Kapitel 96

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Silver pov.

,,Das Blatt wendet sich, Silverchen. Du bist nun ein Jäger, koste es aus!" Ich hätte ihn schon ab der Stelle unterbrechen müssen, bevor er mir mein Tageslichtring vom Finger zog und mich in Richtung des Waldanfangs schupste. Elena hatte meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, als ich sie mir zurufend im Wald verschwinden sah. Sofort war mir klar wen ich jagen sollte und war rein gar nicht einverstanden mit dieser verkorksten Idee. Was, wenn ich ihr wehtat? Das konnte ich nicht, niemals! Doch genau dieser Gedanke half mir meiner vampirischen, triebgesteuerten Seite zu trotze, so Damon. Und der Satz: ,,Ich werde die ganze Zeit da sein und im Ernstfall eingreifen!", überredete mich schlussendlich endgültig mich dieser absurden und gewagten Aufgabe zu stellen. Jetzt bereute ich es mit aller Überzeugung! Von Schatten zu Schatten zu springen, dabei voran zu kommen und nicht beim lebendigen Leibe verkokelt zu werden, empfand ich als eine Sache der Unmöglichkeit. Frustriert biss ich die Zähne aufeinander, sah wie Elena hinterdem nächsten Baum verschwand. Meine Sinne waren bis zum höchsten geschärft, mein vampirisches Ich drängte sich an die Oberfläche und trieb mich dazu diesen kleinen Menschen zu zerfetzen, wenn ich ihn fing. Ich schlug mir gegen denKopf, brummend schrie er Proteste aus. Nein! Das ist Elena, sie ist ein unschuldiges Mädchen, das sich mir tapfer als Versuchskaninchen hingab, sie war eine Freundin. Ich. Werde. Ihr. Nichts. Tun. Damit atmete ich gestresst aus und überwand mich voran zu treten. Stück für Stück schlängelte ich mich immer schneller werdend von einer schwarzen Stelle zur Nächsten. Und auf einmal packte mich eine unglaubliche Leichtigkeit, Entschlossenheit prangte in voller Größein meinem Verstand, fortan fing ich an alle neu gewonnenen Fortschritte der letzten Tage zu vereinen, verstand die Logik dahinter. Und als ich bemerkte, wie mein Körper mit meinem Geist zusammen funktionierte, ich in Einklang meiner Fähigkeiten kam und gezielt meine Sinne zum Vorteil nutzen konnte, brachte es mich sogar zu einem Lächeln. Ich hatte es geschafft! Ich hatte es wirklich geschafft! Dieses Gefühl berauschte mich, machte mich süchtig, sodass ich keines falls ein Ende finden wollte. Schneller wie ich vermutete holte ich die erschrocken auf japsende Brünette ein, nur für ein paar Sekunden hatte sie sich zu mir umgedreht, ihre Augen schienen vor Panik zu glänzen, ihre Schritte hallten dumpf auf dem Unterholz der Erde ab. Ihr Überlebensinstinkt brachte siein Höchstform, strapazierte ihre atemlosen Lungen bis zum maximum und holte alle übrig bleibende Kraft hinaus, um ihr Herz mit voller Wucht Blut durch den Körper zu pumpen. Wie gut kannte ich es, das Gefühl wie es einem die Kehle zuschnürte, das unsagbare Brennen in den Gliedern und die anwidernde Galle, diefür eine flaue Übelkeit sorgte. Es war das exakte Empfinden einer gejagten Beute,die in all ihren Todesängste um ihr Leben fürchtete. Und doch entwickelte ich nun ein ganz anderes, fremdes Empfinden, dass mich all die Intension und Handelder Jäger verstehen ließ. Diese Todesfurcht, die man selbst auslöst machte etwas mit einem. Erweckte eine Sucht. Das Gefühl der absoluten Unantastbarkeit und uneingeschränkten Macht. Es entfachte einen unstillbaren Hunger. Meine Augen fokussierten von ganz allein Elenas Hals. Dummerweise betrat sie indirektem Wege ein größeres schattiges Gebiet und ich wusste: Das war ihr Ende. Meine Fußgelenke federten sich mit einem über aus kraftvollem Hieb vom Untergrund ab. Wie fremdgesteuert, flog ich über ihren Kopf hinweg, der Windrauschte nur so an mir vorbei und wirbelten wild meine Haare umher. Mit vollem Elan landete ich, wie ich empfand, beeindruckend und standhaft auf zwei Beinen. Die Erde erzitterte leicht, woraufhin ich Elena schrill aufschreien hörte. Mich durchflutete ein eisernes, kribbelndes Stechen, welches die dadurch entstandene Euphorie voller Stolz auszulösen schien, es war berauschend. Das nun in voller Geschwindigkeit auf mich zu brechende Mädchen, reagierte in allem instinktivem Schock recht schnell. Mit aller Mühe drückten