50. Wir packen das

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Meine Augen flatterten über den Artikel, Carlo, Papa, Freundin, Baby. Woher die das wussten, stand nicht dabei.
„Wer denkt sich sowas aus?" er schmunzelte und tippte nebenbei auf seinem Handy rum.
„Nala." Ich schluckte schwer, als ich immer wieder den Verfasser des Artikels erblickte und bereute im nächsten Moment, meine Gedanken laut ausgesprochen zu haben.
„Was?" er fixierte mich und mein Herz schlug höher. Meine Mauer schien zu zerbrechen. Wie soll ich mich jetzt aus dieser Situation retten? Konnte ich mich überhaupt noch retten?
„Nala?" die Stimmung im Raum spannte sich augenblicklich an. Man könnte eine Stecknadel fallen hören.
„Warum sollte Nala sich sowas ausdenken?" ich antwortete ihm nicht, sondern starrte auf den Artikel. Los Hanna, sag was, rette dich verdammt! Schrien meine Gedanken und ich bekam schwitzige Hände.
„Hanna? Warum sollte Nala sich sowas ausdenken? Das ist doch nicht wahr?" in seiner letzten Frage schwang Verzweiflung mit. Wieder schluckte ich. Mein Mund war plötzlich komplett trocken und ich wagte mich nicht, jetzt in seine Augen zu sehen. Aber ich wusste, dass er bereits Bescheid wusste. Meine gut aufgebaute Mauer zerbrach in dieser Sekunde.
„Fuck." War das erste, was er sagte und mein Herz stach. Fuck.
„Hanna, sag mir, dass das ein Witz ist." Ich konnte nur leicht den Kopfschütteln. Nein Carlo, das war kein Witz. Meine Augen fanden seine, purer Schock kennzeichnete das warme braun.
„Oh Gott." Er stand auf.
„Carlo, ich-" aber er unterbrach mich.
„Wieso hast du mir das nicht erzählt? Gott verdammt, Hanna! Wie lange weißt du das?" seine Stimme wurde lauter und ich zuckte.
„Seit dem Unfall." Murmelte ich leise und beinahe fiel seine Kinnlade herunter.
„Seit, was?! Das ist verdammte drei Wochen her, Hanna!" er schrie.
„Wann hattest du mir vor, das zu erzählen? Hattest du vor, mir das überhaupt zu erzählen?" ich schwieg.
„Das geht uns beide was an, okay? Du hättest mir das erzählen müssen, statt mich zu belügen. Stattdessen hast du es der nächst fremden Reporterin erzählt, statt mir." Er raufte sich durch die Haare.
„Ich konnte doch nicht wissen, dass Nala für die Zeitung arbeitet!" Verteidigte ich mich.
„Es ist mir egal, Hanna! Du trägst sein Wochen dieses Ding mit dir rum und hattest nicht mal vor, mir davon zu erzählen!" brüllte er plötzlich und rauschte im nächsten Moment aus der Wohnung. Die Tür fiel knallend ins Schloss und Tränen sammelten sich in meinen Augen. Dieses Ding. In den letzten Wochen hatten mich keine Worte so sehr getroffen wie dieses Ding. Es war unser Ding.
Mit brennenden Tränen schmiss ich den Artikel in den Müll und suchte das Schlafzimmer auf, in dessen Bett ich mich verkroch und die Tränen einfach los ließ. Spätestens jetzt wusste ich, dass ich mit der Situation komplett überfordert war.

Carlo

Mit meinem Benz rauschte ich ein wenig zu schnell ins Chimperatorbüro und stürzte nach oben.
Ohne jegliches „Hey Carlo." Und „Was machst du hier?" zu beantworten, knallte ich meine Bürotür zu und suchte meinen Rucksack, in dem meine Kippenschachteln waren. Eine Kippe, jetzt.
Ich riss das Fenster auf und zündete das schmale Ding zwischen meinen Fingern an, der Rauch in meiner Kehle beruhigte mich ein wenig.
Hier hatte also noch keiner den Artikel gelesen.
Ich werde Vater, die Vorstellung ließ mich übel werden. Ich war 23, am Anfang meiner Karriere und werde Vater? Die zweite Zigarette fand den Weg an meinen Mund.
Bevor ich weiter denken konnte, ging die Tür auf. Gefährlich, wer sich jetzt in diesen Raum wagte.
„Eh, Brudi. Was ist los?" Markus.
Ich zog tief und drehte dann meinen Kopf.
„Was?" rief ich und er musterte mich.
„Wieso gabs diesmal Stress?" er kam näher. Er kannte mich so gut.
„Ich werde Vater." Das Gesicht von Markus war Gold wert. So musste ich wohl ausgesehen haben.
„Diggi, ist heute der erste April, oder was?" er ließ sich gemütlich in meinen Bürostuhl fallen.
„Hanna ist schwanger, habs durch einen Zeitungsartikel erfahren." Ich schnippte die Kippe weg und zögerte kurz bei der dritten, entschied mich aber dagegen. Das bringt auch nichts.
„Carlo, meinst du das jetzt wirklich ernst?" Markus sah mich ernst an und ich nickte.
„Scheiße." Ich nickte wieder.
Wie sollte ich damit umgehen? Ich könnte Hanna niemals dazu zwingen, Gedanken an eine Abtreibung zu verschwenden. Das konnte ja nicht mal ich. Ich wusste nicht mal, wie ich überhaupt darüber denken sollte.
„Was sagt sie?" hakt er nach und ich sah ihn an.
„Sie hatte anscheinend nicht einmal vor, mir das zu erzählen. Sie weiß es seit dem Unfall, dann bin ich bin aus der Wohnung gerauscht." Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Wie dumm war ich? Sie war sicher selber damit überfordert und ich schrie sie zusätzlich noch an. Aber wieso hat sie mir das nicht erzählt? Sie konnte mit mir über alles reden, selbst über sowas. Das Gespräch hatten wir doch bereits bei der goldenen Hochzeit ihrer Eltern. Verdammt, wieso war sie nicht einfach ehrlich gewesen.
„Fahr zurück. Ihr braucht euch jetzt." Er hatte Recht. Wir brauchten uns. Und einen verdammt guten Lösungsvorschlag. Wir würden das schaffen. Wir waren Carlo und Hanna, ein Team, das Team. Wir hatten schon so einiges geschafft und auch das würden wir packen.
„Danke, Markus." Er nickte bloß. Ich zögerte, sollte ich jetzt wirklich heimfahren? Sie hatte mich angelogen mit einer solchen großen Lüge, dass ich am liebsten alle zerschlagen würde, aber das konnte ich nicht.
Mit meinem Rucksack im Schlepptau verließ ich das Büro und atmete im Auto noch einmal tief durch. Ich pack das. Wir packen das.
Ich ließ den Motor an und sah kurz auf mein Handy, aber sie hatte mir nicht geschrieben.

In der Wohnung war es so still, dass man meinen könnte, sie wäre nicht hier. Aber wo sollte sie in ihrem Zustand hin?
Ich schlüpfte schnell aus meinen Nikies und sah in allen Räumen nach, bis ich sie zusammengerollt im Bett wiederfand. Die Decke war zerknüllt in ihren Armen, hing halb über ihrem Oberschenkel. Als ich näher kam, sah ich die rot geschwollenen Augen. Sie hatte geweint und ich konnte es ihr nicht einmal übel nehmen.
Leise und langsam setzte ich mich und automatisch fanden meine Finger zu ihrer Wange, wo ich behutsam drüber strich, so, als wenn ich etwas kaputt machen könnte.
„Wir packen das, Baby." Flüsterte ich und legte mich ganz langsam dazu. Sie sah so friedlich beim Schlafen aus, so ohne Sorgen.
Ich versuchte mir eine Welt vorzustellen, wenn wir zu dritt wären. Wie sollte das was werden? Ich würde sie hoffnungslos alleine lassen, ich war doch ständig unterwegs.
Und sie? Soll sie ihr Leben, ihre Arbeit für ein Baby aufgeben? Ich konnte mir das nicht vorstellen.
Klar, Kinder haben ist was Tolles, aber jetzt? Eine Gänsehaut zog über meine Arme.
Wahrscheinlich gab es nie einen richtigen Zeitpunkt für sowas. Vielleicht wollte das Schicksal jetzt ein Kind. Einfach, um zu verdeutlichen, dass wir beide zusammen gehören.
Sie und ich.
Und das Baby.

Donnerstag!

Uff, so langsam ebbt der Höhepunkt dieser Geschichte ab, aber wartet noch ab.

Wir sind von Platz 470 auf 786 hochgerutscht, ups hahahah.

Ich würde mich sehr über Feedback freuen!

Wir lesen uns Sonntag! a.

Ich will nur dich.Where stories live. Discover now