23. Paintball

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In meinem weiß-matten Ganzkörperanzug, unter dem meine braunen Haare beinahe schwarz aussahen, drückte Carlo mich auf sein Quad.
Ich sah, wie Lucca ebenfalls auf seins stieg, an ihn gekrallt Mirja.

Seitdem Carlo mir das damals erzählt hatte, was sie abgezogen hat und sie Lucca scheinbar benutzte, hasste ich sie. Sie hatte Carlo damals an dem Punkt verletzt, wo es ihn richtig getroffen hatte. Sie hätte ihn beinahe verändert.

Markus hatte irgendwo her eine Vollcross Motorrad-Maschine bekommen, auf die nun auch er aufstieg.

„Bereit, Baby?" raunte Carlo mir mit einer dunklen, sexy Stimme zu und nickend hielt ich meinen geladenen Makierer hoch.

„Dann geht's los." Er nahm vor mir auf dem Quad Platz und ich schloss meine Arme um ihn.
Das Brummen der Maschinen ertönte, Carlos Quad startete als erste, zischte an den anderen vorbei und hinterließ einen Wirbel von Dreck.

Im Rückspiegel sah ich, dass Markus hinter uns fuhr und Lucca den Schluss bildete. Johannes und die anderen waren mit dem Van vorgefahren und warteten bereits oben im Wald.

„Mach sie nicht allzu fertig, Baby." Carlo bemerkte meinen bissigen Blick im Rückspiegel, als Lucca sich neben Markus vorbei gedrängt hatte und nun fast neben uns fuhr.
„Hey Hanna! Halt dich gut fest, bevor du weggefegt wirst!" rief sie und grinste hochnäsig, dann zog Lucca an uns vorbei. Lustiges Wortspiel, Mirja.

„Hanna, Baby, du zerreißt gleich meinen Anzug." Rief Carlo gegen den Wind, erst dann merkte ich, wie sich meine Finger aus Wut in Carlos Shirt gekrallt haben. „Sorry."

Carlo drückte aufs Gaspedal und nun waren wir gute 100 km/h über der erlaubten Geschwindigkeit. Und dazu kam, dass weder Lucca noch Markus einen Führerschein besaßen. Aber wir waren eben Rockstars.


Wir waren die letzten, die im Wald ankamen. Mirja zog eben ihren Helm ab, unter dem ihre Haare leicht herunter fielen und einen perfekten Kontrast zu ihrem blassen Gesicht bildeten.
Wir waren zu 10, jeweils zwei fünfer Teams, da Pia und Basti nicht mitspielten.

„Die Regeln sind klar. Okay, es gibt keine Regeln, aber die Makierer werden mit nichts anderem als Farbkugeln geladen und wir beschießen ausschließlich uns." Carlo sah in die nickende Runde, jeder war bewaffnet.

Carlo, Flo, Sam, Markus und ich hatten genau 10 Minuten Vorsprung, ab da begann das Spiel. In diesem Moment war ich dankbar, dass ich die beste Läuferin in meiner Klasse gewesen war.

„Wer dreimal getroffen wurde, scheidet aus. Das Spiel endet, wenn ein Team alle Spieler verloren hat." Und dann begannen wir zu rennen. Der Wald war zwar für uns 10 riesig, aber zu klein, um das Spiel in die Länge zu ziehen.

Carlo blieb strikt an meiner Seite, Sam und Flo waren Richtung Westen gerannt und Markus hatte sich in der Nähe der anderen aufgehalten, um direkt zu schießen. Wir rannten abwärts, aber auch nach 5 Minuten Rennen kamen wir am Ende des Waldes an.

Der Teamruf der anderen hallte durch den Wald, ab jetzt ging es los.
„Weißt du, dass du verdammt sexy aussiehst, mit einem Gewehr in der Hand?" raunte Carlo in mein Ohr und grinsend schlang ich meine Arme um seinen Hals. Mein Gesicht vergrub ich in seiner Halsbeuge, ich spürte einen leichten Kuss an meinem Hals.

„AAAH VERDAMMT!" ein getroffener Schmerz Schrei hallte durch die Bäume – das war Flo gewesen. Die Kugeln waren für Paintball ungefährlich, aber sie hinterließen einen schönen blauen Fleck und an der richtigen Stelle konnte der Aufprall schon wehtun.

„Strike Nummer 1." Murmelte ich und sah in die vertrauten braunen Augen.
„Der Wald ist für uns 10 riesig und trotzdem kennen wir uns so gut, dass wir genau wissen, wer mit wem wo ist." Ich nickte. Wir waren wie Geschwister.

„Komm, wir gehen weiter ins Gefecht, sonst sind wir gleich nur noch zu zweit. Und außerdem will ich das Ding auch mal ausprobieren." Ich zwinkerte und gemeinsam joggten wir los, wo die Stimmen und das Geschoss lauter wurde.
„Geh du dort hinten rum, ich sehe Flo dort. Ich bleibe hier." Er nickte und joggte los.

Es war ein komisches Gefühl, Paintball zu spielen. Dieses Adrenalin, abgeschossen zu werden, förderte die Leistung, länger durchzuhalten. Dabei waren es nur Farbkugeln. Aber zwischenzeitlich fühlte man sich wie in einem richtigen Gefecht.

Ich lief ein wenig zwischen den Bäumen umher und zuckte bei jedem Knacken zusammen. Markus müsste nicht weit entfernt sein, die Quads standen knapp 50 Meter entfernt auf der Lichtung und hinten an den Bäumen erkannte ich gelbe Farbe.

„Wo hast du denn deinen Carlchen gelassen?" bevor ich mich bewegen konnte, traf mich die erste Kugel hinten in der Kniebeuge. Ich fiel beinahe, aber ich wollte nicht verlieren. Nicht vor Mirja. Meinen Schmerzensschrei unterdrückte ich nur schwer. Es fühlte sich an, als hätte sie alle Sehnen durchtrennt.

„War ihm bei meiner Schussicherheit zu gefährlich." Meine Kugel traf auf ihre Brust und brachte sie aus dem Konzept, sie fiel zu Boden. Ich nutzte die Chance und rannte. Ich rannte, so gut es mit dem Treffer in der Kniekehle ging, aber sie war nahm keine Verfolgung auf, sodass ich nach einigen Metern entkräftet Luft holen konnte.

Ich wusste, dass Mirja es gnadenlos auf mich abgesehen hatte, aber dass sie auch ohne zu Zögern schmerzempfindliche Stellen beschoss, hätte ich selber nicht geglaubt. Aber jetzt wusste ich, dass sie vor nichts zurück schreckte.

„Hanna!" mit gerichteter Waffe hätte ich fast auf Markus geschossen. Sein Anzug leuchtete gelb blau.
„Markus, du bist schon zweimal getroffen worden?!" fassungslos sah ich ihn an.
„Und jetzt ist er raus!" schrie jemand, dann ein Knall und Markus leuchtete Pink.
Tim hatte seinen dritten Strike vollbracht, Markus war raus.

Ich stattdessen ergriff die Flucht. Markus musste ich leider zurück lassen, aber er würde das schon verkraften. Ich musste grinsen, das war wie ein schlechter Western Film. Zurzeit sah es wirklich so aus, dass meine Mannschaft verlieren würde, denn Tim war ziemlich treffsicher. Selbst beim Rennen schoss er auf mich, verfehlte mich aber nur knapp.

„Fuck!" rief er, sein Makierer war leer und sein Vorrat an Farbkugeln bereits aufgebraucht.
Markus und Tim waren raus. Jetzt musste ich nur noch die anderen wieder finden.


Der Wald schien so elendig lang, wenn man alleine war. Ich sah zwischen durch Tim und Markus, die bei den Quads was tranken und mit Basti und Pia quatschten. Von den anderen hörte ich nur Schüsse, bis mir Lucca und Chelo entgegen kamen. Die beiden haben aus Schreck gegenseitig aufeinander geschossen und sich so ausgeknockt.

Das heißt, dass aus meinem Team noch Carlo, Sam und Flo drin waren und aus Mirjas nur noch Johannes. Aber Johannes war gut. Er war dem Gefecht von Carlo und Flo entwichen, ohne getroffen worden zu sein, meinte Chelo eben.

Mit Jungs konnte man dieses Spiel einfach nicht spielen. Sie überlegen kein wenig taktisch und haben ausschließlich den Drang zu schießen. Aus dem Grund spielten wir auch gerade mal eine knappe Stunde.


Ich lief ein wenig umher, ladete meinen Makierer nach und begab mich auf die Suche nach Carlo. Er war sicher irgendwo bei Flo und Sam, außer einer der drei war eben ausgeschieden.

Meine Gedanken fingen an, um Mirja zu kreisen. Sie hasste mich, weil ich mit Carlo ging. Und ich hasste sie, weil sie ihn verletzt hatte. Und jetzt schmiss sie sich an Lucca ran, um ihn mir wegzunehmen und Carlo erneut zu verletzten. Dieses Mädchen war krank. Sie war zu eifersüchtig, als das sie die Beziehung von mir und Carlo verkraften konnte. Und das machte mich noch wütender.
Wenn Lucca sich auf sie einlässt - was er ohne zu Zögern tun würde - dann würde die Clique auseinander brechen und das war noch schlimmer, als das wir sie hassten. Wir waren wie eine Familie und Mirja würde das nicht kaputt machen.

„Hanna!" Flo kam auf mich zu gejoggt und leuchtete in allen Farben. Er wurde eindeutig mehr als dreimal getroffen.

„Bist du raus?" ich musste mir ein Lächeln verkneifen, sein Gesicht in Pink sah einfach zu süß aus.
„Nicht nur ich. Ein Kampf zwischen Mirja, Johannes, Sam und mir. Johannes hat geschossen, als hätte er ein Maschinengewehr. Sam und ich sind raus, Mirja ist zweimal getroffen, Johannes und Carlo schießen noch." Er grinste breit. Das klang nicht gut für mein Team. Mirja war sicher geflüchtet und Johannes würde von Carlo ausgeknockt werden.

Ein weiterer Schuss und das laute „Verdammt!" von Johannes und der Jubelschrei von Carlo ließen mich das bestätigen.
„Bis nachher!" Flo machte sich auf den Weg zu den anderen und nach knapp fünf Minuten kam ein stinkiger Johannes.

„Carlo ist zweimal getroffen, also pass auf." Grummelte er und ich nickte. Dann konnte er ja nicht mehr weit entfernt sein.

Wir waren zu zweit und Mirja nur noch alleine, das heißt, wir würden gewinnen. Sie hatte keine Chance, ich hatte noch zwei Treffer, ehe ich ausscheiden würde.

Carlo war zweimal getroffen, das heißt, ich musste ihn so gut es ging schützen, es standen schließlich drei Kisten Bier auf der Gewinnerliste.

In den Blättern der Büsche sah ich etwas Pinkes. Einen Moment nahm ich Deckung, möglicherweise war das Mirja, die nur darauf wartete, dass ich mich auf Carlo stürzen würde. Aber die kurzen braunen Haare verrieten ihn dann doch. Grinsend kam ich hinter dem Busch hervor, als ich das Geräusch des Nachladens wahrnahm.

„Du machst mir das nicht kaputt." Und dann drückte sie ab.
Nur das das, was mich traf, keine Farbkugel war. Es traf mich am Hals, es war scharf und hinterließ einen brennenden Schmerz.
Etwas Warmes lief an meiner Schulter entlang, dann traf mich die zweite Kugel direkt am Hinterkopf.

Ich stürzte vor Schmerz und Schutzreflex auf den Boden und presste die Hand auf meinen Hinterkopf.

„Hanna!" Carlo war direkt neben mir, Mirja stand außerhalb meines Blickwinkels.
„Bist du komplett bescheuert?!" brüllte Carlo Mirja an.
„Alles gut, Baby. Es fühlt sich schlimmer an, als es ist." Er hob mich hoch und machte sich joggend auf den Weg zu den Quads.
„Es brennt." Ich presste mein Gesicht an seine Schulter und versuchte normal zu atmen, damit ich nicht losweinte.

„Es blutet ein wenig, alles gut." Seine Stimme beruhigte mich tatsächlich ein wenig.
„Was ist passiert?" Flo war sofort an Carlos Stelle.
„Das kann Mirja euch am besten selber erzählen." Fauchte er, aber Mirja schwieg.
„Sie hat Hanna mit Steinen beschossen." Zu gerne würde ich jetzt Luccas Blick sehen. Luc würde irgendwann einsehen müssen, dass Mirja keine von uns war. Sie passte nicht zu uns.

Grob setzte Carlo mich auf sein Quad, drückte mir einen leichten Kuss auf die Stirn und sah die andern an.
„Mirja, wann kapierst du endlich, dass du in unserer Clique nichts zu suchen hast?! Du benutzt Lucca wie ein Blatt Papier und das nur, um mir eins reinzuwürgen, aber jetzt bist du zu weit gegangen." Und mit den Worten stieg er aufs Quad und drückte aufs Gaspedal.


„Carlo, fahr langsamer." Ich spürte das klebrige Blut, dass langsam trocknete, während noch neues aus der Wunde trat.
„Was fällt ihr eigentlich ein?! Ich mein, Steine!? Die ist doch krank! Wenn Luc was mit ihr anfängt, dann wars das." Und genau das meinte, die Clique wäre Geschichte.

Carlo würde mit CRO durchstarten, Markus als sein DJ, obwohl er als Psaiko.Dino selber durchstarten könnte. Ich war mir sicher, dass Carlo noch heute sauer auf ihn war. Luc würde mit Mirja davon ziehen und Tim und Flo? Die wären die einzigen Mitläufer, die mit all dem nichts zu tun haben. Die beiden wären trotzdem weiter hin Carlos Band, aber allein die Vorstellung, dass es die Clique nicht mehr geben würde, ließ mir die Tränen in die Augen treiben.


Ein richtig schön langes Kapitel, weil ich zu der Idee einfach SO viel schreiben konnte!

Ich wäre super dankbar für ein Feedback eurerseits!
Vielleicht kommt mit viel Feedback eurerseits ja schon vor Donnerstag das neue Kapitel und mit gaaanz viel Feedback schon heute ;)

Ich will nur dich.Where stories live. Discover now