison essen gegangen. Sie hatte sich auch eins gekauft. Eine Kugel Vanille. Er hatte gestrahlt, als hätte sie ihm das kostbarste Geschenk der Erde gemacht. Das war die komischen Blicke wert gewesen.

Als ein paar Tage später eine phantastische Zeichnung auf ihrem Tisch lag, war sie erstarrt. Sie hatte nicht gewusst, dass er so malen konnte. Auf dem Bild war eine kleine schwarze Katze gewesen, die sich auf dem Schoß eines kleinen Jungen eingerollt hatte. Darunter hatte er geschrieben, dass der Junge sich immer für das Kätzchen entscheiden würde, wenn er die Wahl zwischen ihm und Rassekatzen hätte. Denn dieses Kätzchen würde sein Leben bereichern. Damit hätte der Junge nicht gerechnet, aber er wäre unsagbar froh, dass es in sein Leben getreten war. Noch am selben Tag hatte sie einen Rahmen besorgt, das Bild über ihre Couch gehängt und ihm ein Foto davon geschickt.

Dazu hatte sie ihm geschrieben: „Das Kätzchen möchte den Jungen auch nicht mehr missen. Denn mit ihm sind die Abenteuer des Lebens nicht nur bestreitbar, sondern erfüllender, als das Kitten sich das hätte vorstellen können."

Mein Name ist dick und hässlichWhere stories live. Discover now