15. Frühlingssehnsucht

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Stumm und langsam schlich sich der Frühling in Stuttgart ein.
Bunte Blumen leuchteten hell aus den Beeten, die Menschen holten ihre Fahrräder raus und die Klamotten wurden heller und luftiger.

Carlo würde heute zu seinen Eltern fahren, wo er die nächsten drei Wochen bleiben würde. Chimp und er arbeiteten an einem neuen Album und Carlo brauchte seine Ruhe, um seine Tracks zu machen. Bei ihm zuhause klingelte ständig das Telefon, Leute kamen zu Besuch oder er konnte sich nicht konzentrieren. Und Kody wollte das Album pünktlich fertig haben, um mit weiteren Vorbereitungen zu starten. Es wird auf eine Tour hinauslaufen.

Ich selber fuhr auf eine dreitägige Fortbildung mit meiner Arbeitskollegin Mila und meinem Kollegen Leo nach Berlin. Berlin, die Stadt der typischen Fortbildung.

Ich hatte Carlo versprochen, ihn zu seinen Eltern zu bringen und danach zum Flughafen zu fahren, so stand ich also mit gepacktem Koffer im Flur und sah wartend aus dem Fenster, als der Benz von Carlo an der Straße hielt.

„Hey!" er zog mich in seine Arme und nahm mir meinen Koffer ab.
„Drei Wochen bei Mutti? Wird ziemlich lange, so ohne den Chaoten." Ich grinste enttäuscht. Ich würde Carlo wirklich vermissen, auch wenn er noch bei Stuttgart sein würde. Seine Eltern wohnten in einem Nebenort von Stuttgart. Aber drei Wochen, die ich ihn nicht sehen würde, war dann doch eine lange Zeit.

Der Berufsverkehr ebbte ab, als wir die Ausfahrt nahmen.
Im Radio spielten frühlingshafte Lieder und auch Easy gehörte dazu. Grinsend drehte ich lauter und summte fröhlich mit.
„Hast du das Lied nicht langsam mal satt?" grinste Carlo und ich sah ihn an.
„Niemals! Das ist einfach so ein Ohrwurm!" ich lachte.
„Dann hoffe ich, dass das Album auch so punktet." Eine Sorgenfalte zeichnete sich auf seiner Stirn ab.
„Ach Carlo. Mach dir nicht so einen Druck. Du hast diese drei Wochen um dich selber in Songs zu verfassen! Das ist deine Musik, Rap und Pop! Irgendwie ... Raop!? Die Fans werden das Album lieben. Und ich auch!" grinste ich und er sah mich kurz an.
„Raop? Rap und Pop... Raop." Der Satz endete gedankenverloren in einem Flüstern und ich nickte.

Als der Motor verebbte ging bereits die Tür von Carlo's Elternhaus auf und Anja winkte uns.
Ich habe Anja persönlich noch nicht kennengelernt, deswegen hatte Carlo vorgeschlagen, dass ich ihn hinbringe, damit ich sie endlich mal kennenlerne. Das sie Mutter von vier Kindern war, sah man ihr definitiv nicht an, sie sah jung und zierlich aus, ihre blonden Haare fielen leicht um die Lachfalten und sie hatte beim Grinsen dasselbe Grübchen wie Carlo. Mehr Ähnlichkeiten fand ich zwischen den beiden nicht.

„Carlo! Ach wie schön, dass du mal wieder hier bist." Sie zog ihren Sohn in ihre Arme und lächelte erfreut.
„Mum, das ist Hanna." Carlo zog mich herbei und höflich streckte ich meine Hand aus.
„Hallo Hanna, schön dich endlich mal kennenzulernen! Hast meinem Sohn ganz schön die Ohren verdreht! Ich bin Anja." Sie hatte mich in ihre Arme gezogen und sofort hatte ich das Gefühl, dass ich dazu gehörte. Sie war ein so herzlicher Mensch, das merkte man in der ersten Sekunde, dass Carlo seine liebe Seite von ihr haben musste.

„Nun kommt endlich rein." Sie zog uns hinein und sofort hüllte mich der typische Carlo Geruch ein.
„Phillip! Stellst du bitte den Kaffee an?" sie eilte von einem Raum zum nächsten, Carlo stattdessen hatte nur ein Ziel.
Er lief die Treppe hinunter, wo wir direkt in einem Raum landeten, der Carlo entsprach. Ein kleines Fenster, durch das kaum Licht fiel, erhellte den vollgestopften Raum. Überall stand Musikzeugs herum, hier ein Keyboard, dort ein vollgemüllter Schreibtisch.

„Ich hab Mum verboten, hier aufzuräumen, bevor sie was Wichtiges wegwirft." Ich nickte.
Die Wände waren mit Edding bekritzelt, ich sah mir die skurrilen Figuren an, fantasievolle Spitznamen und auch einige nicht ganz jugendfreie Skizzen, bis ich einen Namen entdeckte, den ich irgendwoher kannte. Mirja.

Mein Kopf durchforstete sämtliche Partys, Treffen und Auftritte, bis mir der Tag im Skatepark einfiel.
Das ist Mirja, eine gute Freundin." Hallte Carlos Stimme in meinem Kopf und sofort tauchte das braunhaarige Mädchen mit den grasgrünen Augen vor mir auf.
An der Wand stand ‚Mirja – Carlito 24.6.10" und darunter ein kleines Herz.
Meine Augenbraue zuckte. Die beiden waren tatsächlich ein Paar gewesen? Wieso hatte Carlo mir das nie erzählt? Natürlich, sie war ein wunderschönes Mädchen und geschaffen wie für Carlo. Wie dumm von mir, dass ich da nicht eher drauf gekommen war.
Sofort kam mir der Gedanke, das zwischen den beiden vielleicht immer noch was lief, denn Carlo hatte eine Zeit lang einen Frauenverschleiß, das hatte Markus mir erzählt und Mirja und ihn hatte ich ein paar Mal öfter im Club zusammen reden sehen.

