42 - Die Vorträge

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Sie ließ ihn einfach nicht an sich heran. Wenn er ihr folgte, verkroch sie sich auf der Mädchentoilette und nach der Schule war sie auf ihr Rad gesprungen und weggefahren, ehe er auch nur richtig Atem hatte holen können. Das machte ihn kirre. Und heute war ihr Vortrag. Um genau zu sein, betrat Groschke gerade den Raum. Er nickte freundlich in die Runde, ehe er seine Aktentasche auf den Tisch legte.

Dann lenkte er den Blick auf Anna und meinte: „Dann wollen wir mal, oder? Anna, Sie dürfen beginnen. Ladys first, oder Florian?"

Er murmelte eine Bestätigung und sank tiefer in seinen Stuhl, auf den Anna ihn heute aufs Neue verbannt hatte. Denn als sie die Klasse betreten hatte, hatte er wieder vorne gesessen. Er beobachtete, wie sie aufstand und wankte. Hä? Sie war blass heute, noch mehr als gestern. Sie sah überhaupt nicht gut aus. Eher so, als wäre sie krank oder so.

„Ja, dann will ich mal, oder?", sagte Anna und er hörte ein Grunzen.

„Ruhe! Sofort! Solche Kindereien dulde ich nicht!", rief Groschke und Flo sah ihn erstaunt an, genauso wie Anna.

Die brauchte einen Moment, um den Blick vom Lehrer zu lösen, ehe sie sich räusperte und der Lehrer ihr ermutigend zunickte. Er litt mit ihr. Sie hasste sowas. Doch er konnte ihr nicht helfen. Er war gespannt, was sie zum Besten gab. Ein Loblied erwartete er nicht.

Er hörte, wie Anna hüstelte und den Blick auf den Boden richtete, ehe sie berichtete: „Ja, also, wie bekannt ist, hat Florian sich mich als Projektpartnerin ausgesucht. Ich muss zugeben, dass ich alles andere als begeistert war. Was daran lag, dass ich ein komplett anderes Bild von dem Klassenstar Florian Gruber hatte, als es sich letztlich ergeben hat. Ich dachte, er wäre ein Poser, ein Aufschneider, der immer einen blöden Spruch auf den Lippen hat und ‚easy going' durchs Leben geht, dem alles in den Schoß fällt. Doch ich hab mich getäuscht. So viel zu mir. Jetzt zu meinen Beobachtungen: Schon am ersten Nachmittag kam mir der Verdacht, dass ich falschlag. Mit meinen Vermutungen. Denn vor mir stand ein junger Mann, der nervös auf seinen Fußballen auf und ab wippte."

Fassungslos hörte er, wie sie erklärte: „Offenbar überfordert, von seiner eigenen Courage, das Projekt mit einer ihm fremden Person, zu solch einem Thema zu erarbeiten. Aber er blieb dran. Er stellte unwahrscheinlich viele Fragen. Das war echt lästig, muss ich zugeben. Aber es hat mir gezeigt, dass Florian an seinem Gegenüber ehrlich interessiert zu sein schien. Er beschloss, dass er fortan mein Schatten sei und mir überallhin folgen würde, bis auf Klo und Dusche, wie er mir eröffnete. Andersherum sollte ich es im wochenweisen Wechsel ebenso machen. Die erste Woche war ich dran und wie gesagt, er war lästig neugierig. Aber ok. In der Woche darauf durfte ich in sein Leben eintauchen und stellte fest, dass der junge Mann, dessen Schatten ich zu diesem Zeitpunkt war, gar nicht oberflächlich war, sondern eher mitfühlend und tiefsinnig. Was vielleicht an seiner familiären Situation liegt, denn Florian..."

Er starrte sie mit großen Augen an. Kein einziges negatives Wort verließ ihren Mund. Stattdessen zählte sie mit neutraler Stimme ihre Beobachtungen und Erkenntnisse auf. Es war kein Loblied, das nicht. Aber sie erörterte ruhig, wie er sie von ihren Vorbehalten geheilt hatte. Wie sie ihn sah. Er spürte den verdatterten Blick von Saskia, die offenbar was anderes erwartet hatte und von Erik, der Anna anstarrte, als täte sie etwas Unglaubliches. Und das stimmte ja auch.

„In Florians Wohnzimmer hängt über dem Kicker, auf dem er mit seinem Vater Matches ausgetragen hatte und dann auch mit mir, ein Poster von Manuel Neuer. Ich dachte, klar, schließlich ist der ein sehr erfolgreicher Fußballstar, deswegen ist der sein Idol. Doch seine Erklärung überraschte mich, denn er eröffnete mir, dass er ihn bewundere, weil er trotz seiner Erfolge so wirkte, als sei er bodenständig geblieben. Und das ist es, was ich über Florian gelernt habe: Er ist kein Poser, kein Aufschneider und er ist nicht nur der, zu dem die Jungs in der Klasse aufsehen und den die Mädchen haben wollen. Er ist mehr. Denn er ist bodenständig, mitfühlend und freundlich. Und damit, kommt er seinem Idol ziemlich nah. Mehr hab ich nicht", endete Anna ihren Vortrag und Groschke lächelte leicht.

Mein Name ist dick und hässlichOn viuen les histories. Descobreix ara