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Mein Kopf ist wie leer gefegt. Ich bewege mich Richtung Ausgang, ohne wirklich zu verstehen, wie meine Beine sich ohne meinen Willen fortbewegen können. Aber vielleicht will ich ja weg. Keine Ahnung. Mein Kopf ist wie leer gefegt. Mein Verstand wie betäubt. Und mein Herz so unendlich schwer. Meine Schritte werden immer schneller und irgendwann sprinte ich durch die Flure und Korridore der Universität, bis zu meinem Fahrrad. Wie ferngesteuert öffne ich das Schloss, steige auf und fahre los. Immer schneller, ohne auf irgendwas zu achten, wie als würde ich nicht einmal wissen, was eine Bremse oder Straßenverkehr ist. Mein Körper arbeitet via Autopilot und bevor ich überhaupt merke, wo ich hinfahre, stelle ich mein Bike schon wieder ab, diesmal aber in der Seitengasse vom Elliot Bay - Buchladen.  Arbeiten. Das ist gut. Das versteht mein Hirn. Das lenkt mich ab.

Ich betrete des hell erläutertete Gebäude durch den Personaleingang, laufe auf meinen Schrank zu, in dem meine Uniform hängt und hole sie hervor. Mein Kopf arbeitet noch immer nicht. Mein Körper hat nach wie vor die volle Kontrolle über mein tun. Ich ziehe mein weinrotes Kleid und die schwarzen Ballerina aus und tausche sie gegen eine legere schwarze Hose, eine weiße Bluse und ebenfalls schwarze, hohe Schuhe ein. Einen Augenblick lang betrachte ich mich in dem Spiegel, der an der Innenseite meiner Schranktür hängt, doch als ich merke wie mein Hirn zu arbeiten beginnt, wende ich mich ab, befestige das Namensschild an meiner Bluse und stopfe meine Sachen achtlos in den Schrank, bevor ich den Aufenthaltsraum verlasse und mich bei Mike melde.

"Ich hoffe sie hatten ein schönes Wochenende Jana! Sie sind heute und vorraussichtlich auch die übrige Woche alleine. Wenn ihnen dass zu viel wird, sagen sie einfach Bescheid, dann lasse ich eine Aushilfe kommen, okay?". Ich nicke nur und er verabschiedet sich noch von mir, bevor er mir, wie immer die Schlüssel in die Hand drückt und sich an mir vorbei, nach draußen zwengt. Ich lasse sie Schlüssel in meiner Hosentasche verschwinden und betrete den Verkaufsraum. Normalerweise bin ich genervt, wenn Lucas mal wieder blau macht, aber nach dem, was passiert ist, ist es ganz gut, wenn ich alleine bin.

Ich laufe mit dem Beiwagen durch den Laden und sortiere die neuen Bücher ein oder stehe hinter dem Schalter und wünsche den Kunden mit einem aufgesetzten Lächeln nach ihrem Einkauf einen schönen Abend. Die Zeit verfliegt und dennoch habe ich das Gefühl schon eine gefühlte Ewigkeit hier zu sein, als ich den Laden pünktlich um 22:00 Uhr schließe und nach hinten ins Lager trete. Im Gebäude ist es vollkommen ruhig, so wie immer. Kurz überlege ich, einfach anzufangen, doch dann stehe ich doch auf und laufe zu meinem Spind um mein Handy zu holen. Ohne Musik läuft es einfach nicht richtig. Als der erste Song anläuft beginne ich mit dem Kartieren der neuen Bücher und nach einiger Zeit summe ich erst leise bei den Liedern mit, bevor ich schließlich bei Stronger von Kelly Clarkson halblaut mitsinge. Mit Musik fällt mir alles leichter; lernen, arbeiten, denken. Doch dieses mal ist es anders als sonst. Die Musik läuft nicht, damit mir die Arbeit leichter von der Hand geht. Ich habe nur angst davor, dass mein Hirn wieder richtig zu laufen beginnt und über die letzten Ereignisse nachdenkt. Es ist so naiv, aber ich will nicht, dass mir voll und ganz aufgeht, was ich eigentlich schon längst weiß. Ich will nicht darüber nachdenken, will nicht über ihn nachdenken. Ich will einfach nur die Musik hören und über nichts anderes nachdenken, als darüber, wo denn die Kundenbestellung von Mrs Darson sein könnte.

Es ist mittlerweile kurz vor Zwölf, als ich mir wieder mein Kleid anziehe, die Ladentüre nochmals verschließe und das Gebäude schließlich durch den Personalausgang verlasse. Ich schließe mein Fahrrad auf und mache mich auf den weg nach Hause. Ich bin todmüde, doch das letzte woran ich jetzt denken kann ist schlaf, also beschließe ich mit noch etwas zu essen zu bestellen und meine Unterlagen noch fertig durch zu gehen. Wenn ich mich ran halte, sind es vielleicht noch drei Abende, an denen ich lernen muss und dann bin ich fertig. Natürlich könnte ich alles nochmals durchgehen, aber mittlerweile kann ich das alles im schlaf und ich lerne schon, im Gegensatz zu den meisten anderen Studenten, seit beginn des Jahres. Alexis und Lillian waren damit genauso früh dran wie ich, die beiden haben aber doch noch einiges vor sich, denn Al musste parallel zum letzten Studienjahr auch noch die Firma, beziehungsweise die Abläufe in der Firma näher kennenlernen, denn immerhin soll sie sie nach dem Studium übernehmen. Und Lil war mit ihrem Musical beschäftigt das teil ihrer Anstellungsprüfung in der Musik und Theaterschule ist, für die sie sich beworben hat. Als Einstellungskriterien haben die nämlich nicht nur ein abgeschlossenes Studium in Theaterwissenschaften sondern sie wollen auch deine Kompetenzen testen, weshalb man ein Bühnenstück auf die Beine stellen soll, was eine gewisse Summe einspielen muss. Was das betrifft habe ich es deutlich leichter. Sie suchen im ganzen Land Lehrer und Dozenten in allen möglichen Fachbereichen und durch den Sieg beim Little Teachers Congress haben sich meine Chancen zusätzlich erhöht, denn seit dem Kongress habe ich bereits fünf Jobangebote von Angesehenen Universitäten und schulen erhalten, darunter sogar eine in Washington. Ich schiebe diese Gedanken bei Seite, steige von meinem Fahrrad ab und schiebe es in den Stockfinsteren Innenhof meines Hauses. Ich blicke kurz nach oben und stelle fest, dass Al wahrscheinlich noch wach ist, denn im ganzen Haus brennen die Lichter.

"Alexis?", ich schließe die Haustür hinter mir, ziehe meine Schuhe aus und laufe in die Küche, wo Alexis an der Theke sitzt und Bücher wälzt. "Hey, Lust auf Chinesisch?". Sie beugt ich nach vorne und holt einen Karton Pizza hervor. Ich lächle. "Ich bin dir da zuvor gekommen!", sie reicht mir ein Stück Pizza Margerita und ich greife nur allzu gern zu.

Teacher loveWhere stories live. Discover now