38 - Nervosität

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Als Anna schlief, schlüpfte Florian behutsam aus dem Bett und ging auf den Balkon. Die letzten 24 Stunden waren wieder mehr als ereignisreich gewesen, dachte er und zündete sich eine Kippe an. Er musste das Problem Saskia lösen. Zwingend.

Er schrieb Erik an, ob er zufällig wisse, wo Saskia morgen um die Zeit von Annas Zahnarzttermin zu finden sei, und der antwortete ihm, dass sie in der Arbeit sein würde, soweit er informiert war. Das war gut, dachte Florian. Dann würde er ihr da einen Besuch abstatten und mit ihr reden. Er hatte seine Mutter gefragt, ob sie eine Möglichkeit sah, dass er morgen das Auto bekommen könne, und sie hatte sofort zugestimmt. Sie würde mit einer Kollegin mitfahren, hatte sie ihm gesagt. Aber er musste sich da eine Lösung einfallen lassen. Er konnte seiner Ma nicht immer das Auto abluchsen.

Nur war er morgen nochmal darauf angewiesen, denn nur so konnte er seiner Ex einen Besuch abstatten, während Anna ihren Termin hatte, so dass seine Freundin nichts davon mitbekam. Das mit der blöden Wette belastete ihn. Eigentlich nicht die Wette, denn durch diese hatte er sie erst kennen- und liebengelernt. Sondern die Tatsache, dass er sie deswegen belogen hatte. Das machte ihm zu schaffen. Wenn er daran dachte, wie Anna reagieren würde, falls sie davon wüsste, wurde ihm sofort übel.

Genauso übel wie heute Mittag, als er den Streit bei ihr zu Hause mitbekommen hatte. Aber er war nicht so nervenstark wie sonst. Der Schlafmangel. Wobei er den gerne weiter hätte. Die Nacht zuvor war wunderschön gewesen. Von einer Intensität, die er noch nie erlebt hatte. So nah hatte er sich einem Mädchen noch nie gefühlt. Was auch Anna so empfunden hatte, denn einmal war sie so tief erschüttert gewesen, dass sie in seinen Armen geweint hatte, weil die Stärke ihrer Gefühle sie schlicht ausgeknockt hatten. Er hatte sie gehalten und erkannt, dass es ihm ebenso ging. Anna war etwas Besonderes. Ganz anders, als er es je erlebt hatte. Er war eigentlich nicht unbedingt ein Romantiker. Er hatte Träume, wie jeder andere in seinem Alter.

Aber bei Anna träumte er von einer Zukunft. Mit dem vollen Programm. Obwohl er sich bis gestern nicht mal sicher gewesen war, dass das übliche Trara von Hochzeit und Kinder was für ihn war. Doch gestern Nacht hatte er erkannt, dass dem so war. Mit Anna. Natürlich nicht jetzt gleich, dafür hatten sie noch Zeit. Aber er war sich mittlerweile sicher, dass sie die Frau war, mit der er sein Leben teilen wollte. Denn sie berührte ihn auf eine Art und Weise, wie noch keine zuvor. Er konnte sich ihr öffnen wie keinem anderem. Sie gab ihm so viel und erwartete so wenig. Das machte ihn betroffen. Aber er hatte sich zum Ziel gemacht, ihr die Welt zu Füßen zu legen. Denn nichts anderes hatte sie verdient.

Auch das würde dauern, bis er das konnte. Aber er konnte ja daran arbeiten. Rom war auch nicht an einem Tag erbaut worden, sagte er sich und stand seufzend auf. Jetzt würde er morgen erst mal das Ding mit Saskia bereinigen. Er ging nach drinnen und sah, dass Anna tief und fest schlief. Er würde gleich wieder zu ihr unter die Decke schlüpfen, beschloss er und ging noch schnell ins Bad, um sich bettfertig zu machen.

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Am nächsten Tag war er scheißnervös. Anna ebenfalls, wobei es bei ihr eher am Zahnarztbesuch lag, wie sie ihm gestand. Sie hasste es, da auf dem Stuhl zu sitzen und sich so ausgeliefert zu fühlen. War ziemlich logisch, wenn man wusste, wie Anna tickte. Kontrolle abzugeben, war schwer für sie, wenn es sie selbst betraf. Doch er dachte an das geplante Zusammentreffen mit seiner Ex. Er hoffte, dass alles glatt lief.

Als er vor der Bestellsäule stand, hörte er Saskias Stimme und er musste sich räuspern, ehe er sagte, er wolle nur ein Wasser. Nicht mal er hatte heute Hunger, was Anna aufgefallen war. Sie hatte die Stirn gerunzelt und ihn verwirrt angesehen, als sie beim Frühstück gesessen hatten. Anna. Für sie musste er das ein für alle Mal klären. Scheiße, war ihm übel, dachte er, als er zum Ausgabefenster fuhr.

Mein Name ist dick und hässlichWhere stories live. Discover now