31 - Gefühlschaos

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Florian schaute in sein Zimmer und das war leer. Er lauschte. Totenstille. Der Balkon? Oder das Bad? Er war ja kurz nach unten gegangen und hatte mit seiner Mutter gesprochen, um Anna eine Freude zu machen. Seine Ma hatte ihn sofort durchschaut und gegrinst. Dann hatte sie ihn in den Arm genommen und ihm einen Kuss auf die Wange gedrückt. Typisch.

Er lauschte an der Tür des Bades und zuckte mit den Schultern. Definitiv Balkon, dachte er und trat hinaus. Anna hatte den Kopf in ihre Hände gestützt und ihre komplette Körpersprache verriet, dass sie unter Anspannung stand. Oh je, das Gespräch war offenbar nicht gut gelaufen, dachte er und ging vor in ihr die Hocke, um sie in seine Arme zu ziehen.

Aber sie wich zurück, ohne die Hände vom Gesicht zu nehmen, und meinte: „Nicht, Ace. Sonst explodier ich oder so. Nicht anfassen. Bitte. Ich hab gerade solche Wut in mir, dass ich am liebsten irgendwas kurz und klein schlagen würde, also fass mich lieber nicht an. Sprich mich gar nicht an. Ignorier mich."

„Ignorieren ist nicht drin, Anna. Was ist los? Was hat deine Ma gesagt?", wollte er wissen und sie nahm die Hände vom Gesicht und sah ihn mit vor Zorn blitzenden Augen an.

„Oh, nichts besonderes. Das Übliche. Sie hat meine Erwartungen getroffen. Auf den Punkt. Wieso ich mich nicht zusammenreißen kann. Wieso ich ihn überhaupt anschreie. Es wäre so schwer, immer zwischen den Stühlen zu sitzen. Ob ich das denn nicht verstehe. Warum ich mich nicht einfach mit ihm vertragen kann. Wieso ich immer ein Drama veranstalte. Soll ich weiter machen? Ach ja, er hatte vollkommen Recht, dass er mir gesagt hätte, ich solle gehen. Wie hätte der arme Hartmut denn sonst reagieren sollen? Schließlich stand er der bitterbösen, gehässigen, nichtsnutzigen Anna gegenüber. Warum die geschrien hat, wurde nicht gefragt. Er hat ihr nicht mal mitgeteilt, was die Anna geschrien hat, denn da hätte man sich vielleicht selbst belasten können, oder?", fauchte sie und er schluckte.

Doch Anna zischte weiter: „Da wundert man sich, warum ich ihr nichts von den Vorkommnissen erzählt hab. Vielleicht, weil es anscheinend einen feuchten Kehricht interessiert. Sie hat ja die vorgefertigte Meinung ihres perfekten Göttergatten. Was zählen da die Worte ihrer eigenen Tochter? Offenbar nichts, da sie nicht gefragt hat, was wirklich los ist. Ist ja nicht wichtig. Denn ich musste ja nur meine pubertären Hormonschübe abarbeiten, oder? Aber hey, gibt ja auch eine gute Nachricht: Wenn ich mich ganz artig entschuldige, dann darf ich sogar nach Hause. Ist das nicht toll? Das macht mich richtig irre vor Glück!"

Er musste sie ansehen, als wäre ihr ein zweiter Kopf gewachsen, denn das konnte unmöglich die Wahrheit sein. Ihre Mutter gab nicht nur ihr die Schuld an dem Streit und ihrem Rauswurf, der Scheißkerl forderte eine Entschuldigung? Er an ihrer Stelle würde ihm ins Gesicht springen und ihm den Vogel zeigen. Doch er war nicht Anna. Sie würde sich dem fügen. Schon allein wegen Alina. Egal, wie sauer sie gerade war, sie würde nachgeben.

„Und das heißt, du kriechst zu Kreuze, Anna?", fragte er sicherheitshalber und sie blieb stehen, da sie mittlerweile hin und her tigerte.

Ihre Schultern sackten nach vorne und plötzlich wirkte sie nicht mehr wütend. Nur müde und traurig. Was noch schlimmer war. Sah ihre Mutter denn nicht, was Anna alles erduldete, um Alina und ihr den Rücken zu stärken? Dass sie wieder im Begriff war, stillzuhalten und zu schlucken? Das konnte doch nicht gutgehen. Nicht mehr lange. Das sah er ihr an, denn jetzt schwammen urplötzlich Tränen in ihren Augen, die sie erbittert zurück kämpfte.

‚Wie oft sie diesen Kampf wohl austrägt?', fragte er sich und hörte, wie sie krächzte: „Ja. Natürlich. Was soll ich denn sonst tun? Denkst du, sie würde mir glauben? Dieses Vertrauen hab ich schon vor langer Zeit verloren, Ace. Aber ist ok. Ich mach das schon. Meine Selbstvorwürfe helfen ja auch nicht. Die Situation ist, wie sie ist, damit muss ich mich abfinden..."

Mein Name ist dick und hässlichWhere stories live. Discover now