Mein Name ist dick und hässlich

13 - Überraschung

„Wo fahren wir hin, Florian?", fragte sie lächelnd und er warf ihr einen Seitenblick zu, während er den Wagen seiner Mutter durch den Verkehr von Regensburg manövrierte.

„Lass dich überraschen, Anna", lautete sein Urteil und sie stöhnte innerlich.

Überraschungen waren jetzt nicht so ihr Ding. Meistens waren es böse, die sie erwarteten. Außerdem war es auch schon fast zehn Uhr abends. Die Luft hatte nicht wesentlich abgekühlt und sie wollte im Prinzip nur noch nach Hause. Um dort endlich kalt zu duschen. Sie brauchte eine Erfrischung. Und wieder einen klaren Kopf. Aber Florians Augen blitzten vor Vorfreude und da hatte sie nicht nein sagen können. Außerdem war morgen Samstag, was hieß, sie konnte es sich leisten, länger von zu Hause wegzubleiben. Abendessen hatte es, wie schon in den Tagen zuvor, bei ihm zu Hause gegeben. Danach hatten sie Hausaufgaben gemacht und normalerweise ging sie dann heim. Also fuhr. Mit dem Fahrrad. Aber diesmal hatte Florian sie gebeten, nochmal mit ihm ins Auto zu steigen, er wolle noch wohin. Wohin hatte er ihr nicht verraten und scheinbar blieb er weiter standhaft.

Sie seufzte automatisch und er warf ihr einen besorgten Blick zu. Immer wieder diese Besorgnis in seinen Augen. Das rührte sie. Hatte sie so schon lange nicht mehr erlebt. Er fuhr Richtung Landkreis. Hä? Wieso fuhren sie aus der Stadt raus? Er fuhr gut Auto. Sicher, für die Tatsache, dass er den Führerschein erst seit maximal knapp einem Jahr hatte. Sie hatte ihren auch schon. Sie konnte es kaum erwarten, bis sie selbst einen Wagen lenken durfte. Aber sie hatte niemanden angeben können, der sie begleitet und eine Fahrlizenz hätte. Deswegen musste sie noch warten. Sie mochte es, Auto zu fahren. Über die Landstraße oder die Autobahn zu heizen. Da fühlte sie sich frei. Nicht mehr lange, dachte sie und sah, wie Florian die Hauptstraße verließ. Hier kannte sie sich gar nicht aus, wo fuhren sie hin? Dann sah sie das Wasser im Zwielicht der beginnenden Nacht glitzern und ihr Kopf fuhr zu ihm herum. Flo hatte ihre Reaktion wohl beobachtet, denn ein sachtes Lächeln zuckte um seine Mundwinkel.

„Du sollst auch zu deinem Wasserspaß kommen, hab ich mir gedacht und hier sind keine Gaffer. Ist ein Geheimtipp", erklärte er nur und parkte den Wagen.

Sie konnte ihn nur mit geöffnetem Mund anstarren. Das war sowas von lieb. Sie kämpfte mit sich, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bekommen, denn mit so einer Aufmerksamkeit hatte sie nicht gerechnet. Nicht, dass Florian nicht generell sehr aufmerksam wäre. Aber das? Sie war sprachlos.

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Er sah, wie Tränen in ihre Augen stiegen, aber sie schluckte sie hinunter. Diese schlichte Geste schien sie wirklich zu rühren und zu freuen. Das war bescheuert. Wie gingen die Menschen mit ihr um, dass sie sowas fast zu Tränen rührte? Er war doch nur mit ihr an den See gefahren? Der bei den Einheimischen fast in Vergessenheit geraten war. Doch er, Erik und der Rest der Clique waren öfter hier, um Partys zu feiern. Heute allerdings nicht. Heute stieg die Party woanders und zum ersten Mal hatte er nicht das Bedürfnis, sich dort zu zeigen.

Im Grunde war das ohnehin nichts anderes, als ein Besäufnis. Da konnte er getrost drauf verzichten, zumal er nicht so viel mit Alkohol anfangen konnte. Dieser Ausdruck in Annas Augen bedeutete so viel mehr. War Lohn für eine Nichtigkeit, die nicht nötig sein sollte. Aber ihr bedeutete es etwas, das spürte er.

Auch wenn sie nichts sagte. Sie stieg nur stumm aus dem Auto und nachdem er die Decke aus dem Kofferraum geholt hatte, schnappte sie sich die Tasche, in der sie ihr Badezeug verstaut hatte, und folgte ihm. Er führte sie an eine Ecke des Sees, an der sie ungestört sein würden, selbst wenn doch ein paar Jugendliche auftauchen würden. Hierher war er immer mit seinem Vater gekommen, erinnerte er sich und breitete die Decke aus.

„So, jetzt kannst du auch ein bisschen planschen, ohne dich verstecken zu müssen. Was du ohnehin nicht musst, davon abgesehen", stellte er fest und fragte sich, warum seine Stimme so belegt klang.