46 - Beschlüsse

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„Während deines Railroad-Trips?", mutmaßte er und sie nickte nur.

Er setzte sich wieder auf den Stuhl und seufzte, ehe er sagte: „Darüber wollte ich auch mit dir reden. Aber zuerst beantworte ich dir deine Fragen. Warum ich dir doch von der Wette erzählt hab, ist kurz erklärt: An dem Tag, an dem du dich von mir getrennt hast, war ich während deines Zahnarzttermines bei Saskia in der Arbeit. Ich habe sie gebeten, den Mund zu halten, und sie hat mich quasi ausgelacht. Sie hat gesagt, sie würde es dir sagen und dir dabei vermitteln, dass auch meine Gefühle für dich nichts anderes als eine Lüge wären. Das wollte ich nicht. Also musste ich es dir beichten."

Er sah, dass sie etwas dazu sagen wollte, bedeutete ihr aber, dass er noch nicht fertig war und fügte an: „Hätte ich von Anfang an tun sollen, das ist mir heute klar, aber na ja. Ich bin nicht unfehlbar. Warum ich es nicht schon vorher getan hab, obwohl es mehrere Gelegenheiten gab, ist auch klar. Ich wollte dich nicht verletzen, was mir grandios geglückt ist. Weil mein Schweigen es schlimmer gemacht hat, aber das kann ich nicht mehr ändern. Tatsache ist, Anna, dass ich dich einmal belogen hab, und das war am Anfang, als ich sagte, ich hätte nur deinen Intellekt anzapfen wollen. Der Rest ist und war wahr."

„Und warum ist euch dann erst nach fast einer Woche aufgefallen, dass ich weg bin? Wenn du mich so sehr liebst, wie du behauptest, wieso hast du nicht versucht, mich umzustimmen?", erkundigte sie sich jetzt und er sah, dass sie wieder mit den Tränen kämpfte.

‚Sie zweifelt also immer noch', dachte er und seufzte: „Ich bin in Schockstarre verfallen, Anna. Ich bin nicht stolz drauf, ok? Aber nicht nur du vergräbst dich, wenn etwas Schlimmes passiert. Ich habe versucht, dich zu bewegen, mir zuzuhören, aber du bist trotzdem gegangen. Ich dachte, ich hätte dich genauso verloren wie meinen Dad, ok? Ich bin in mein Bett gekrochen und hab die restliche Woche stumpfsinnig an die Decke gestarrt und geheult. Bis meine Ma genug hatte und mir fast den Hintern aufriss, ich solle mich nicht in Selbstmitleid baden und gefälligst um dich kämpfen. Auf die Idee hätte ich auch kommen können. Aber ich war zu geschockt. Scheiße, du hast mich nicht mal mehr ansehen können."

Er merkte, dass sich weiterhin seine Brust zuzog, während er erklärte: „Und wenn, hab ich so deutlich gesehen, dass ich dich so verletzt habe wie damals Anton. Aber ich bin sofort zu dir in die Arbeit, die mir mitteilten, du seist gekündigt und dann bin ich zu dir nach Hause, wo Alina und ich feststellten, dass du abgehauen bist. Sie dachte, du wärst bei mir und ich dachte, du wärst zu Hause. Ab da hab ich dir täglich ein paar Nachrichten hinterlassen, weil dein Handy aus war. Ich bin fast an die Decke gegangen, ok? Ich wollte schon die Polizei einschalten, doch die hätten nichts unternommen. Trotzdem: Wärst du bis heute nicht aufgetaucht, hätte ich sie informiert. Aber wir haben uns alle Sorgen um dich gemacht, ok?"

Sie starrte ihn mit großen Augen an, ehe sie ihn schockte, als sie murmelte: „Alle ist wohl übertrieben. Von meiner Mama war keine einzige Nachricht da. Aber egal. Sie hat mir ja per SMS zum Geburtstag gratuliert, genauso wie mein Dad. Das muss ja reichen. Egal. War ohnehin beschäftigt."

„Mit trinken?", entfuhr es ihm und ihr Blick flog zu ihm.

„Nein, das hatte ich schon hinter mir. Eher mit im Krankenhaus liegen, beknackte Fragen beantworten und unter Beobachtung den Rausch ausschlafen, während Infusionen in mich gepumpt wurden. Ich hatte knapp eineinhalb Promille. Persönlicher Rekord. Muss ich nicht wiederholen", ätzte sie jetzt und er schluckte.

„Und wieso hast du dann so viel getrunken?", fragte er heiser und sie schnaubte.

„Vielleicht weil ich schon betrunken gewesen war und als ich die Bar verließ, in die ich mich verkrümelt hatte, die Kirchenuhr Mitternacht geschlagen hat. Und mir klar wurde, dass ich mutterseelenallein bin. Kein Mensch interessiert sich wirklich, ok? Das dachte ich. Ich saß da, hatte Herzrasen, während mir kotzübel war, und hab geflennt, weil ich eigentlich den Tag mit dir hatte verbringen wollen. Stattdessen hockte ich in Rothenburg ob der Tauber, allein. Weil ich zu Anton gewollt hatte, um ihm zu sagen, dass er ein Arschloch ist und ach ist doch egal", murmelte sie und er schüttelte den Kopf.

Mein Name ist dick und hässlichWhere stories live. Discover now