sich ihre Fersen in den Staub. Ich erkannte schon jetzt, dass sie eindeutig zu viel Schwung hatte, so geschahes, dass es ihr die Beine wegzog und alles danach aussah, dass sie geradewegsauf ihren Rücken landen würde. In hohem Bogen. Schlagartig erwachte ich ausmeinem widerspenstigen Rausch, schlug ihn mit aller Kraft aus dem Kopf und handelte jetzt aus hundert prozentig erlangten Selbstbeherrschung und aufgebrachter Konzentration. Mit einem Mal fischte ich sie mir aus der Luft, schnaufte bei der herunter sackenden Wucht, obwohl Elena eigentlich alles andere als Schwer für mich sein sollte. Doch mithilfe der enormen Erdanziehungskraft und meinem ausgepowerten Gemüt, entpuppte es sich leider Gottes als ziemlichanstrengend. Instinktiv verstand ich, dass die vampirische Stärke sich durch die eigene Person, sowie dem Alter dessen definierte und zeitgleich die Regelmäßigkeit und Menge der Blutzufuhr eine große Rolle dabei spielten. Ich war nichts dergleichen, weder maskulin noch besaß ich ein erstaunliches Alter, wie es Niklaus war und tat. Zudem hatte ich nur eine geringe Menge Blut im Organismus, meine vampirischen Stärken hielten sich also in Grenzen. Dennoch gelang es mir ihren Sturz abzufedern und sie sicher auf den Boden abzulegen. Sie war ganz benommen, schien keine klare Sicht zu haben, da sie offensichtlich nicht meine Person sah, die sich sorgenvoll über sie stürzte und panisch auf sie ein redete. ,,Oh Gott, Elena, das wollte ich nicht, es tut mir so unfassbarleid." Meine Stimme fing an zu zittern, während es meine Hände schon längst taten. Sie legten sich behutsam auf ihre Schulter, rüttelten sie sachte. „Bitte komm zu dir Elena, bitte!" Doch sie triftete immer weiter weg, die vollkommene Erschöpfung setzte ein, ihr Körper glühte förmlich. Vollkommene Verzweiflung erreichte mich, Tränen stiegen mir auf. Wenn sie jetzt starb wäre ich dran schuld, das würde ich mir niemals verzeihen können. Elena hatte es nicht verdient, wollte immer nur das Bestes. Gerade als ich mir in das Handgelenk beißen wollte, um ihr irgendwie ihr leben zu retten und wenn es sein musste auch damit, sah ich plötzlich wie sich einer ihrer Hände erhob. Sofort wurde sie von einer fremden ergriffen. Der hinter mir empor wirbelnde Wind, pustete mir mit wütendem Brausen um die Ohren. Dann hörte ich Damons stimme: „Atme Elena, atme!" Und auf einmal und vollkommen unerwartet tat sie das auch. Tief saugte sie die Luft ein, kam wieder zu uns, bevor sie richtig weg getriftet war. Ich verstand nicht, wie hatte Damon sie allein mit seiner Stimme zurückholen können? Bevor sie sich jedoch aufrichten konnte, drückte Damon sie wieder runter, Verwirrung stand nun auch ihr ins Gesicht geschrieben. Wortlos schob er seine Hände unter ihren Körper und hob die Brünette hoch. Schneller als ich gucken konnte war er davon gezischt, ließ mich allein zurück, mit all meinen Sorgen und Selbstvorwürfen. Einsamkeit und Schuld plackten mich wie spuckende Gespenster, die wütend auf mich einschimpften. Egoistin, Dämon, Plagegeist, blutgesteuertes Monster, abscheulicher Vampir. Ich schlug mir die Hände über die Ohren, mein Körper sackte zum Boden hinunter. Ich hatte mich übermannen lassen von der Euphorie des Jägerdaseins, nur deshalb schadete ich einer unschuldigen Person. Ich kann das nicht, ich bin das einfach nicht, ich bin kein Jäger. Weitere Minuten vergingen in denen ich mir dessen bewusst wurde, wenige Tränen hatten es geschafft auf heimtückische Weise aus meinen Augen zu dringen. Ich wischte sie nicht weg, ich hatte es verdient. Ich fühlte mich unglaublich selbstsüchtig, hab es zu weit getrieben. Meine Gedanken machten sich selbstständig, trifteten ab und konnten allein nun nurnoch an seine unterstützenden, starken Arme denken, die mich trösteten undseine beruhigende Stimme, die mir sagte, dass alles wieder gut wird. Ich jammerte es leise hinaus, wie ein Mantra, während der Glaube mich hoffen ließes würde wie ein Zauber wirken, der wirklich alles gut und ungeschehen machenwürde. ,,Das wird es, Liebes, dich trifft keine Schuld!" Mein Herz stand still,mein Kopf schoss mit einer ordentlichen Portion Schock in die Höhe. Die dunkle, vertraute, unverkennbare Stimme