Schuld

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(HARRYS POV)

48 Stunden. So lange muss ein Mensch verschwunden sein, bis man ihn bei der Polizei als vermisst melden kann.

48 Stunden in denen weiß Gott was passieren kann.

Jetzt saßen Johannah, Tai und ich auf der Polizeiwache und warteten.

„Die Nächsten!"

Wir sprangen auf und wollten am liebsten alle drei gleichzeitig durch die Tür.

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„Und wie lange ist er verschwunden, sagten sie?"

„48 Stunden."

„50... mittlerweile", berichtigte ich Tai die nach wie vor versuchte ihre Haltung zu wahren.

„Und es könnte nicht sein, das Mister Tomlinson vielleicht einfach nur einen Spaziergang machen wollte?"

„Über zwei Tage lang? Soll das ein Witz sein? Ich sage es ihnen gern nochmal. Der Schlüssel seines Wagens steckte noch und ich fand sein Handy auf dem Bürgersteig. Er wollte zu seiner Mutter, kam da aber nie an... Verdammt nochmal. Machen Sie gefälligst ihren Job vernünftig."

Mein Herz raste, mein Puls versuchte mitzuhalten und ich kochte vor Wut und Verzweiflung. Der Beamte mir gegenüber war ein Idiot erster Klasse und am liebsten wäre ich ihm an die Gurgel gegangen.

„Beruhigen Sie sich, Mister Styles?"

„Wie soll das gehen? Mein Freund ist verschwunden und sie gehen davon aus, dass er einen Spaziergang macht... Hören sie eigentlich selbst, wie dämlich das ist?"

Tai lehnte sich zu mir rüber.

„Sie schmeißen dich raus, wenn du weiter so machst... Komm runter."

Ich biss die Zähne zusammen, veränderte meine Sitzposition und atmete. Schließlich schafften wir drei es, dem Beamten vor uns zu erzählen was vorgefallen ist. Natürlich zog er selbst die Falschen Schlüsse und sprach von typischem Trennungsfall, aber ich erklärte ihm dass es nicht so war. Nicht bei uns. Man versprach uns schließlich, sich darum zu kümmern und wir verließen die Wache.

„Wir sollten alle nach Hause fahren. Es sollte jemand da sein, wenn er zurück kommt... Egal wohin das sein wird."

Johannah sah Tai und mich abwechselnd an. Tai nickte und machte sofort kehrt. Jo wischte sich müde durch ihr blasses Gesicht.

„Komm, ich fahre dich nach Hause."

Jo nickte und gemeinsam liefen wir zu meinem Wagen, stiegen ein und ich fuhr los. Johannah wirkte nicht nur müde, sondern um zehn Jahre gealtert. In den letzten zwei Tagen weinte sie ständig und betete und hoffte das ihrem Sohn nichts passiert war. Nachdem ich sie vor ihrem Haus abgesetzt hatte, wartete ich bis sie in diesem verschwand, dann fuhr ich weiter zu mir nach Hause. Es war fast Mitternacht als ich dort ankam, aber Sophie stand in der hellerleuchteten Küche und sah mich fragend an.

„Sie wollen sich drum kümmern..."

Ich lief zur Kaffeemaschine, nahm mir eine Tasse aus dem Schrank und goss mir den letzten Rest ein, machte dann aber sofort Neuen.

„Harry, sie sollten sich lieber hinlegen und sich ausruhen. Wann haben sie das letzte Mal geschlafen?"

„Ich kann nicht schlafen, Sophie. Ich muss wach sein, falls er zurück kommt, oder die Polizei sich meldet... Falls sie..."

Den aufkommenden Gedanken wollte ich gar nicht zuende denken. Stattdessen nahm ich einen Schluck Kaffee und schüttete den Rest gleich hinterher.

„Hätte ich schneller reagiert... Wäre ich ihm sofort hinterher gefahren... dann..."

„Hören Sie auf Harry. Geben Sie sich nicht die Schuld an all dem. Sie und Lou haben gestritten, dass passiert den besten Paaren."

„Nein wir haben nicht gestritten, Sophie... Lou hat sich von mir getrennt, aber ich habe es ja quasi darauf angelegt. Ich habe ihm allen Grund dafür gegeben..."

Mir kamen die Tränen und ich versuchte gar nicht, sie zu verstecken oder aufzuhalten. Sollten Sie laufen bis keine mehr übrig waren. Das Gefühl der Schuld fraß mich auf und ich hatte es nicht anders verdient.

Als der frische Kaffee durchgelaufen war, goss ich mir welchen ein und ging dann ins Wohnzimmer. Ich stellte die Klingeltonlautstärke meines Handys auf Maximum und legte es auf den Tisch, dann tigerte ich in dem Raum umher. Ich konnte unmöglich sitzen, geschweige denn liegen. Ich hatte Angst einzuschlafen, auch wenn ich der Meinung war, kein Auge zu zu bekommen.

Das letzte Gespräch zwischen mir und Lou ging mir durch den Kopf. Sein letzter Blick, sein letztes Wort... Ich fragte mich, wann genau ich anfing so ein verdammtes Arschloch zu werden. Wir hatten so eine schöne Zeit. Wir hatten uns... Wann hatte sich das bloß geändert?

Und dann fiel mir Doktor Hawthorne ein... Ich verfluchte ihn. Hätte er Lou nicht geküsst, wäre das alles nie passiert... Und wäre ich nicht so ausgerastet, wäre Lou noch hier bei mir. Natürlich suchte ich die Schuld bei anderen, aber ich allein trug sie. Ich war so ein Narr.

Sophie betrat das Wohnzimmer und lenkte mich von meinem Selbsthass ab.

„Harry, ich kann hier bleiben, wenn sie möchten. Dann können sie nach oben gehen und sich ein wenig ausruhen."

„Nein Sophie. Vielen Dank. Gehen sie nach Hause, ich komm klar."

Sophie und ich sahen uns eine Weile an, dann aber nickte sie, wünschte mir trotz allem eine gute Nacht und verließ das Haus. Ich stellte mich ans Fenster und sah nach draußen, hoffte inständig das Lou aus dem Nichts auftaucht und mich anlächelt, mir verzeiht. Aber er kam nicht.

Erst als es hell wurde, bewegte ich mich wieder vom Fenster weg. Mein Handy gab über Nacht nicht einen Ton von sich.

Mein Magen knurrte, aber ich wollte nichts essen. Mittlerweile war ich von Kaffee auf Tee umgestiegen, weil mir schon schlecht wurde und um Neun, hörte ich einen Schlüssel in meiner Haustür. Sofort rannte ich in den Flur, nur um Sophie zu entdecken. Es war ernüchternd und ich ließ die Schultern sinken. Mitleidig sah mich die alte Dame an und wieder brachen bei mir alle Dämme. Ich heulte los und Sophie schloss mich sofort in ihre Arme. Ich fand keine Worte, war aber dankbar dafür das sie da war.

Und ich war müde. Unfassbar müde.

Light My Fire [Larry Stylinson]✔️Where stories live. Discover now