41. Vielleicht

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Langsam und sanft schlich sich der Sommer in Stuttgart ein und meine Arbeit entspannte sich von Tag zu Tag mehr. Es kam mir vor, wie ein neues Leben.
Fabian, mein Chef, war sichtlich gelassener, als Jürgen. Meine Arbeit war sehr viel kontaktfreudiger und endlich den richtigen Aufgaben einer Lektorin gerecht, ich war endlich angekommen.
Bei Carlo hatte die Festivalsaison begonnen und er war teilweise tagelang weg, um Interviewtermine und Auftritte unter einen Hut zu bekommen.
Aber sobald er weg war, konnte ich wieder atmen, ohne mich beherrschen zu müssen, ihn nicht zu berühren. Alles in mir schrie nach ihm, aber ich konnte nicht. Er wollte nicht und das hatte ich nach all dem zu akzeptieren.
Wir sprachen zwar wieder öfters, aßen wieder gemeinsam und versuchten, ein normales WG Leben zu leben, dabei wussten wir, dass es alles andere als normal war.

Die Kostenverrechnung kostete mich ziemliche Nerven und ich war froh, als eine Nachricht auf meinem Handy einging.
Carlo: Kannst du mich am Flughafen abholen? Steffen musste weiter." Ich schluckte und las die Nachricht noch einmal durch. Von den anderen hatte er nichts geschrieben, aber ich konnte mir denken, dass die Jungs wahrscheinlich nicht mehr fahren durften und von anderen abgeholt wurden, also antwortete ich.
Klar, bin gleich da."
Ich schnappte mir meine Jacke und die Autoschlüssel und zog leise die Tür hinter mir zu.

„Hey." Mit seinem Camouflage Rucksack auf dem Rücken und einer Reisetasche grinste er schief zur Tür herein und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen.
„Hey." Ich rang mir ein Lächeln ab und fädelte mich in den Abendverkehr ein.
Eine Weile schwiegen wir uns an, bis ich es nicht mehr aushielt und ihn kurz ansah.
„Wie wars?" überrascht nahm er den Blick von seinem Handy.
„Gut, wirklich. Rock am Ring hats drauf. War krass." Ich nickte. Rock am Ring, 90.000 Menschen und mein Carlo mittendrin. Ich war so verdammt stolz auf ihn.
„Und du? Arbeit?" ich nickte erneut. „Irgendeine Kostenabrechnung, aber da steige ich selber noch nicht ganz durch." Er sperrte sein Handy und ließ es in seiner Hosentasche verschwinden, ehe er sich wieder mir widmete.
„Ich kann dir gerne helfen. Und wenn wir beide zu blöd sind, dann ruf ich Benno an. Mein Bruder regelt auch meine Geldgeschäfte, hat da echt 'n Händchen für."
„Okay." In der Straße bemerkte ich eine kleine Gruppe von Mädels, die zappelig wurden, als sie unser Auto entdeckten.
„Fans?" ich schnallte mich langsam ab und er nickte.
„Ich hab meine Maske verstaut, keine Fotos also. Vorallem nicht vor unserer Wohnung." Bei dem Wort unsere hopste mein Herz kurz.
„Steig du am besten schnell aus, falls die Handys dabei haben. Ich klär das. Zur Not ruf ich Freddy." Einen Moment waren wir wieder ein Team und ohne zu zörgern befolgte ich seinen Anweisungen und stieg schnell aus dem Auto und verschwand ohne weiteres im Treppenhaus.
Als Carlo die Wohnung hoch kam, sah er sichtlich genervt aus.
„Die wollten doch tatsächlich Fotos machen. Ich hab sie weggeschickt und Freddy geschrieben, er soll hier nachher mal lang fahren."
„Okay. Willst du was trinken? Kaffee?" er schüttelte den Kopf.
„Ich will einfach nur ins Bett. Ich muss morgen früh schon wieder ins Büro." Damit verschwand er im Badezimmer, wo kurz darauf das Rauschen der Dusche erklang.
Seufzend ließ ich mich vor der Kostenabrechnung fallen und strich meine Haare nach hinten.
Es war kurz vor neun und ich saß gefühlte sechs Stunden an meiner Arbeit. Ehrlich gesagt war ich froh darüber, dass Carlo wieder zuhause war und mich die erdrückende Stille nicht einhüllte, wie ein schwarzer Umhang. Vielleicht konnte ich jetzt endlich wieder einschlafen.
Als das Rauschen verstummte und ein oberkörperfreier Carlo mit feuchten Haaren die Küche betrat, hatte ich meine Sachen bereits zusammen geräumt.
„Keine Lust mehr. Meine Konzentration sitzt irgendwo in den Untiefen meines Kopfs." Er schmunzelte und lehnte sich kurz in den Türrahmen.
„Ich geh schon schlafen." Meinte er leise und ich sah die tiefen Augenringe unter seinen Augen.
„Okay, ich werde mir noch einen Film ansehen. Schlaf gut." Seine Silhouette verschwand in seinem Schlafzimmer, ich im Wohnzimmer.

Mit einem Ziehen im Nacken wachte ich auf und musste mich kurz im dunklen Raum orientieren. Der Fernseher war aus und die Wolldecke lag über meinem Körper. Mein steifer Nacken schmerzte höllisch und langsam setzte ich mich auf. Mein Handy zeigte kurz vor drei an, als ich den Wasserhahn aus der Küche hörte.
„Carlo?" flüsterte ich, als ich seinen Schatten am Fenster sah. Ertappt drehte er sich um und lächelte leicht.
„Wieso bist du wach?" wisperte er leise und ich näherte mich ihm.
„Steifer Nacken." Ich grinste schief. „Und du?" er sah raus auf das dunkle Stuttgart.
„Ich kann einfach nicht schlafen." Murmelte er und ich nickte. Ich auch nicht, Carlo. Seitdem du weg bist fehlt mir etwas.
„Ich auch nicht." Rutschte es mir leise heraus. Unsere Blicke trafen sich und einen Moment elektrisierte sich mein ganzer Körper. Hatte ich jetzt zu viel gesagt?
Ich weiß nicht, welcher Teil es in mir war, aber irgendwas sehnte sich so sehr nach seiner Wärme, seine Arme, die sich an mich schmiegten, seine weichen Lippen auf meinen, sein Herzschlag an meinem.
„Du solltest schlafen gehen, Hanna." Hörte ich ihn und augenblicklich wurde mir schlecht. Er wollte nicht mehr. Er wollte mich nicht mehr.
Ich nickte schnell und blinzelte die Tränen weg, ehe ich mich abwand und in meinem Zimmer verschwand, wo heiße Tränen auf das Kissen fielen.

Carlo

Mein Herz zerbrach in Milliarden Teilen, als ich ihre tränengefüllten Augen im matten Licht erkannte. Ich hatte sie erneut zum Weinen gebracht, ich war einfach nicht mehr gut genug für sie.
Mit einem Zug leerte ich das Glas und atmete tief ein.
Aus ihrem Zimmer drang ein leiser Schluchzer, als ich meine Hand bereits auf der Türklinke lag.
Es würde mich nicht viel Kraft kosten, diese herunter zu drücken und sie in den Arm zu nehmen, wie früher. Sie in mein Bett tragen, ihren Kopf an meinen Nacken zu legen und ihre Stirn zu küssen. Mit ihr in diesem Moment alles zu vergessen. Aber meine Hand wich von der Klinke und im nächsten Moment lag ich zwischen meinen zerwühlten Laken, mit einem Stift und einem Blatt Papier.
Und dann kamen die Worte von ganz allein.
Vielleicht ist es gerade besser wie es ist,
kann sein, vielleicht aber auch nicht.
Und vielleicht gibt es 'nen Besseren als mich,
doch vielleicht passt zu dir niemand besser als ich.
Vielleicht solltest du nicht schreien, wenn dich was stört,
vielleicht hätte ich dann besser zugehört.
Vielleicht hätte ich verstanden was dich stresst.
Vielleicht wärst du dann nicht weg.*

Das Knistern von Papier und Helligkeit der Sonne riss mich kalt aus meinem Schlaf, unter meiner Wange lag mein Stift und geknittert im Bett der Songtext, den ich gestern Nacht geschrieben habe.
Die Stille im Haus ließ mich erahnen, dass Hanna bereits arbeiten war und nach dem Schauen auf mein Handy wusste ich auch, dass ich mal wieder zu spät im Büro sein würde. Aber was solls, ich habe einen neuen Song und der gleicht das sowieso wieder aus.
Ich brauchte knapp zehn Minuten unter der Dusche, meinen Kaffee kaufte ich bei McDonalds und schon stand mein Benz auf dem Parkplatz bei Chimperator.
„Schön, dass sich der feine Herr auch noch blicken lässt." Murrte Kody und ich seufzte.
„Hier, ist das eine Entschuldigung?" der zerknitterte Zettel sah vielleicht super aus, aber das was drauf stand war mehr wert.
Kody überflog die Zeilen und sah mich dann eine Zeit lang an. Ich wollte ihn schon fragen, ob er noch anwesend ist, als er sich räusperte.
„Du solltest dir das Mädchen zurückholen, Carlo."


Endlich wieder Donnerstag!

--Bitte lesen--

Meine Geschichte ist frei erfunden und der Handlung angepasst. Ich arbeite mit dem Buch 'Easy does it' & zahlreichen Recherchen im Internet an meiner Seite und ich weiß, dass Termine & Daten nicht immer passen und der Realität entsprechen, aber ich kann dies der Geschichte leider nicht anpassen und ändern, bitte akzeptiert das. Ich gebe mir sehr viel Mühe, die Termine der Wirklichkeit gerecht zu halten und nehme dafür auch öfters ein wenig mehr Arbeit in Kauf. Ich bitte um Verständnis.

*ich habe keine Rechte an diesem Songtext.

Wir lesen uns Sonntag!a.


Ich will nur dich.Where stories live. Discover now