50 - Beichte

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Er wachte auf und wollte die Arme um Anna schlingen, doch stattdessen umarmte er seine Decke. Ungläubig schlug er die Augen auf und bemerkte, dass das Bett neben ihm leer war. Wo war sie? Es war kein Traum gewesen, oder? Sie war hier und sie hatten miteinander geschlafen, oder? Ja. Er nahm ihren Geruch in der Decke neben sich wahr und ihrer beider Mixtur in der Luft. Seine Gedanken wanderten zurück zu dem, was sie miteinander geteilt hatten. Es war einmalig gewesen. Intensiver, als er es je erlebt hatte. Das dachte er immer, wenn sie miteinander schliefen. Aber dieses Mal war irgendwas anders gewesen.

Diesmal hatte sie ihm ausnahmslos alles gegeben. Instinktiv hatte er gespürt, dass sie nichts mehr zurückgehalten hatte. Sie hatte sich ihm geöffnet, wie noch nie. Sie hatte ihm nichts vorenthalten, hatte sich den Empfindungen und ihm rückhaltlos hingegeben. Wieder wurde er von Ehrfurcht geflutet und erneut fragte er sich, wieso. Er hatte nicht mal geahnt, dass es so gewesen war, bevor sie dem heute widersprochen hatte. Aber wo war sie dann jetzt? Er stand auf, schlüpfte in Klamotten, für den Fall, dass seine Ma nun daheim war, und ging auf die Suche.

Das Haus war dunkel. Nur der Vollmond, der durch die Fenster schien, spendete Licht. Er registrierte, dass die Tür zu seinem Badezimmer nur angelehnt war. Demnach war sie da nicht drin. Seine Augen fielen auf die Taschen, die jetzt neben der Schlafzimmertür standen und dachte, dass sie diese geholt haben musste. Sie würde sich nicht unten aufhalten, denn obwohl sie sich hier heimisch fühlte, war sie nie lange allein unten gewesen. Blieb nur sein Wohnzimmer. Er betrat es und runzelte die Stirn. Auch da war sie nicht. Wo war sie? Dann fiel ihm auf, dass der Griff der Balkontüre ihren Aufenthaltsort verriet.

Es war doch scheißekalt, dachte er und schnappte sich die Wohndecke, die seine Mutter auf die Couch gelegt hatte und die er immer geflissentlich ignoriert hatte. Bevor er mit Anna dort ab und an gekuschelt hatte. Diese Seite an ihm hatte ihn tatsächlich am Meisten überrascht. Er hatte nicht gewusst, dass er sie hatte. Aber er war ein Kuschler. Er liebte es, sie schlicht im Arm zu halten und durch ihre Locken zu streicheln, während sie den Kopf an seiner Schulter oder seiner Brust barg und ihr Atem über seine Haut strich.

Als er auf die Tür zuging, fiel sein Blick auf seine Aquarellstifte und seinen Malblock, die im Halbdunkel auf dem Sideboard standen. Die Utensilien hatte er für das Bild für Anna hervorgekramt. Das erste Mal seit dem Tod seines Papas hatte er das Bedürfnis gehabt, zu malen. Das hatte er vorher immer gerne gemacht. Das war sein Ausgleich zu Freunden, Sport und Schule gewesen. Nach dem Ableben seines Vaters hatte er keinen Stift mehr in die Hand nehmen können.

Doch das Bild, das er ihr gezeichnet hatte, das war in dem Moment vor seinen Augen entstanden, als er die Geschichte von Anna gelesen hatte. Sie hatte gar keine Ahnung davon, dass sie damit einen vergessenen Traum wachgerüttelt hatte. Denn bevor sein Vater gestorben war, hatte er Illustrator werden wollen. Er hatte Geschichten bebildern wollen, indem er sein Zeichentalent nutzte. Doch mit dem Tod seines Dads war ihm jegliche Kreativität abhandengekommen.

Aber Anna hatte sie mit ihrer rührenden Erzählung über das Katzen-Jungen-Gespann zum Leben erweckt. Er hoffte, er konnte sie dazu bewegen, mit ihm nach dem Abi nach Stuttgart zu ziehen. Denn dort würde er, wenn er angenommen wurde, an der Hochschule für Gestaltung und Kommunikation Illustration studieren. Er seufzte. Träume und Zukunft. Ein schwieriges Thema für Anna. Aber er hoffte sehr, dass sie sich dazu durchringen konnte. Er wollte sie. Aber er wollte auch seinen Traum nicht nochmal aufgeben. Aber egal wie, sie würden einen Weg finden.

Er öffnete die Balkontür und fand sie mit angezogenen Beinen auf einem der Stühle sitzend auf. Sie starrte still den Vollmond an und sog an einer Zigarette. Wie schön sie war. Und wie nachdenklich, dachte er und räusperte sich, um sie nicht zu erschrecken.

Sie zuckte kurz zusammen, aber ihr Blick flog zu ihm, ehe sie sagte: „Hab ich dich doch geweckt?"

„So ungefähr. Plötzlich war das Bett neben mir leer. Worüber denkst du nach, Anna?", fragte er leise und zog sie auf die Beine.

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