37. und jetzt geh

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Hanna

Was würde mich jetzt schon hier halten? Carlo war vorhin nicht gekommen, um mich zu verabschieden, er hatte sich nicht blicken lassen. Flo hatte mich zum Bahnhof gebracht, seine aufmunternden Worte prallten kalt an mir ab. Was würde jetzt aus uns werden?

Luis hatte sich gemeldet, ich würde mit nach Amerika kommen, die erste Gage habe er mir auf das Konto überwiesen und bei der Höhe des Geldes wurde mir schwindelig.

Die Jungs würden heute in Wien spielen, die Tour neigte sich dem Ende und ich war so stolz auf meinen Jungen. So stolz.
Bei Pia habe ich mich als einzige verabschiedet, sie wusste keine Details. Sie stand unter dem Glauben, dass das wegen meiner Arbeit war und ich mit einer Autorin an einem Projekt arbeitete.
„Melde dich und pass auf dich auf, Maus." Sie zog mich feste in ihre Arme und ich hielt meine Tränen nur schwer zurück.
„Ich ruf dich an, sobald ich dort bin." Luis war noch nicht da, laut seiner SMS würde er in zwanzig Minuten hier sein, solange würden Pia und ich uns anschweigen und die Tränen zurück halten.

Carlo wird mich hassen, was er sowieso schon tat. Aber was blieb mir anderes übrig? Natürlich konnte ich sein Geld annehmen, aber wie fühlt es sich an, dem Menschen, den man liebt durchgehend auf der Tasche zu liegen? Ich konnte nicht verantworten, dass Carlo mir mein besseres Leben finanzierte, auch wenn er die perfekte Möglichkeit dazu hatte. Ich war selbstständig genug, mein Leben auf die Reihe zu bekommen. Ich war dazu imstande, meine Existenz am Leben zu halten. Ich tue das nicht zum ersten Mal.

Der silberne Mercedes fuhr die Straße rauf und ein attraktiver Luis stieg aus und lächelte.
„Schön dich zu sehen, Hanna." Er nahm mir höflich den Koffer ab und ich drehte mich zu Pia um, um ihr die letzte Umarmung zu geben. Nur das Pia da nicht mehr alleine stand. Flo hatte sie im Arm und ein blasser Carlo stand neben den beiden und sah mich verzweifelt an.
„Was macht ihr hier?" meine Geschocktheit verwandelte sich augenblicklich in Wut auf Pia. Wieso hatte sie die beiden verdammt nochmal angerufen? Sie wusste, dass ich Streit mit Carlo habe und ich ihn nicht sehen wollte.
„Dich vor einer großen Dummheit bewahren." Meinte er ruhig und ich schnaubte.

Wütend blickte ich sie an. Wie sie da standen, verzweifelt und enttäuscht.
„Hanna, bitte." Carlos Stimme war ganz leise geworden und seine braunen Augen strahlten Verzweiflung aus.
„Was Hanna? Was Carlo? Glaubst du echt, du kannst mich umstimmen?" rief ich und drückte meinen Tränen nicht nach hinten.
„Nein, aber vielleicht deine Eltern, die dich besuchen wollten und das jetzt sehen müssen." Meine Augen wurden groß, als hinter ihm meine Eltern auftauchten.

„Liebling, wenn du da jetzt einsteigst..." mein Vater war einen Schritt auf mich zugekommen, meine Hand klammerte sich kalt um die Türöffnung des Mercedes. Der Himmel wurde pechschwarz, gleich würde ein ohrenbetäubender Donner herumschlagen.

„Was dann?! Sag es, was ist dann, wenn ich da einsteige!?" brüllte ich ihn an. Tränen waren endgültig in meine Augen getreten und meine Sicht verschwamm. War das jetzt Carlos Taktik? Meine Eltern gegen mich aufhetzen? Mit Sicherheit hatte er ihnen nur das Schlechte von Luis erzählt, sicher nicht die guten Seiten.

„Dann brauchst du nicht widerkommen." Die Wörter aus dem Mund meines Vaters trafen mich wie ein Schlag in die Magengegend. Mir wurde augenblicklich übel und ich wand mich ab.
„Hanna verdammt!" mit einem Satz spürte ich Carlos Gestalt in meinem Rücken, seine warmen Hände, die sich unter meinem Mantel an meine Taille schmiegten.
„Du kannst jetzt nicht gehen. Du kannst nicht." Aus seinen Augen lief ganz schnell eine Träne über die Wange. Er weinte, wegen mir.

„Hanna, ich-ich kann dich nicht verlieren. Bitte Baby." Seine Stimme war kaum mehr als ein Wispern.
„So wie du Mirja verloren hast?" brüllte ich ihn an.
„So wie ich noch keinen verloren habe. Hanna, du bist das Beste, was mir im Leben passieren konnte! Ich liebe es, morgens neben dir aufzuwachen, dich im Bad summend Zähne putzen zu sehen. Ich liebe es, mit welchem Gefühl du liest, als wenn du abtauchst in eine andere Welt, ich liebe es, wie du meine viel zu großen Pullover umkrempelst, damit du deine Hände siehst. Ich liebe dein Lachen, deine Art und deine Aufmerksamkeit. Ich liebe es verdammt nochmal, wie du mich ansiehst, wenn du mich berührst und mich küsst. Hanna, ich liebe dich!" seine Hand hatte sich in meine gekrallt, lauter Tränen liefen über meine Wange und ich konnte ihn nur ansehen. Carlo war nie der romantische Freund gewesen, unsere Beziehung baute immer auf unserer Freundschaft und allein ‚ich liebe dich' von ihm zu hören, war etwas derartig besonderes.

Meine Vater, der meine Mutter in den Arm genommen hatte brachte sich langsam vor dem Regen in Sicherheit. Pia und Florian, die enttäuscht da standen und nichts sagten.

„Du lügst, verdammt nochmal du lügst!" schrie ich ihn an, als der erste Donnerschlag den Boden zum Beben.
„Was denkst du denn?! Das du für mich ein Spiel bist? Nur belangloser Spaß?!" schrie er zurück und meine Hand landete pfeffernd auf seiner Wange. Erschrocken wich ich einen Schritt zurück.
Ich hatte ihm das erste Mal eine Ohrfeige gegeben, ihm, der Liebe meines Lebens. Mein Verstand schien komplett durchzudrehen und ich hing an ihm, wie eine Marionette.

„Soll es das jetzt gewesen sein? All das?" seine Stimme war monoton, seine Hand verweilte auf seiner Wange, während aus seinen klatschnassen braunen Strähnen Wasserstopfen fielen.

„Du traust mir sowas doch gar nicht zu, nur weil Mirja sich in Luis geirrt hatte, denkst du, ich würde dasselbe tun." Warf ich ihm gekränkt vor. Meine Worte schienen wie Marionetten eines Gefühls, dass sich weiter und weiter in mich hineinsteigerte.
„Sag sowas nie wieder."
„Du hasst mich doch sowieso schon." Er kam einen großen Schritt auf mich zu und presste mich mit seinem Körper ans Auto, drückte seine kalten Lippen fest auf meine. Und wie sehr hatte ich diesen Moment vermisst? Dieses Gefühl vom explodierenden Dynamit, wenn man einem lauwarmes Wasser über den Körper kippt. Er löste sich und sah mich eiskalt an.

„Und jetzt geh, wenn du immer noch der Meinung bist."



Donnerstag!

Ohje, ohje, was ein Drama? Tut Hanna euch leid? Kann irgendjemand hier sie verstehen?
Und was denkt ihr ... wird sie gehen?

Hinterlasst eure Vermutungen gerne in den Kommentaren!

Wir lesen uns Sonntag! a.

Ich will nur dich.Where stories live. Discover now