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Der Lift kommt zum stehen. Die Türen gleiten mit einem leisen 'Ping' auf und wir treten hinaus, auf den hellen, in weiß-grau gestrichenen Flur. Wir laufen im Gleichschritt nebeneinander her, mein Blick starr auf den Boden gerichtet, darauf bedacht, ihn nicht ansehen zu müssen.  Aber ich kann nicht anders und versuche immer wieder einen Blick auf ihn zu erhaschen, doch immer wenn ich aufsehe, sieht er mich schon an. Es ist unglaublich frustrierend, nicht zu wissen, was er denkt. Ich schaue mir den Schlüssel in meiner Hand an. Zimmernummer 12i. Wir befinden uns im neunten Stockwerk. Unser Zimmer ist am Ende des Ganges, die letzte Tür.

Vor der edelen, dunkelen Holztüre bleiben wir stehen, während er mit seinem Schlüssel die Tür aufschließt. Er hält mir die Tür auf, ich trete ein und sehe mich kurz um. Ich nehme den Raum kaum wahr, das einzige, das ich beachte, sind die drei Türen. Eine zu meiner linken und zwei zu seiner rechten. Ohne weiter darüber nachzudenken laufe ich auf die linke Tür zu und stürme ins Zimmer. Kaum ist sie zu, lasse ich mich dagegen fallen und sinke zu Boden. Mein Herz schlägt wie wild, ich kann kaum noch an mich halten und beginne schwer zu atmen. Ich lege den Kopf in die Hände, schließe die Augen. Was zum Teufel macht er mit mir! Ich atme noch einmal tief ein und aus und lehne meinen Kopf gegen die hölzerne Zimmertür hinter mir. Ich bleibe einfach nur hier sitzen und versuche meinen Herzschlag zu beruhigen...

Sebastian Jones PoV.:

Ich schließe die Türe auf und noch bevor ich eintrete, suche ich nach meinem Zimmer. Zu meiner rechten sind zwei Türen, ich laufe auf die erste zu, ohne ihr weiter Beachtung zu schenken. Kaum ziehe ich die Türe hinter mir wieder zu, stemme ich mich erschöpft mit meinem Arm dagegen. Ich kann mein verlangen nach ihr kaum noch im Zaun halten. Ich werde von ihr angezogen, wie die Motte vom Licht und ich weiß, ich werde mich verbrennen, doch ich kann nicht anders. Wenn ich bei ihr bin, ihren betörenden Duft in der Nase habe, sie sprechen, sie lachen höre, oder auch wenn sie nur schläft oder schweigt, muss ich sie berühren, ich muss sie spüren und will meine Lippen auf ihre drücken. Aber wenn ich dagegen ankämpfe, mich von ihr entferne, beherrscht sie meine Gedanken, meine Träume.
Ich atme tief durch, komm langsam wieder runter, wage es aber nicht, meine Augen zu schließen, weil ich weiß, ich würde sie sehen. Was stellt diese Frau bloß mit mir an!

 
Handy? Da. Geldbeutel? Auch da. Ich schnappe mir meinen Zimmerschlüssel vom Nachttisch und verlasse das Zimmer. In meine Gedanken vertieft ziehe ich die Tür hinter mir zu und laufe quer durch das Wohnzimmer auf den Ausgang der Suit zu. Doch weit komme ich nicht. Auf halber Strecke laufe ich direkt in sie rein. Sie stolpert zwei Schritte zurück und ihre Tasche fällt zu Boden. Ich hebe sie auf und reiche sie ihr. "Verzeihung" ich sehe sie entschuldigend an, wärend sie sich eine ihrer gold-blonden Locken aus dem Gesicht streicht. "Nichts passiert" sie schenkt mir ein Lächeln, doch es wirkt nicht echt. Irgendwie so distanziert. "Darf ich fragen, was sie vor haben" versuche ich ein Gespräch zu beginnen, doch sie weißt mich ab. "Ich gehe mir die Stadt ansehen" erklärt sie knapp und wendet sich von mir ab, der Tür zu. Die Tür fällt ins schloss, als ich endlich verstehe, was hier los ist. Sie distanziert sich. Ich sollte es ihr gleich tun, sollte versuchen, sie mir aus dem Kopf zu schlagen. Das werde ich und zwar ab jetzt!
Ich reiße die Tür auf und laufe den Flur hinunter bis zum Aufzug, der sich gerade schließt. Ich halte meine Hand zwischen die Türen, so dass sie sich wieder öffnen. Wem mache ich hier eigentlich etwas vor, ich kann mich nicht von ihr fern halten! Sie sieht mich einen Moment lang irritiert an, bevor sie lächelnd den Kopf leicht schüttelt. Macht sie sich etwa über mich lustig?  "Ich hatte ebenfalls vor, mir New York City anzusehen" erkläre ich mich, nur um diese Stille zu unterbrechen.

Jana Mayer PoV.:

Wir laufen gemeinsam die Straße entlang, es ist laut und überfüllt. Überall sind Menschen die entweder am telefonieren oder am Fotos schießen sind. Es stinkt fürchterlich nach Abgasen und Müll, aber auch der leichte Geruch der Pizzeria, an der wir gerade vorbei laufen, mildert den erbärmlichen Gestank etwas. Die Sonne scheint noch immer hell am Himmel, doch die blinkenden, strahlenden Lichter der Werbeanzeigen an den riesigen Gebäuden rund um uns herum, blenden mich noch viel mehr. Ich würde mir gerne noch mehr als nur den Times square ansehen, doch die Zeit reicht einfach nicht. Zumindest nicht heute. Es ist einfach unfassbar hier, alles blinkt und glizert. Aber auch die vielen Leute um mich herum, faszieneren mich besonders. Sie sind alle verschieden und sie sehen alle aus, als wären sie in ihrer eigenen kleinen Welt gefangen.  Was wohl in ihrer Köpfen vorgeht? Was sie wohl gerade fühlen? Wut, hass, liebe, Eifersucht. Es sind so unendlich viele Möglichkeiten. So unedlich viele Gedanken und Geschichten. Doch wer soll diese Geschichten hören, wer soll davon erzählen, wenn sie niemand preisgeben will? Uns kommt eine rothaarige Frau entgegen. Sie schreit in ihr Telefon, scheint über alle Maßen hinweg wütend zu sein, doch das ist sie nicht. Nicht etwa ihre Kleidung oder ihre Körperhaltung verraten mir das. Nicht mal der Klang ihrer Stimme. Es sind ihre Augen. Sie sind grün, aber kein strahlen ist darin, sie sind matt, wirken, als wären sie eingefroren. Sie strahlen eine Kälte aus, von der ich mir wünsche, sie niemals spüren zu müssen.
Sie läuft an uns vorrüber, ich schüttle leicht meinen Kopf um diese Gedanken wieder los zu werden und blicke stattdessen auf mein Handy. Es ist halb sechs. Es wird bald zu dämmern beginnen und das will ich unbedingt sehen! Ich laufe schneller, durch die Masse hindurch, halte Ausschau nach einem Taxi.  Da ist eines! Ich stelle mich an den Straßenrand und winke es herbei und tatsächlich, ich habe glück. Der Taxifahrer fährt rechts ran und ich öffne die Türe des gelb-orangenen Wagens. Gerade als ich mich setze, kommt er angelaufen und sieht mich etwas außer Atem an. "Darf ich" fragt er und ich rutsche einen Sitz weiter, sodass er ebenfalls einsteigen kann.  "Wohin gehts" fragt der Mann hinterm Steuer mit rauer, rauchiger Stimme. "Battery Park" entgegne ich und sehe aus dem Fenster, während wir uns in den Verkehr einfädeln.

Teacher loveWhere stories live. Discover now