44 - Schock

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Sie sah die Panik in seinem Gesicht und bemerkte, wie er in Tränen ausbrach. Sie konnte nicht mehr. Ihr Herz klopfte gegen die Rippen, als gäbe es kein Morgen und ihr war die Brust eng, so dass sie kaum atmen konnte. Hitze- und Kältewellen rollten abwechselnd über sie hinweg und sie sah Florians Gesicht mittlerweile doppelt und so verschwommen, dass nur das Blau des Hämatoms unter seinen Augen ihr verriet, wohin sie sehen musste.

Sie würde sterben, dachte sie und merkte, wie sich ihre Gedanken dagegen aufbäumten. Sie wollte nicht sterben. Sie wollte das wieder hinbekommen. Ihr Leben. Sie wollte leben. Es war ihr egal, wenn sie immer noch zehn Kilo zu viel auf den Rippen hatte, solange sie leben durfte. Sie zwang sich, ruhiger zu atmen, die Luft zu kontrollieren, die sie bewusst in den Bauchraum einströmen ließ. Immer wieder. Aber es war schwer. Schon die Augen offenzuhalten, war plötzlich unerträglich schwer.

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„Nein, Anna. Du machst jetzt nicht die Augen zu, hast du mich verstanden? Komm, schau mich an. Schau mich mit deinen wunderschönen Augen an und bleib bei mir, ok? Jede Sekunde ist jemand da, der weiß, was zu tun ist, ok? So ist es gut, Anna", flüsterte er weiter und streichelte ihr immer noch über die feuchten Locken.

Sie durfte nicht draufgehen. Das würde er nicht überleben. Sie war doch die Frau seiner Träume. Die, mit der er das volle Programm wollte. Im Augenwinkel sah er, wie die Lehrer versuchten, die Schüler zurück in die Klassen zu bringen und dann, wie die Sanitäter auf ihn zustürmten. Pure Erleichterung erfasste ihn, als sie neben ihm in die Knie gingen und anfingen, Fragen zu stellen, während sie die Routineuntersuchungen vornahmen.

Er schluckte, als er hörte: „Puls 180, Blutdruck 190 zu 140, wir müssen das sofort in den Griff bekommen. Wie lange ist das schon so, Anna?"

Die sah ihn ängstlich an und zuckte mit den Schultern, also antwortete er an ihrer Stelle: „Circa 15 bis 20 Minuten."

„Ok. Anna? Wir legen dir jetzt einen Zugang mit Kochsalzlösung und einem Medikament, das den Blutdruck reguliert, ok? Hast du Kopfschmerzen? Ist dir übel? Sonst was?", fragte der Sani weiter und Anna nickte nur.

Dann hauchte sie: „Luft. Ich bekomme keine Luft. Und ich seh doppelt und verschwommen. Mir ist heiß und kalt und mein Kopf ... er platzt gleich."

„Das meiste regelt sich, wenn wir den Blutdruck in den Griff bekommen. Dann bekommst du auch leichter Luft, weil der Druck auf deine Brust nachlässt. Hast du Drogen genommen?", erkundigte sich der Rettungssanitäter und sie schüttelte den Kopf.

„Sie hat das hier genommen. Fatburner", schaltete sich jetzt Groschke ein und der Sani runzelte kurz die Stirn, ehe er nickte.

„Dann geben wir dir noch ein leichtes Beruhigungsmittel, das dir hilft, nicht mehr so panisch zu sein, ja? Dann wird das mit der Luft besser, Anna, oder hast du andere Medikamente genommen? Schmerzmittel?", wollte er wissen und Anna schüttelte den Kopf.

In der Zwischenzeit hatte der Kollege schon den Zugang gelegt und die Infusion angehängt. Sie war nicht mehr ganz so rot im Gesicht. Das war gut, oder? Sie würde es schaffen?

„Blutdruck sinkt, liegt jetzt bei 160 zu 100, Puls ebenfalls absteigend, jetzt bei 150 Schlägen. Das wird schon, Anna. Wir nehmen dich aber mit, ok?", erklärte der Sanitäter und Florian hätte die Welt umarmen können.

„Wird es besser mit der Atmung? Merkst du eine allgemeine Erleichterung von den Symptomen?", fragte der Sani und Anna nickte.

Jetzt sah sie müde aus und sein Kopf ruckte hoch, als Groschke sagte: „Ihre Mutter ist nicht erreichbar. Wir probieren es weiter. In welches Krankenhaus wird sie gebracht, damit wir sie dorthin schicken können?"

Mein Name ist dick und hässlichWhere stories live. Discover now