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Als ich mit den Anderen von der Bühne abgehe schließt Lillian zu mit auf. "Hey, ich wollte nochmal Danke sagen, immerhin weiß ich, wie sehr du es hasst, so im Mittelpunkt zu stehen. Du hast mir echt den Arsch gerettet!" Erklärt sie mir zum ungefähr einemillionsten Mal, nur diesmal mit mehr Nachdruck als bisher, weshalb ich kurz inne halte um sie anzusehen. Sie sieht nervös und erschöpft aus. "Lil, mach dir keinen Kopf, okay? Du hättest das selbe für mich getan. Und jetzt geh da raus zu deinen Kritikern und hol dir deine Note ab! Wenn du willst, kann ich warten und wir gehen nachher noch feiern." Sie lächelt, doch schüttelt entschlossen den Kopf. "Nein, fahr du heim und entspann dich, wir können Morgen feiern gehen. Ich glaube wir sind beide Fix und Fertig. Ab ins Bett! Und ich geh jetzt da vor und danach folge ich deinem Beispiel und gehe selbst in mein Bett!" Sie drückt mich noch einmal kurz und läuft dann Richtung Zuschauersaal, während ich, nochimmer in dem schwarzen, vom kunstblut feuchten Kleid die kleine Umkleide suche, die man mir gezeigt hatte. Sie hat eine Dusche und einer der Bühnencrew hatte mir versprochen, er bringt meine Sachen dort hin. Als ich am Ende des schmalen Flures die Türe entdecke, auf der ein neon-pinker Post-it mir meinem Namen klebt, beschläunife ich meinen Schritt, drücke die leichte Pressspantüre auf und trete in den kleinen Raum mit dem grellen Licht der weißen halogenlampe ein. Das kleine Fenster steht weit offen und hat die kühle Nachtluft wohl schon eine Weile den Einlass gewährt, denn die im Raum stehende Kälte jagt mir einen kurzen Schauer über den Rücken und hinterlässt eine Gänsehaut, die meinen ganzen Körper bedeckt und meine Haut unangenehm prickeln lässt. Doch trotz der unangenehmen kühle, atme ich erst ein paar Mal tief ein und aus, schließe die Türe hinter mir ab und durchquere das Zimmer erst dann mit drei Schritten, um das Fenster zu schließen. In der rechten Ecke meiner Garderobe steht eine kleine frisierkommode mit Spiegel und Stuhl. Gleich daneben eine kleine, mobile Kleiderstange, an der meine Tasche und meine Klampotten fein säuberlich aufgehangen wurden. Die andere Seite des Raumes ist durch eine dreiviertelhohe Wand abgegrenzt und als ich dahinter trete und eine offene Dusche sowie ein großes Badehandtuch entdecke, kann ich mein Glück kaum fassen! Ich vergewissere mich, dass ich die Türe auch wirklich abgeschlossen habe und fange dann an, mich mühsam aus dem an meiner Haut klebenden Kleid zu schälen. Die schwarze Neilonstrumpfhose, das Kleid, sogar die Schuhe, die ich getragen habe, alles ist voll mit dem halb getrockneten, unendlich klebriegen Kunstblut weshalb ich eine gefühlte ewigkeit brauche, bis ich endlich den letzten fetzen Stoff von meinem Körper gelöst habe und mich unter den reinigenden und wohltuhenden Strahl der kleinen Dusche stellen kann. Hier ist zwar kein Shampoo, aber auf der fisierkommode steht ein Flüssigseifenspender, den ich mir, tropfnass durch das Zimmer laufend, hole, in der Hoffnung, damit die Reste des Blutes von meiner Haut und aus meinen Haaren zu bekommen. Es würde mich nicht wundern, wenn die ganze Bühne voll ist mit dem Zeug. Vermutlich habe ich sogar eine spur aus blutigen Fußabdrücken auf den Weg hierher hinterlassen, doch das ist mir im Augenblick egal. Ich will einfach nurnoch sauber werden und dann nach Hause kommen. Dieser Abend hat mich vollkommen ausgelaugt und ich könnte mich selbst im Augenblick dafür Ohrfeigen, dass ich kein Auto habe und den Weg bis zurück in mein Haus zu Fuß zurück legen muss. Während ich mir die nach Hibiskus duftende Seife in die Haare einmassiere spiele ich sogar mit dem Gedanken, mir ein Uber zu bestellen, verwerfe ihn dann aber wieder. Der Spaziergang wird mir gut tun, außerdem kann ich einen Teil der Strecke auch mit dem Bus fahren, also wäre das Uber einfach nur pure Verschwändung. Ich stelle mich wieder direkt unter den heißen Wasserstrahl und wasche die Seife wieder aus meinen Haaren, dann schrubbe ich die die letzten roten Flecken von meinen Schultern und den Armen und drehe das Wasser schließlich wieder ab. Ich greife mir das Handtuch, trockne mir damit die Haare und Tupfe dann meine Haut trocken, bevor ich wieder durch den kleinen Raum laufe und mir meine Klamotten von der Kleiderstange nehme und hineinschlüpfe. Das Handtuch lege ich über die Lehne des Stuhls, bevor ich mich darauf setze, mir die Haarbürste nehme, die auf der Kommode zwischen dem ganzen Make-Up und den Haarnadeln liegt und bürste mir mein Haar, das ich dann kurzerhand zu einem - zugegebenermaßen sehr schlampigen - Dutt schlinge. Kurz überlege ich, ob ich die Haare nicht doch noch föhnen soll, doch meine Faulheit siegt und ich stehe auf, schnappe mir meine Tasche und gehe zur Tür um sie aufzuschließen. Ich schalte noch das Licht aus, dann gehe ich und verabschiede mich auf dem Weg raus aus dem Gebäude von den wenigen Leuten von der Bühnencrew die noch zum Abbau und zur Reinigung bleiben. Abgesehen von ihnen sehe ich kaum noch jemanden hier herumlaufen. Als ich den Komplex verlasse, regestriere ich zum ersten Mal heute, wie spät es eigentlich schon ist. Es ist, abgesehen von den Laternen die den Kampus erläuchten stockdunkel und die Uhr sagt mir, es ist kurz vor halb eins. Ich steuere den Uniparkplatz an, auf dem nurnoch zwei Autos parken und überquere ihn um auf die nie wirklich ganz dunkle seattler Straßen hinauszutreten. Unterwegs krame ich in meiner Tasche nach meinen Kopfhöhrern und dem Handy und spiele via Shuffle meine Playlists ab. Versunken in die Musik und meine eigenden müden Gedanken laufe ich die Straße entlang und lege den fast halbstündigen Fußmarsch bis in meine Straße zurück, wo ich genervt schnaube, als ich jemanden auf dem Treppenaufgang meiner Haus herumlungern sehe. Toll. Ein Uhr Nachts und ich darf mich mit irgendeinem Idioten herumstreiten, um in mein eigenes Haus kommen zu können! Ich ziehe die Stöpsel aus dem Ohr und verstaue die Kopfhöhrer in meiner Tasche, dann tippe ich auf das Telefon-Icon auf meinem Bildschirm und wähle 911, ohne jedoch den Rufknopf zu betätigen. "Ich hab die Cops schon gewählt, also verschwinden Sie, wenn sie keinen Ärger wollen!" Rufe ich dem Typen zu und halte ihm mein Handydisplay aus sicheren fünf Metern Entfernung entgegen. Noch während ich das sage, hoffe ich inständig, dass er darauf reagiert und einfach geht, denn ich bin zu Müde für jede andere Alternative. Doch soviel Glück scheine ich nicht zu haben, denn als er sich umdreht senke ich mein Handy wieder. "Bitte lass mich bleiben" sagt er und ich bleibe wie angewurzelt stehen. Das leiseLicht der Straßenlaterne  auf der anderen Straßenseite wirft müde Schatten auf sein Gesicht und lässt ihn sehr erschöpft aussehen. Sein sonstiger Bartschatten ist zu einem Ausgewachsenen Drei-Tage-Bart grworden und er hat Schatten unter den Augen, aus denen er mich mit einer seltsamen Mischung aus Traurigkeit und Hoffnung anblickt. Sein durchdringender Blick scheint mir direkt ins Herz zu sehen und ich kann nicht anders, als meinen Blick abzuwenden und meinen Weg fortzusetzten. Ich überwinde die letzten Meter zwischen uns, steige die drei Stufen hinauf und bleibe einen Moment lang neben ihm stehen, während ich meine Schlüssel aus der Tasche hervorhole, ihn in das Schloss schiebe und meine Haustüre aufschließe. Es dauert nur wenige Sekunden, doch ich bin mir seiner Anwesenheit in diesem Moment so über alle Maße bewusst, dass es fast schon weh tut. Sein betöhrender Duft steigt mir in die Nase, doch er ist durch eine leichte Note von, ich glaube Burbon? getrübt. Hat er getrunken? Schießt es mir durch den Kopf, doch ich verdränge den Gedanken wieder. Ich will einfach nur nach Hause. "Bitte, schick mich nicht weg" wiederholt er und in seiner Stimme liegt so ein flehender Unterton, der mich innehalten lässt. Ich bin schon mit einem Fuß in meinem Haus. Auf sicherem Boden. Doch seine Stimme hält mich an Ort und Stelle gefangen. Seine Hand legt sich auf die Meine, die noch immer den Türknauf fest umklammert hält. Seine Hand fühlt sich rau und doch seltsam weich auf meiner Haut an. "Bitte" sagt er nocheinmal, nur mit mehr nachdruch und ich drehe mich zu ihm um, um ihm in die Augen sehen zu können. "Was wollen Sie?" versuche ich möglichst abweisend zu entgegnen und blicke ihm geradewegs ins Gesicht, in der Hoffnung, dass es mir eine Antwort offenbart. 

Teacher loveWhere stories live. Discover now