24. Notaufnahme

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Die Notaufnahme war leer, als wir ankamen. Carlo meldete mich bei der Schwester an, die sah uns musternd an. Wir hatten noch unsere farbbeklecksten Anzüge an und Carlo hatte an seiner Stirn dickes blaues Pulver hängen. Wie ich aussah, wollte ich in diesem Moment gar nicht wissen.

„Sie dürfen dann noch Platz nehmen." Desinteressiert kaute sie auf ihrem Kaugummi.
„Aber hier ist doch niemand?" Carlos Halsadern waren vor Wut ganz angeschwollen.

„Lieber Herr, wir sind hier ein Krankenhaus und hier kommen täglich Notfälle an. Aber wir müssen die mit dem Notarzt eingelieferten Fälle vorziehen. Da geht es teilweise um Leben und Tod." Sie funkelte ihn böse an.

„Ach, meiner Freundin wurde die halbe Pulsschlagader aufgeschlitzt und nur weil wir nicht mit dem Krankenwagen sind, müssen wir warten? Ich fasse es nicht!" er raufte sich durch die Haare, während ich das Taschentuch weiterhin auf meinen pochenden Hals drückte.

„Carlo lass gut sein. Es tut kaum weh." Ich sah ihn lächelnd an.
„Am liebsten würde ich sie verklagen." Spuckte er sauer und eilte an mir vorbei ins Wartezimmer.

„Frau Tiekler?" ein älterer Herr im weißen Kittel sah mich gezielt an. Außer uns saß hier ja auch keiner.

„Endlich." Presste Carlo durch seine Zähne hervor.
Wir folgten ihm in ein weißes, steriles Behandlungszimmer, in dem ich auf die Liege gebeten wurde.
„Was ist denn passiert?" er desinfizierte sich die Hände und nahm sachte das Tuch von meinem Hals.
„Ich ähm..." ich konnte doch schlecht sagen, dass ich mit Steinen beschossen wurde?
„Sie wurde von einem Stein getroffen. Am Hinterkopf auch." Nahm Carlo mir die Erklärung ab und ich nickte.

„Der Stein hat einen kleinen Schnitt hinterlassen, den ich nähen muss. Es wird wahrscheinlich eine kleine Erinnerungsnarbe bleiben." Er sah mich ernst an. Erinnerungsnarbe. Was eine schöne Erinnerung an eine wildgewordene Ex, die versucht hat, mich halb zu ermorden.
Er sah sich ebenfalls den Hinterkopf an, bei dem lediglich eine dicke Beule folgen würde.

Nach drei kleinen Stichen und einem dicken Pflaster entließ mich der Arzt und verschrieb mir noch Schmerzmittel.
„Vielen Dank." Rief ich und folgte Carlo aus der Station.
„Ich bin so durch." Moserte er und setzte mich auf sein Quad.
„Lass uns einfach zurück ins Hotel und uns auf dem Zimmer verkriechen." Ich umschlang seinen Bauch.
„Pia schläft bei dir." Er zog enttäuscht seine Mundwinkel zu einem gequältem Lächeln nach oben.
„Dann schläft sie eben bei Flo. Markus kann dann ja auf das andere Zimmer." Er nickte bloß und drückte aufs Gaspedal.

Wenn ich die Situation von vorhin vergessen würde, wäre es ein wirklich schöner Tag gewesen.
Durch die Scheibe des Helmes blickte ich dem blassrosa Sonnenuntergang zu, der sich über die Bergspitzen schlängelte. Es war schon spät und trotzdem war es noch hell.

Zwei Tage würden wir noch hier sein, dann wäre die Erholung zu Ende und ich würde Carlo erstmal nicht mehr zu Gesicht bekommen.
Aber auf der anderen Seite freute ich mich für ihn. Seine erste richtige Tour mit seinem richtigen Album, das bald rauskommen würde und sein Erfolg kletterte an einer Leiter weiter nach oben. Er hatte den richtigen Nerv getroffen und war von ein auf die andere Sekunde ein Star.
Das das Quad langsamer wurde und anhielt, ließ mich aus meiner Gedankenwelt fahren.
„Komm." Er half mir herunter und gemeinsam nahmen wir den Fahrstuhl nach oben.

„Ich geh eine rauchen." Er schnappte sich seine Schachtel und verzog sich auf den Balkon, wo er auf seinem Handy herumspielte.
Erschöpft krempelte ich mich aus dem Anzug, warf ihn in den Mülleimer und verschwand im Badezimmer zum Duschen. Ein Glück bekam ich ein wasserabweisendes Pflaster.

Auf meinem Handy wurden unzählige Benachrichtigungen angezeigt, Nachrichten auf WhatsApp und hunderte Menschen, die mir auf Instagram folgen wollten.

Verwirrt runzelte ich die Stirn und klickte mich durch die Profile, die mir folgen wollten.
Es waren hauptsächlich Cro Fans, als ich auf Carlos offiziellem Instagramprofil nachsah, wusste ich auch wieso.

Carlo hatte ein Bild gepostet, wo ich mir das Gesicht zuhalte und nur meine Hände mit meinen Ringen und meinen braunen Haaren sah. Die Kommentare darunter handelten nur von mir.
Hat Carlo eine Freundin?"
Ist das Cros Freundin?"
Das ist locker nur ein Model von VIOVIO, oder so."
Ich hoffe, er bleibt Single!!!"

Und hier und da einige unangenehme Beleidigungen, bei denen mir ein Lächeln über die Lippen huschte. Wie lustig und erbärmlich zugleich.

„Hübsches Mädchen!" rief ich Carlo zu und hielt ihm das Bild entgegen.
„Die schönste!" rief er grinsend zurück und schnippte seine Zigarette aus.
Ich sperrte grinsend mein Handy und lehnte mich erschöpft aufs Bett.

„Schlafen die anderen schon?" fragte ich, als es im selben Moment klopfte.
Vor der Tür stand Pia, die mich erleichtert ansah.

„Gott, dir geht's gut." Carlo verzog sich ins Badezimmer, wo eine Minute später das Rauschen des Wassers zu hören war. Genug Zeit, um Mädchengespräche zu halten.

„Sie ist abgereist. Alleine." Pia sah mich eindringlich an.
„Mirja?" unglaubwürdig starrte ich sie an.
„Ja. Kurz nachdem ihr ins Krankenhaus gefahren seid, sind wir zurück. Da hat sie ihre Tasche gepackt und sich den nächsten Flug gebucht. Basti hat sie gebracht." Ich starrte die Decke an.

„Und Lucca?" ich schluckte.
„Er war danach auf seinem Zimmer und hat sich da verkrochen. Keine Ahnung, er war nicht beim Abendbrot." Ich nickte.

„Ich rede nachher mit ihm." Ich sah zurück in ihre eisblauen Augen.
„Könntest du heute Nacht, also ähm.." fing ich an, aber sie nickte.
„Ich schlaf bei Flo." Sie zwinkerte und nahm mich in ihre Arme.

„Schlaf gut, bis morgen." Sie zog leise die Tür hinter sich zu und ich setzte mich auf.
Ich sollte jetzt noch mit Lucca reden, ich hatte das Gefühl, dass er mit der Situation überfordert war.

Mein Klopfen war leise, Stille drang an meine Ohren, bis die Tür einen Spalt breit aufging.
„Hey." Flüsterte ich und traurig sah er mich an.
„Komm rein."

„Ich dachte wirklich, sie mag mich." Lucca sah auf seine Hände. Ich hatte mich neben ihn aufs Bett gesetzt und seufzte.
„Das dachte ich auch. Lass sie einfach ziehen. Wenigstens geht dann die Clique nicht kaputt. Sie hat bereits mehr kaputt gemacht, als sie sollte." Ich lehnte mich an ihn.
„Es tut mir so leid, Hanna. Ich hätte nie geglaubt, dass sie das macht." Ich nickte bloß.
„Alles gut. Sie ist ja jetzt weg. Komm her." Ich zog ihn in meine Arme und spürte seine warme Hand an meinem Rücken.

Ich hatte meinen besten Freund wieder.

Hey Guys, es ist wieder Donnerstag!

Vielen vielen Dank für die zahlreichen Votes und Komentare beim letzten Kapitel, es freut mich immer so!

Morgen geht die Unplugged Tour los, hui <3 ich freue mich so.

Wir lesen uns Sonntag!

Ich will nur dich.Kde žijí příběhy. Začni objevovat