„Wir sind kein Paar mehr." Carlo stand neben mir und starrte ausdrucklos auf die Wandkritzelei.
Mir lagen Fragen auf dem Mund, aber Carlo machte den Eindruck, dass er nicht drüber reden wolle.
„Sie war meine erste richtige Beziehung. Zwei Jahre, das ist eine lange Zeit. Sie war perfekt. Perfekt für mich. Humorvoll, hübsch und spielerisch. Meine Mum hat sie geliebt. Sie kam super mit meinen Geschwistern klar, am besten mit Lena. Bis sie mich mit Markus betrogen hat, in der Schräglage auf der Toilette." Mir blieb die Luft weg.
Markus hatte Carlo seine Freundin ausgespannt? Die beiden waren die besten Freunde!
„Wieso ist sie dann noch eine gute Freundin?" die Frage rutschte mir einfach so über die Lippen.
„Weil sie eine sehr gute Freundin von Lucca ist. Und wir sie deswegen nicht einfach aus der Clique werfen können. Außerdem habe ich keinen Bock, dass die Geschichte erneut aufgerollt wird." Er wendete sich ab.

Bis sie mich mit Markus betrogen hat." Der Satz jagte mir eine Gänsehaut ein.
„Aber das ist lange her." Meinte er ausweichend und ich zog ihn in meine Arme.
2010 war gerade Mal knapp zwei Jahre her und ich war mir sicher, dass der 24.06 nicht der Tag war, wo die beiden sich getrennt haben. Aber es tat mir genug weh, wie sehr es Carlo noch traf, deswegen verdrängte ich meine Fragen, damit er sofort wieder auf Gedanken an sein Album kam.

„Ich werde dich vermissen, Carlito." Murmelte ich gegen seine Brust. Sein Herzschlag pochte gegen mein Ohr und ich spürte seine warmen Hände auf meiner Taille.
„Ich dich erst, du Chaotin." Ich hörte sein Schmunzeln.
„Du bist wohl eher der Chaot." Ich grinste ihn an und warf ein letzten Blick in den Raum.
„Bringst du mich noch hoch?" er nickte und gemeinsam liefen wir die Treppen hoch, wo Phillip, Carlos Vater bereits wartete.

Ich wusste, dass Carlo halb italienischer Abstammung war und wenn ich Phillip sah, wusste man auch warum. Er sah aus wie der typische Italiener. Die braunen Wuschelhaare, die ich so an Carlo liebte, die braunen, endlos scheinenden Augen und der gebräunt Teint. Vor mir stand Carlo in einer älteren Version.
„Phillip. Schön, dich kennenzulernen." Er hielt mir freundlich die Hand hin, die ich sofort mit „Ich bin Hanna, ebenfalls!" annahm. Bei der Ähnlichkeit verschlug es mir glatt die Worte.

„Bis dann, meld dich, wenn du angekommen bist." Er schlang erneut die Arme um mich und ich nickte.
„Sobald ich wieder da bin, komme ich vorbei. Bis dann." Ich löste mich und stieg in den schwarzen Benz, der fahrbereit auf mich wartete.
Ich winkte zum Abschied und fuhr danach aus der Einfahrt.

„Ich freue mich überhaupt nicht. Jürgen hat bestimmtwieder am Hotel gespart und wir müssen in Hochbetten in einer Jugendherbergeübernachten!" stöhnte Mila genervt und Leo grinste.
„Ich hab gehört, dass wir dieses Mal ein Hotel bekommen, also alles cool." Ichsah flüchtig aus dem Fenster, wo die Wolken wie der Boden unter dem Flugzeugschwebten.
„Und auch wenn, die Hochbetten waren doch super!" beteiligte sich jetzt auchLeo.
„Leo, nur weil du dich betrunken hast und stramm warst, fanden wir das nichtalle automatisch cool!" Mila schlug ihm spielerisch gegen den Oberarm undlehnte dann ihren Kopf an seine Schulter. Also doch ein Paar.

Mein Handyklingelte und zeigte eine neue Nachricht von Carlo an.
„Du Diebin hast meine Motivation und Ideen mitgenommen. Komm schnell wiederher!" ich musste lächeln. In meiner Magengegend blieb ein wohlig warmes Gefühl.
„Bin gerade tausend Meter über dem Boden, vielleicht kann ich den Piloten dochnoch bestechen! ;)"
Als Antwort kam nur ein Herz.

Und in dieser Sekunde kamen mir sowohl die drei Tage Berlin, als auch die dreiWochen ohne Carlo wir eine halbe Ewigkeit vor. Einfach unerträglich.

Upload-Donnerstag! Ich hoffe, euch gefällt das Kapitel!
Hatte letztens eine super Idee und habe bereits das Kapitel fertig, aber bis dahin muss ich noch ein paar andere schreiben :(
Schaffen wir mit diesem Kapitel die 1K Leser?
Würde mich sehr freuen!
Bis Sonntag!! <3

Ich will nur dich.Where stories live. Discover now