9 - Erklärungen

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Er zündete sich die Kippe an und sog den Qualm ein, als er hörte: „Du rauchst ja tatsächlich. Hab gedacht, du flunkerst, damit ich mich nicht so beschissen deswegen fühle."

Er wandte sein Gesicht Anna zu, die jetzt in ihren neuen Klamotten und wahrscheinlich nach Vanille duftend in der Balkontür stand. Wieso zum Teufel setzte sein beklopptes Herz jetzt einen Schlag aus? Er war total drüber!

„Ja, äh, nein. Das war die Wahrheit. Ich dreh nur selbst und das trag ich nicht mit mir rum, sonst würde ich mehr qualmen. Magst du auch eine?", fragte er und Anna nickte und hockte sich neben ihn.

Sie roch wirklich nach Vanille, stellte er fest und reichte ihr das Drehzeug, ehe ihm was einfiel: „Äh, kannst du das? Viele Mädchen können das nicht. Dann dreh ich dir eine..."

„Ich bin nicht viele Mädchen...", erklärte sie gelassen und er beobachtete, wie sie sich einwandfrei eine Zigarette drehte.

„Sieht fachmännisch aus. Hast du da schon mal was anderes hineingemischt als Tabak?", neckte er sie und ihr Blick flog zu ihm.

„Hm. Ja. Eine Zeitlang waren da noch andere Dinge außer Tabak drin. Eigentlich drehe ich auch. Ist billiger. Nur na ja. Das letzte Mal hat mir meine Mutter eine normale Schachtel Zigaretten mitgebracht. Die raucht ja auch. Wie Hartmut. Aber deswegen versorgt sie mich mit Tabak, bis ich selbst welchen kaufen kann. Was ja eigentlich nicht nötig wäre, denn ich will ja nicht mehr rauchen. Egal", erklärte sie und er starrte sie an.

In dem Mädchen steckte so viel und er kratzte offenbar nur an der Oberfläche. Sie weckte in ihm den Wunsch, immer mehr zu erfahren. Er sah, wie sie das Paper der Kippe anleckte und zu einer Rolle formte.

„Ich hätte dich nie für eine Kifferin gehalten", rutschte ihm heraus und sie zuckte mit den Schultern.

„Ist lange her. Und so wirklich Kifferin war ich nicht. Also nicht lange. Hast du mal gekifft? Wir sollten ja eigentlich über dich reden, oder?", erkundigte sie sich und zündete sich die Zigarette an, nachdem er ihr das Feuerzeug gereicht hatte.

„Hm, ja, hab ich. Nach dem Tod meines Vaters. Da wollte ich nur raus aus der Realität. Nur, die läuft einem ja nach. Nicht wichtig. Irgendwann musste ich mich entscheiden. Sport oder Drogen. Na ja. Ich hab mich für Sport entschieden. Aber ab und an rauche ich noch. Tabak. Mehr nicht. Wieso hast du aufgehört, zu kiffen?", fragte er und verdrehte innerlich die Augen.

‚Wieso erzählst du ihr sowas?', dachte er und hörte, wie Anna seufzte, ehe sie antwortete: „Weil mir das Kiffen zu viel Spaß gemacht hat. Die Traumwelt war um so viel besser als die Realität. Das hat mich dann doch abgeschreckt und außerdem macht man echt beschissene dumme Dinge, wenn man bekifft ist..."

„Zum Beispiel?", erkundigte er sich, ehe er sich bremsen konnte und riss erstaunt die Augen auf, als sie antwortete.

„Zum Beispiel auf einer Party mit einem Typen ins Bett springen, dessen Namen man am nächsten Tag nicht mehr kennt. Seitdem kiffe ich nicht mehr und geh auch nicht mehr auf Partys. Davon abgesehen, dass ich eh nicht eingeladen werde. Oh."

Er starrte sie mit geöffnetem Mund an. Sie hatte geantwortet, ohne nachzudenken, das war ihm durchaus bewusst. Aber mit einer so unverblümten Wahrheit hätte er nicht gerechnet. Auch sie war aus dem Konzept geraten, das merkte er ihr an. Sie war rotgeworden und konnte ihn noch weniger ansehen. Aber er begann eines zu verstehen: Wenn er ihr etwas offenbarte, machte sie es automatisch genauso.

„Das erzählst du jetzt hoffentlich nicht in deinem Vortrag", murmelte sie beschämt und er schüttelte hastig mit dem Kopf.

„Nein. Ich denke, Sex, Drugs und Rock 'n' Roll lassen wir außen vor...", scherzte er und wurde ernst.

Mein Name ist dick und hässlichWhere stories live. Discover now