klang zuversichtlich und selbstsicher, wabertezu mir hinab und durchbrach den dichten, in meinem Kopf spukenden, Nebel. DerKlang dessen hallte in alle Richtungen der dicht an dicht stehenden Bäumen wider,war unmittelbar zu orten, da der Wind die Stimme hinfort trug. Mein hellwachesGemüt ließ meine Augen wie irren die Gegend absuchen, doch zu meiner Verwirrungsah ich niemanden. Spielte mir meine Paranoia etwa Streiche? Aber die Stimmeklang so unfassbar präsent, unmöglich, dass ich mir diese nur eingebildethatte. „Niklaus?", hauchte ich atemlos. „Ich sagte dir bereits ich werde immerbei dir sein, zweifle nicht daran, Silver. Du hast alles richtig gemacht."Diesmal drangen und brannten sich die erneut erklingenden Worte, in dichterStellung neben meinem Ohr, in meinen Kopf ein. Es schien vorhersehbar für ihn,dass ich mich mit aller Eile zu ihm umwenden wollte, denn so gab es ihm Zeit zuhandeln und damit seine Arme um mich zu schlingen. Bestimmend und mitdringlicher Kraft zog er mich dicht an seinen Leib. Bei diesem Kontaktentflammte sich ein viel zu lange unter der Oberfläche brodelnd glühendesGefühl. Hinter mir saß er in der Hocke, seine angewinkelten Beine drückteneinnehmend meinem Brustkorb zusammen. Ich japste nach Atem, fiel vom Unglaubenab, das konnte nicht sein, war er wirklich... Seine rauen Stoppeln seines Bartesfuhren zufrieden brummend über meinen Scheitel, seine Lippen drückten mir eineninnigen Kuss auf meinen Kopf, während seine Arme mich noch fester umschlungen.Mein Zustand des ausnahmslosen Schocks fand ein Ende, die ungläubigeErleichterung und bahnbrechende Freude sprudelte hervor. So unglaublich frohüber sein Dasein schloss ich die Augen, drückte mich genießerisch näher an ihnheran und umfasste seine wärmenden Arme. Mein Kopf legte sich auf seineSchulter, als er von mir abließ, ich spürte sein köstliches Grinsen an meinenempfindlichen Ohrenkranz. Die Stille legte seine Schweigegelübde ab und ließuns unseren Moment mit aller Tiefgründigkeit genießen. Eine einzelne Träne, ausgelöstdurch meinen ausnahmslosen Frohmut, bannte sich einen Weg an meiner glühendenWange hinab. Was machte er nur hier, das sollte doch eigentlich nicht sein.Einer seiner Arme lösten sich von mir, nur um kurze Zeit später mit den Daumendie Tränenflüssigkeit unter meinen roten Augen hinfort zu wischen. ,,Shhhh",zischte er besänftigend. ,,Dafür gibt es keinen Grund, Liebes, ich bin ja jetztda!" Er streichelte liebevoll über meine rosigen Wangen, ich schloss für einenMoment genießerisch die Augen. Wie sehr ich das vermisst hatte. Mit einem Malpackte mich mein Enthusiasmus, ich herrschte herum und vergrub meinen Kopf inseiner Schulter. Tief inhalierte ich seinen wohltuenden Geruch. Er war so nah,nicht nur in meinen Gedanken, sondern hier bei mir. Ich wollte es nicht endenlassen, den ganzen Abend noch so verweilen, in seinen Armen. Fest hatte erdiesen Ansturm erwidert, hielt mich, geborgen und glücklich. Leider beschlichmich ein trüber Gedanke, der mühsam zu mir hinüberkroch. Schwer atmete ich dielaue Luft ein, er ließ mich von sich entfernen. Betrübt sah ich ihm in dieblau-grün schimmernden Augen, welche meine Züge genau studierten. Er ließ michreden: „Was machst du hier, Niklaus, die Woche ist noch nicht um, ich habe esnoch immer nicht ganz geschafft. Damon wartet bestimmt schon darauf, dass ichzurückkomme, ich muss mich versichern, dass es Elena gut geht und Stefan... er wird auch bald hier antreffen und die letzten Schritte einleiten." Niklaus Miene wurde ernst, leicht spannte er sich an, rückte mich auf sich besserzurecht, sodass ich näher bei ihm saß. Mein Herz fing wild an zu pochen. ,,Ichwollte dich sehen, Silver und wie es mir schien hattest du das bitter nötig, ich will nicht das du in irgendeiner Form leiden musst, das lass ich nicht zu."Ich schenkte seinen Worten gehör, mein Fokus lag jedoch immer wieder in Abwesenheit auf seiner Halsschlagader. Es war frisch von ihm so intensiv, drückte sich dominant gegen seine schöne Haut, nur schwer konnte ich dem wiederstehen. ,,Hey Silver, sag, was bedrückt dich, du siehst mir ziemlich hungrig aus."

heart and soul ♡ Niklaus Mikaelson ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt