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Ich schlüpfe in mein weißes, mit einem Rosenmuster besticktes Sommerkleid, richte meine Haare und Putz mir die Zähne, bevor ich zurück ins Wohnzimmer gehe. Er sitzt noch immer lesend auf dem Sofa und als ich auf die Uhr sehe, beschließe ich es ihm gleich zu tun, also laufe ich noch schnell in mein Zimmer, hole einige Unterlagen und beginne für die Prüfungen zu lernen. Zuerst beginne ich mit der Wiederholung der vielen Skripts, die ich habe und bearbeite hin und wieder als kleine Ablenkung einige Aufgaben der verschiedenen Fachbereiche. Schon früh habe ich festgestellt, dass es mir leichter fällt, Inhalte beizubehalten, wenn ich gleich versuche, das Gelernte anzuwenden. Schon nach kürzester Zeit bin ich so in meine Arbeiten vertieft, dass ich alles andere um mich herum kaum noch wahrnehme. Meine Lösungen lege ich nach und nach geordnet auf dem gläsernen Beistelltisch vor mir ab, damit es mich nicht stört. Es ist befriedigend zu sehen, wie der Stapel nach und nach immer mehr zu wachsen scheint, während die noch vor mir stehenden Aufgaben stetig weniger zu werden scheinen. Eine Illusion, der ich mich gerne hingebe, obwohl ich weiß, dass zu Hause noch mindestens ein vier-mal so großer Stapel an Unterlagen und Lernmaterial wartet.

Sebastian Jones PoV.:

Ich kann mich einfach nicht auf mein Buch konzentrieren! Die ganze Zeit habe ich sie vor Augen, wie sie vor mir steht...unfassbar! Sie ist so schrecklich verwirrend und widerspenstig, aber wenn ich ehrlich bin, macht gerade das sie nur noch attraktiver. Nicht nur wie sie sich vorgebeugt hat, will nicht mehr aus meiner Erinnerung verschwinden, es ist mehr das gewesen, was sie gesagt hat. Gewissermaßen hat sie recht. Hier, für dieses Wochenende, bin ich nicht ihr Lehrer und sie nicht meine Studentin, hier sind wir Kollegen. Irgendwie. Liebend gerne würde ich mich darauf einlassen, auf sie einlassen, doch was soll danach kommen? Es fällt mir ja jetzt schon so unendlich schwer, mich von ihr fernzuhalten, wie sollte es wohl werden, wenn ich wüsste, wie es ist, wenn sie mir gehören würde? Es wäre mir unmöglich zu verbergen, wie sehr ich sie will. Ich kann das hier nicht länger! Ich kann nicht bei ihr sein und so tun, als währe sie mir gleichgültig, kann nicht so tun, als würde ich sie nicht wollen oder gar sie nicht mögen. Doch ich kann auch nicht gehen. Ich habe das Gefühl, von ihr abhäng zu sein, von der nähe zu ihr. Ich darf nicht mit und ich kann nicht ohne sie. Zum ersten mal wünschte ich mir, ihr nie begegnet worden zu sein. Ich wünsche mir, sie wäre damals nicht von ihrem Platz aus der letzten Reihe in meinem Kurs aufgestanden und hätte nicht mit mir diskutiert. Denn schon von diesem Moment an hielt ich sie für eine faszinierende, kluge, junge Frau. Sie war die erste, die jemals aufgestanden ist und mir gesagt hat, ich würde mit meiner Meinung falsch liegen. Sie war die erste, die sich eine eigene Meinung bildete, wirklich eine eigene Meinung, die nicht etwa von den Medien und der unzureichenden Informationsweitergabe der Gesellschaft geformt wurde. Es war ihre wirkliche Meinung. Und so sehr ich sie dafür schätze, wünsche ich mir, sie wäre nicht aufgestanden, sondern wäre einfach das schüchternde, unauffällige Mädchen aus der letzten Reihe geblieben. Aber so ist es nun mal nicht und so sehr ich mir auch wünsche, sie wäre einfach sitzen geblieben, weiß ich doch ganz genau, dass sie mir dann wegen etwas anderem aufgefallen wäre. Ich blicke zur Seite, auf sie. Sie sitzt da, ist wiedereinmal in ihre Notizen vertieft, wie kein anderer es je könnte. Es ist unfassbar, wie konzentriert sie schon zu einer so frühen Stunde für die Prüfungen lernt. Ich kann es mir einfach nicht verkneifen, greife nach dem Stapel an bearbeiteten Blättern auf dem Tisch und beginne zu lesen. Auf dem Sofa zwischen uns liegt ihr Federmäppchen, aus dem ich mir, ohne dass sie es merkt, einen roten Stift nehme und zu korrigieren beginne. 

Ihre Ergebnisse sind so weit ich das bisher gesehen habe alles richtig, doch ich notiere daneben noch einige alternative und weniger zeitaufwendige Lösungswege, denn ich glaube, dass die Zeit für sie eine deutlich größere Hürde sein wird, als das korrekte bearbeiten der Aufgaben und deshalb sollte sie keinesfalls eine schlechtere Zensur bekommen. Es dauert einige Zeit, aber irgendwann habe ich den Großteil des immer weiter wachsenden Blätterstapels abgearbeitet, lege ihn zurück auf den Tisch und stehe auf, um mich selbst endlich herzurichten, denn immerhin kann ich nicht den ganzen Tag in einer Pyjamahose und einem alten T-Shirt umherlaufen. Bevor ich in mein Zimmer gehe, werfe ich noch einmal einen Blick auf sie. Sie ist noch immer so in ihre Arbeit vertieft, dass ich glaube, sie hat nicht einmal mitbekommen, dass ich ihre Ergebnisse begutachtet habe, geschweigenden, dass ich nicht mehr neben ihr sitze.

Ich verlasse mit einem Bündel Kleidung, und meinem Kulturbeutel unter meinem Arm das Zimmer und laufe ins Bad. Kaum dass ich aus meiner Hose und dem Shirt geschlüpft bin, stehe ich auch schon unter der Dusche und als das heiße Wasser so auf mich niederprasselt, überlege ich, ob sie wohl in letzter zeit nur mehr Kleider trägt, wegen den Dingen, die ich in diesem Kaffee zu ihr gesagt habe. Dieser Gedanke lässt ein glückseliges Lächeln auf meinen Lippen erscheinen.

Jana Mayer PoV.:

Als ich das nächst mal aufsehe, sitzt er schon nicht mehr neben mir. Mittlerweile ist es halb Acht, also Sammle ich meine Sachen zusammen, bringe sie in mein Zimmer und schlüpfe in meine weißen Ballerina. Noch einmal sehe ich mich in der Suit um, doch keine Spur von ihm, also schnappe ich mir meine Tasche von der Theke, in der noch der Zimmerschlüssel liegt und verlasse mit ihr in der einen und meinem Handy in der anderen Hand das Wohnzimmer und trete hinaus auf den Flur. Es ist sehr still und abgesehen von dem leisen Summen der stilvollen Lampen an den Wänden ist nichts zu hören. Ich laufe auf den Aufzug zu, drücke den Rufknopf als ich ankomme und warte wieder einige Sekunden, bevor die Fahrstultühren mit einem leisen 'Ping' aufgleiten.

Während ich nach unten fahre checke ich meine Nachrichten. Es sind einige von Alexis und Lillian eingegangen und noch eine von Kara.

A: Erzähl mal, wie ist New York?

A: Vergiss mein Souvinier nicht, ich will aufjedenfall irgendeinen kitschiges Touri-Ding!

A: Na, wie läuft's bisher mit Jones, hast du ihn schon rum gekriegt? ;)

Ich schreibe ihr zurück, ignoriere dabei aber ihre letzte Frage.

J: New York ist der Hammer! Dein 'kitschiges Touri-Ding' hab ich schon und ich freue mich darauf, wenn ich zurück bin und dir den Müll endlich überreichen kann! :)

Natürlich weiß ich, dass sie sich nicht lange damit zufrieden geben wird und ich ihr früher oder später erzählen muss, wie es mit ihm läuft. Beziehungsweise, dass da gar nichts läuft. Aber jetzt will ich mich nicht damit auseinandersetzen. Stattdessen sehe ich mir Lil's Mails an, und wer hätte es gedacht, es sind die selben fragen, nur der Wortlaut ist anders, als schreibe ich ihr das selbe, was ich auch schon Al geschrieben habe. ändere allerdings den Wortlaut. Nun zur letzten Nachricht.

K: Ich hoffe es ist wirklich alles in ordnung bei dir. Ich vermisse dich auch sehr und freue mich, wenn ich dich zu deinem Abschluss entlich wiedersehe. Ich wollte dir nurnoch dagen, wie stoz ich auf dich bin und dass ich mir zu 100% sicher bin, dass du diesen Preis gewinnst. Ich hab dich lieb mein Schatz!

Ich lächle, muss aber auch an mich halten, damit die Tränen nicht zu fließen beginnen. Ich vermisse sie so unfassbar und ich muss sie nach dem Abschluss unbedingt öfter besuchen. Außerdem habe ich ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil ich ihr nichts von ihm erzählt habe, wobei? Wenn man es genau nimmt, gibt es da auch nichts zu erzählen.

J: Ja, es ist wirklich alles in Ordnung und ich freue mich schon darauf, dich in zwei Monaten endlich wiederzusehen. Ich hab dich auch lieb und vermisse dich!

Schreibe ich zurück, während ich den Aufzug verlasse und in die bereit gut Gefüllte Hotellobby trete. Kaum ist die Nachricht versendet, packe ich das Handy in meine Tasche und sehe mich einen Moment um, bevor ich auf die Rezeption zulaufe. "Verzeihung, aber wo finde ich die Kurspläne?" frage ich die blonde Frau hinter dem Tresen. Sie lächelt mich, mit unnatürlich weißen Zähnen an und beginnt zu sprechen. "Wenn Sie mir Ihren Namen und Ihre Zimmernummer sagen, drucke ich ihnen den Plan aus, ja, Miss...?" "Mayer, ja das wäre ausgesprochen nett, danke. Das Zimmer wäre dann 12i" sie sucht einen Moment in ihrem Computer, bis sie wieder aufsieht und der Drucker hinter ihr leise startet. "Ihr Begleiter, Mr. Sebastian Jones hat den Plan bereits erhalten, ich drucke ihn allerdings noch einmal für Sie aus, wenn sie das möchten?" Ich nicke verwirrt. "Sicher, tun sie das... aber ich hatte gedacht, dass jeder Teilnehmer seinen eigenen Plan erhält." Sie nickt zustimment. "Sicher, so ist es gedacht, deshalb bekommt jedes Zimmer einen eigenen Ablaufplan zugewiesen" sie wendet sich kurz von mir ab, nimmt das Blatt Papier aus dem Drucker und reicht es mir. "Einen schönen Tag Miss Mayer" Ich murmle ein "Danke" vor mich hin und gehe in meine Gedanken versunken weg. Das heißt also, dass wir uns das gesamte Wochenende 24/7 sehen. Prima.

Teacher loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt