62. Letzte Chance

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Als ich meine Augen aufschlug, leuchtete die Sonne durch das Fenster und hellte das Zimmer auf. Ich musste kurz realisieren, dass ich noch im Krankenhaus lag und nicht zuhause mit Hanna im Bett lag.
Ich stöhnte vor Müdigkeit und setzte mich ein wenig auf, neben meinem Bett auf dem Nachtschrank lag ein kleiner Zettel:
Bitte ruf mich an, sobald du wach bist. Wir können über alles reden. Kody.
Ich seufzte leise und fingerte mein Handy. Kurz vor eins, Kody müsste im Büro sein.
Ich wählte Kodys Kontakt und drückte auf Anrufen, bis er abnahm.
„Carlo?" fragte er nochmal und ich nickte, dabei konnte er das gar nicht sehen.
„Ja, ich hab deine Nachricht gelesen. Du kannst rumkommen."
„Okay, gib mir eine viertel Stunde." Ich nickte wieder. „Bis gleich."

Als Kody das Zimmer betrat, hatte ich mir gerade einen neuen Hoodie übergezogen und tippte auf meinem Handy rum.
„Hey." Er zog sich einen Stuhl ran und ich legte mein Handy weg.
„Hey."
Er zögerte, suchte nach den richtigen Worten, um mir die Situation zu erklären.
„Carlo, hör zu..." fing er an und sah mir dann in die Augen.
„Wir wissen beide, was Hanna für eine Rolle spielt. Für dich, für Cro, für uns alle. Und ich sag dir, ich weiß wie das ist. Jemanden zu verlieren, der einem alles bedeutet. Es ist, als wenn man einem den Boden unter den Füßen wegzieht. Selbst dann, wenn man am Verlust selber beteiligt ist." Ich schwieg. Ich wollte dazu nichts sagen, ich nickte nur schwach.
„Meine damalige Frau hat die Scheidung eingereicht, nachdem sie erfahren hat, dass ich sie betrogen habe." Ich sah augenblicklich auf. Kody hat seine Frau betrogen? So hätte ich ihn niemals eingeschätzt und nie hat Kody groß über seine Vergangenheit gesprochen. Ich wusste nur, dass er verheiratet war.
„Ja, so hat sie auch geschaut. Aber ich hab weiter gemacht, Carlo. Ich hab nicht den Kopf hängen lassen, hab Chimperator nicht im Stich gelassen. Einfach, weil da zu viel dran hängt. Und du kannst dein Leben nicht wegwerfen, weil du Scheiße gebaut hast. Steh dazu. Steh dazu und mach weiter. Was ist aus dem lebensfröhlichen Carlo geworden? Stattdessen sehe ich hier eine schlaffe Hülle, die sich mit irgendwelchem Kerlen vor einem Club schlägt, weils mal nicht läuft. Ich weiß, wie wichtig dir Hanna ist und welch eine Bedeutung sie bei deiner Musik hat, aber du kannst doch nicht alles wegwerfen. Musik ist dein Leben, Carlo. Das wissen wir beide." Meine Lippen zitterten.
„Ich bin jetzt auch nicht hier, weil ich dich zu was zwingen will, du bist erwachsen genug. Aber denk gut darüber nach, was du tust. Was du aufgibst." Ich nickte leicht. Er stand auf und drückte kurz meine Schulter, machte dann auf den Absatz kehrt und lief zur Tür. Als er die Klinke drückte, verharrte er kurz.
„Selbst wenn du alles hinschmeißt, ich steh hinter dir. Ich weiß, wie das ist." Er hatte sich nicht umgedreht und ging nach diesen Worten, ohne mich noch einmal anzusehen.

Hanna

Als ich Markus seine SMS bekam, war ich augenblicklich ins Auto gesprungen und ins Stuttgarter Krankenhaus gefahren. Ich hatte noch nie so geflucht, aber als ich in sein Stimmer gestürzt bin, verstummte ich augenblicklich. Er war am Schlafen, unruhig, aber weg aus dem Leben. An seiner Nasen klebten noch Blutspuren und seine Faust war rot geschwollen.
Ganz leise hatte ich mich auf sein Bett gesetzt und gezögert, seine Hand zu nehmen. Aber sie fand den Weg zu seiner. Sie war warm, so wie immer. Er zuckte, während ich die Luft anhielte, aber er schlief weiter.
Ich hatte ihn nur angestarrt, hatte mich gefragt, wie ich das die gottverdammte Zeit ohne ihn aushielt. Ohne seine Lippen, seine Berührungen, seine Anwesenheit. Aber irgendwie schaffte ich es.
Er brummte irgendwas unverständliches, bis ich meinen Namen heraus hörte.
Zwei schnelle Tränen boten sich ein Wettrennen über meine Wange und tropften auf die weiße, sterile Decke, wo sie einen kleinen, feuchten Fleck hinterließen.
„Ich liebe dich." Wisperte ich und unterdrückte einen Schluchzer. Wir beide hatten so viel verloren, wie kein anderer. Und das innerhalb einer Sekunde. Innerhalb einer SMS.
„Ich dich auch, mehr als alles andere auf dieser Welt." Brummte er und ich hielt mir die Hand an den Mund, um nicht los zu schluchzen.
Ich ließ seine Hand los und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn, bevor ich verschwand.
Und jetzt saß ich hier, auf dem Skateboardplatz, mit einer Becks Flasche in der Hand und sah dem grauen Himmel dabei zu, wie er dunkler wurde.
„Hanna?" ich sah auf, als Markus sich neben mich setzte.
„Hey." Ich sah wieder auf den Himmel.
„Warst du bei Carlo?" ich nickte bloß.
„Und?" er sah mich an.
„Keine Ahnung. Tut weh." Er nickte.
„Er will aufhören. Mit CRO." Mir fiel beinahe die Flasche aus der Hand.
„Was?"
„Er ist im Büro komplett ausgeflippt. Er meinte, er ist raus. Übermorgen will er die Maske absetzen, dann ists aus." Ich schluckte schwer. Mein Junge will seinen Stolz ablegen, sein Ein und Alles. Und schuld sind wir. Wir beide, weil wir es nicht schaffen.
„Scheiße." Brachte ich hervor und er nickte.
„Hanna, ich will dich zu nichts nötigen, aber du wärst die letzte, die das alles retten kann." Ich nickte. Ich weiß, Markus. Aber ich weiß nicht, ob ich mich traue.
Ich setzte die Flasche an meine Lippen und wartete darauf, dass Markus was sagte, weil er nervös auf seiner Unterlippe kaute.
„Carlo ist nicht so. Nicht mehr." Ich sah ihn an.
„Das er immer Frauen hinterher starrt, was mit anderen hat. Er war betrunken und die Frauen waren halt einfach da. Er hat gedacht, dass er dich so vergessen kann. Aber das konnte er nicht. Das wird er nie können." Als Markus Blick meinen traf, rollte eine Träne über meine Wange.
„Ich ihn auch nicht." Flüsterte ich und ließ die Tränen los, stumm zog er mich an sich, um selber nicht zu weinen.
„Ich glaube an euch, Hanna. Ihr bekommt das hin. Du schaffst das." Gemeinsam saßen wir da, ich halb in seinem Arm, mit Tränen auf den Wangen, während die grauen Wolken vorüber zogen und es dunkel wurde. Er brachte mich heim, machte mir noch einen Tee und verschwand dann, um mich nachdenken zu lassen. Aber was sollte ich groß darüber nachdenken? Über den Mann, der mir mein Herz gebrochen hat, dem ich seine Tat nie verzeihen könnte? Seine Maske, seine Musik, das war sein Stolz. Sein Leben, für das er seine ganze Kraft aufbrachte. Was sollte ich einem erwachsenen Mann sagen, der aus lauter Erschöpfung nicht mal mehr seine Karriere packte? Ich wusste nicht, was ich darüber denken sollte. Das werde ich nie wissen.

Ich kaute nervös auf meiner Unterlippe, als ich Steffen durch die großen Gänge folgte. Der Backstagepass baumelte an meinem Oberschenkel und er schwieg. Vielleicht kamen wir bereits zu spät.
Gedämpft hörte ich die laute Menschenmenge und SAM, die dort ordentlich für Stimmung sorgten.
Ich holte tief Luft, als wir Backstage ankamen und Kody und Basti mich erleichtert und geschockt zugleich ansahen.
„Wo ist er?" fragte ich und sah mich zwischen den ganzen Menschen um.
„In seinem Bereich, er kommt gleich. Du kannst am besten dort warten." Er zeigte zwischen die schwarzen Kisten, auf die ich mich setzen konnte.
Unruhig ließ ich mich nieder und wartete auf die Jungs, aber als die Tür aufging, blieb mir die Luft weg.

Mittwoch!

Verdammt, es tut so weh zu wissen, dass Freitag das letzte Kapitel kommt.

Mein Baby hat einfach 9K Leser und argh.

Würde mich echt über Feedback freuen!

Wir lesen uns Freitag! a.

Ich will nur dich.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt