27. Kongresse und Modelgedanken

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Mein nervender Wecker ließ mich stöhnen. Wobei das nicht mein Wecker war, sondern Nachrichten, die direkt hintereinander bei mir ankamen. Es klingelte durchgehend.

Genervt nahm ich mein IPhone in die Hand und sah, dass ich zehn neue Nachrichten von Carlo hatte. Aus Schreck machte mein Herz einen Satz, aber als ich durch die Nachrichten scrollte, fuhr ich ruckartig hoch.

Baby, du hast verschlafen! Steh auf!"
Steh jetzt endlich auf!" und lauter solche Nachrichten. Und er hatte Recht.
Es war kurz vor neun und mein Kongress fing um neun an.

Mein Handy ins Bett schmeißend riss ich mich aus den Laken und schaffte es, mich innerhalb weniger Minuten hinzurichten. Fünf Minuten zu spät kam ich trotzdem.

„Frau Tiekler, eine Ehre, Sie hier anzutreffen." Ein schnöseliger Anzugmann kam wenige Schritte auf mich zu. Wenn Carlo jetzt hier wäre, würden wir uns über ihn lustig machen. Über alle Anzugmänner, die denken, sie würden wichtig sein, weil sie eine Krawatte tragen.

Ich rang mir notgedrungen ein Lächeln ab und fragte mich, wer dieser Mann war, der mich anscheinend bestens kannte.

„Guten Tag." Ich schüttelte freundlich seine Hand und überlegte mir, wie ich am besten einem belanglosen Smalltalk entgehen könnte.

Der Kongresssaal war voll mit wichtigen Menschen, die die kurze Pause für einen Brunch nutzten.
„Schön, Sie vertretend für Ihren Verlag hier zu sehen. Ihre Arbeit ihr vorzüglich." Er grinste, während er seinen Espresso hinunter kippte.
„Ist auch nur eine Korrektur, wie jede andere auch." Links und Rechts stand Security, die uns beobachteten.
„Es tut mir wirklich leid, Sie zu enttäuschen, aber ich müsste kurz auf mein Zimmer. Bis dann, Herr..." ich zögerte und lief schon los. Sein „Hansis." Hallte mir an der Tür entgegen.

Carlo

„Rauchen ist hier drinnen verboten." Kody sah mich streng an, als ich mir eine Zigarette anzündete.
Seufzend stellte ich mich ans Fenster und sah aufs sonnige Stuttgart herab.

„King of Raop verkauft sich unfassbar gut. Wenn Du und Meine Zeit auch so einschlagen, dann haben wir dich soweit." Ich nickte. Dann haben sie mich soweit, dass die Tour wirklich ein Erfolg werden könnte. Und wenn das der Fall war, wussten wir, welchen Weg ich einschlug. Den Weg der Großen.

„Du hast gleich noch einen Interview Termin." Ich stöhnte. Ich hasste Interview Termine. Die stellten sowieso immer dieselben Fragen. Wieso trägst du eine Maske? Denkst du, die Maske wird dich immer schützen? Hast du eine Freundin? Immer dasselbe.

„Carlo, du solltest dich dran gewöhnen. Du fährst nunmal jetzt auf dieser Spur und da wird dich auch nichts mehr von runterbringen." Seine ernste Stimme brachte nur noch mehr schlechte Laune.
„Ich fahre nicht auf dieser Spur. Ich bin immer noch ich. Der Mann mit der Maske ist jemand ganz anderes." Murrte ich.
„Carlo..."
„Nein, nicht Carlo. Es war wirklich ein guter Tag, Kody. Wirklich. Ich meine, heute kommt der erste Song für meine Freundin raus, ja. Aber warte! Richtig, sie sitzt in Hamburg mit irgendwelchen Schnöseltypen und ich darf mir Predigten von dir anhören und unnötige Fragen von 'nem Pressefutzi. Der Tag kann ja nur noch besser werden." Ich schnippte meine Kippe weg und verließ ohne weiteres Kodys Büro, nur um in meinem zu verschwinden.

Ich hatte darauf bestanden, meine eigenen Räumlichkeiten zu bekommen, wenn ich tagsüber durchgehend im Büro anwesend sein musste. Aber im Endeffekt bestand mein Büro nicht mehr als aus einem Sofa, einen Plasma mit meiner X-Box und meinem Musikzeugs, dass zuhause nicht mehr gepasst hatte.

Ich setzte mich auf das Sofa und blickte auf die Zettelvielfalt neben mir. Ganz oben lag der Song, bei dem mein Herzblut drinsteckte.
Du.

Sie sagt, sie würde gern ans Meer..
Ich erinnerte mich den Tag, an dem wir aus Tirol wieder gekommen waren. Hanna hatte mir gesagt, sie würde mit mir ans Meer, um dort nie wieder wegzufahren, genau wie in Tirol.

Mal wieder weg von hier, ist egal wohin, einfach weit, weit weg und der Stress bleibt hier.
Der Arbeitsstress hatte uns schon wieder. Drei Wochen nach dem erholsamen Urlaub und schon wieder sehnten wir uns nach Spaß und Freiheit.

Irgendwann kam ich beim Refrain an. Baby glaub mir, dass Beste, bist du.
Beinahe ein Jahr war es jetzt her, dass ich Hanna kennengelernt hab und sie war das Beste, was mir passieren konnte. Ihre herzliche, humorvolle Art und dieses Lächeln, das mich jedes Mal wieder um den Verstand brachte. Sie erfüllte mich von Kopf bis Fuß und ich wusste, dass sie jemand war, der auf Geld scheißte. Sie vertraut auf Ehrlichkeit, Treue und Spaß. Sie war wie ich.

Ich sah auf mein Handy, aber sie hatte sich nicht gemeldet. Der Kongress lief noch.
Ein leises Klopfen ließ mich auffahren, Kody und ein junger Mann sahen herein.
„Bist du fertig?" Kody sah mich fragend an.
„Immer."

Hanna

Unkonzentriert sah ich erneut rüber zu den beiden jungen Männern, die mich neugierig anstierten.
Sie musterten mich von oben bis unten, tuschelten und sahen dann wieder zum Sprecher nach vorne.
Als der Kongress um neun Uhr abends endlich sein Ende fand und ich erleichtert meine Sachen zusammen packte, sahen sie mich erneut an.

Auf dem Flur von meinem Zimmer, direkt an meiner Tür, sprachen sie mich an.
„Entschuldigung?" erschrocken drehte ich mich um, eine Hand zur Sicherheit auf der Türklinke.
„Entschuldigung, wir wollten dich nicht erschrecken. Ich bin Luis." Er gab mir die Hand, die ich zaghaft, mit einem gewissen Sicherheitsabstand, annahm.

„Hanna." Mein Mund war trocken, mein Kopf leer.
„Das ist Samuel." Ich nickte. Luis war einen guten Kopf größer, braune Haare und eisblaue Augen. Er hatte eine muskulöse Figur und auch der blonde Samuel mit den grünen Augen tat es seinem Körper gleich.

„Wir sind von Missins & CO." Der Firmname sagte mir nichts.
„Tut mir leid, dass wir mit der Tür ins Haus fallen, aber du hast die geeignete Größe und Maße für einen Beruf bei uns. Wir stellen Klamotten her und verkaufen sie übers Internet und einen Laden in Amsterdam." Ich konnte ihn nur perplex anstarren.

„Wir suchen Mädchen, die für unsere Klamotten schau stehen würden." Meldete sich Samuel zu Wort.

„Ich soll modeln?" war alles, was ich rausbrachte.
Die beiden sahen einander an und nickten.
„Unser Unternehmen sucht eigentlich nur qualifizierte Models, aber dein Gesicht spricht einfach an und hat einen gewissen Wiedererkennungswert. Wir würden dich gerne zum Casting einladen." Sie drückten mir eine Visitenkarte in die Hand und lächelten mich an.

„Tut mir leid, ich bin nicht mehr als eine einfache Lektorin." Ich öffnete mein Zimmer und ließ die beiden eiskalt stehen.

Ich und Model? Ich hatte weder die 90/60/90 Maße noch war ich daran interessiert, mich auf Werbeplakaten oder Internetlogos zu sehen.

Erschöpft schmiss ich die Karte achtlos in mein Portmonee, machte mich im Bad zurecht und war stolz, einen erfolgreich langweiligen Kongress hinter mich gebracht zu haben und morgen zurück nach Stuttgart fahren zu können.


Endlich wieder Sonntag! Erstmal Guten Morgen, meine Lieben.

Ich wünsche euch schonmal einen wunderschönen Tag.

Was glaubt ihr, hat diese Model Sache noch ein Nachspiel?
Ich kann euch eins verraten, schon sehr sehr sehr bald kommt was Großes. Was sehr großes.

Bis dahin, viel Spaß beim lesen!

Wir lesen uns Donnerstag! a.

Ich will nur dich.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt